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Kein Rettungswagen für Dreijährigen: Handelte Leitstellenmitarbeiter falsch?


Notruf in Brandenburg
Kein Rettungswagen entsandt: Ging der Leitstellenmitarbeiter falsch vor?

Von t-online, cch

Aktualisiert am 04.01.2023Lesedauer: 3 Min.
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Einsatzwagen eines Notarztes (Symbolbild): In Brandenburg an der Havel ist ein Kind gestorben. (Quelle: Lino Mirgeler/dpa/Symbolbild/dpa)

Trotz eines Notrufs stirbt ein Dreijähriger. Der Leitstellenmitarbeiter hatte keinen Rettungswagen rausgeschickt. Hat er falsch gehandelt?

Die Bestürzung ist groß: In Brandenburg an der Havel ist Ende Dezember ein Dreijähriger gestorben. Tags zuvor hatten seine Eltern den Notruf gewählt, weil es dem Jungen offenbar nicht gut ging. Im Gespräch mit der Familie entschied sich der Leitstellenmitarbeiter allerdings dazu, keinen Rettungswagen rauszuschicken.

Laut dem aktuellen Stand der internen Untersuchungen sei das Vorgehen des Mitarbeiters fachlich nicht zu beanstanden, sagt Beigeordneter Thomas Barz (CDU) im Gespräch mit t-online. Der diensthabende Disponent habe grundsätzlich richtig gehandelt, man habe alle vorwerfbaren Aspekte ausschließen können. Bisher sei auch noch nicht klar, ob es eine Kausalität gibt zwischen dem nicht entsandten Krankenwagen und dem Tod des Kindes.

"Wir werden den Fall aber zum Anlass nehmen, zu prüfen, ob es weitere Fragen gibt, die in solchen Situationen künftig von den Leitstellenmitarbeitern zusätzlich gestellt werden sollten", so Barz, der als Beigeordneter auch für den Fachbereich Feuerwehr und Rettungswesen zuständig ist. "Wir wollen aus dem Sachverhalt Lehren ziehen, um das Qualitätsmanagement zu verbessern."

Fragenkataloge sollen Mitarbeiter helfen, Lage einzuschätzen

Den Leitstellenmitarbeitern stehen zur Einordnung eines eingehenden Notrufs standardisierte Fragenkataloge zur Verfügung. Hauptsächlich handelt es sich dabei um das Notfallabfragesystem NOAS sowie einen Notarztindikationskatalog vom Ministeriums für Gesundheit des Landes Brandenburg. Diese Programme erinnern die Disponenten etwa daran, zu fragen, ob die betroffene Person Fieber hat, blaue Lippen oder ob es zu Blutungen gekommen ist, erklärt Barz.

"Da kann sich der Mitarbeiter durchklicken, um sich seine Einschätzungen bestätigen zu lassen", sagt Barz. "Gleichwohl ersetzt das nicht das Fingerspitzengefühl eines erfahrenen Mitarbeiters, der zwischen den Zeilen lesen muss. Der einordnen muss, mit wem er gerade telefoniert und ob diese Person die Situation vollständig erfasst."

Während des Telefonats des betroffenen Disponenten und der Familie soll es Hinweise gegeben haben, dass es dem Dreijährigen besser gehe. Der Disponent habe mit der Familie dann besprochen, sich erneut zu melden, wenn es dem Kind schlechter gehen sollte. Auch verwies er auf den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst und empfahl eine Notsprechstunde in einem Krankenhaus. Die hat die Familie aber mutmaßlich nicht besucht. "Hier könnte man in Zukunft noch die Frage stellen: Ist es Ihnen möglich, dort hinzukommen?", sagt Barz. Zudem könne es sinnvoll sein, zu prüfen, ob der Gesprächspartner die Vorschläge verstanden hat.

Schließlich stehen die Anrufer meist unter großer emotionaler Spannung. Für die Leitstellenmitarbeiter sei es da eine besondere Herausforderung, alle Zwischengeräusche wahrzunehmen, erklärt Barz. Sie müssen sich von einem medizinische nicht geschulten Personal die Situation erklären lassen. "Und haben dann nur ein paar Sekunden Zeit, eine Lage zu sondieren, die sie wahrscheinlich, wenn sie in Ruhe daneben stehen würden, anders bewerten würden."

Die Ausbildung zum Disponenten sei umfangreich und langwierig und "sehr anstrengend". Die Mitarbeiter benötigen unter anderem Erfahrungen bei der Feuerwehr, im Rettungsdienst und im Brandschutz. "Leitungsstellenmitarbeiter fahren pro Jahr 80 Stunden Rettungsdienst, damit sie sich am Telefon vors Auge führen können, wie die Situation vor Ort sein kann", sagt Barz.

Der diensthabende Disponent war ein sehr erfahrener. Er sei nach dem Vorfall nicht freigestellt worden, wie von einigen Medien berichtet, stellt Barz klar. Er habe lediglich den direkt auf den Vorfall folgenden Dienst auf eigenen Wunsch hin nicht angetreten. Aktuell fahre er im Rettungsdienst mit und sei ab Donnerstag wieder regulär im Leitstellendienst.

Leiche des Dreijährigen wurde obduziert

Die Staatsanwaltschaft hat ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet. Das Kind ist bereits obduziert worden. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Potsdam sagt auf Anfrage, man werte derzeit den Obduktionsbericht aus, um zu prüfen, ob ein "strafrechtlich relevanter Vorwurf" gemacht werden könne.

Der Leitstellenmitarbeiter hatte in der Nacht zum 21. Dezember entschieden, keinen Rettungswagen an den Wohnort des Jungen zu schicken. Vorausgegangen war ein Telefongespräch mit der Familie des Kindes, die den Notruf gewählt hatte. Am darauffolgenden Morgen kollabierte der Junge, die Familie rief erneut den Notruf. Der alarmierte Notarzt konnte nur noch den Tod des Kindes feststellen.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Thomas Barz
  • Telefonat mit der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Potsdam
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