Nach BER-Aktion Aktivisten drohen mit weiteren Flughafen-Blockaden
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die "Letzte Generation" hat den Flughafen Berlin-Brandenburg zeitweise lahmgelegt. Ist jetzt eine neue Stufe des Protests erreicht?
Sieben Klimaaktivisten der "Letzten Generation" haben am Donnerstag den Hauptstadtflughafen BER für fast zwei Stunden lahmgelegt. Mehrere Personen durchtrennten zwei Zäune und begaben sich auf das Gelände des Airports. Die Polizei nahm mehrere Menschen in Gewahrsam. Lily Schubert, Sprecherin der "Letzten Generation", erklärt die Aktion im t-online-Interview und warnt, dass es nicht die letzte dieser Art war.
t-online: Sie legen einen gesamten Flughafen lahm. Drehen Sie jetzt richtig auf?
Lily Schubert: Na ja, wir haben der Bundesregierung seit Anfang des Jahres gesagt: Wir stehen vor einer Klimakatastrophe und ihr habt es in der Hand, das zu verhindern. Seit Jahrzehnten sagen das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wir werden nicht tatenlos zusehen. Wir werden weiter unterbrechen und nicht am Rand stehen.
Wie groß und umfangreich sollen diese Aktionen noch werden?
Wir werden die Störungen intensivieren, wenn es notwendig ist. Der Protest wird sich auf ganz Deutschland und weitere Flughäfen ausweiten. In München sind jetzt gerade 19 Menschen für bis zu 30 Tage in Präventivhaft – ohne einen Prozess gehabt zu haben. Wir werden unseren friedlichen Protest fortführen und sind dabei immer gesprächsbereit, um mit der Bundesregierung über erste Sicherheitsmaßnahmen zu verhandeln.
Müssen sich die Bundesbürger, die mit Flugzeugen reisen, also um die Weihnachtsferien sorgen?
Das, worum sich alle Bundesbürger sorgen, sind unsere Lebensgrundlagen. Diese werden gerade in rasantem Tempo zerstört. Wenn wir anfangen, uns um Ressourcen wie Lebensmittel und Wasser zu streiten, kann sich auch niemand mehr solche Reisen leisten. Aber das können wir noch verhindern.
Viele Menschen sehen dieses Problem, kritisieren Ihre Vorgehensweise trotzdem. Stellen Sie sich doch mal die Menschen vor, die wegen eines verspäteten Fluges eine Beerdigung oder Hochzeit verpassen.
Ich kann absolut verstehen, dass die Leute genervt sind. Niemand wartet gerne am Flughafen. Wir befinden uns hier aber nicht in einem Beliebtheitswettbewerb. Wir sind gerade an einer Stelle, an der bereits viele Bewegungen der Menschheit standen. Wo Veränderung notwendig ist, wir aber feststecken im Alltag. Manche Veränderungen müssen unbequem sein. Wir merken: Dieser Druck von uns kann etwas verändern, dieser Druck ist gerade überlebenswichtig.
Dieser Druck von uns kann etwas verändern, dieser Druck ist gerade überlebenswichtig.
Lily Schubert, "Letzte Generation"
Schaffen Sie es dadurch, Menschen zu mobilisieren?
Ja. Anfang des Jahres haben wir mit 30 Personen angefangen. Jetzt sind wir mehrere hundert. Die Leute verstehen das Problem, sie verstehen, dass wir immer weiter in eine Klimahölle steuern. Und sie verstehen, dass die Welt auch so anders, so viel besser aussehen könnte.
Und diese Menschen nehmen dann sogar Gefängnisaufenthalte in Kauf?
Ja. Am BER saß da zum Beispiel ein junger Student, aber auch ein 70 Jahre alter Rentner, der ursprünglich aus dem Iran kommt. Diese Menschen auf dem Flughafen sehen vermutlich ähnlich wie in München strafrechtliche Konsequenzen auf sich zukommen. Und sie entscheiden sich trotzdem, in den friedlichen Widerstand zu treten, weil es gerade der vielversprechendste Weg ist.
Wir bleiben immer gewaltfrei, die Klimakrise ist es nicht.
Lily Schubert, "Letzte Generation"
Es kommen also mehr Leute dazu. Sie sagen immer, dass sich die Bewegung trotzdem nicht radikalisiere. Ist es nicht schon zumindest etwas radikal, wenn man Zäune am Flughafen durchschneidet?
Es sind heute Menschen durch den Zaun gedrungen, das stimmt. Aber die Klimakatastrophe wird ganze Staaten versinken lassen und Milliarden Menschen in die Situation bringen, dass es in ihrer Heimat einfach zu heiß ist, um dort zu leben. Wir bleiben immer gewaltfrei, die Klimakrise ist es nicht.
Ist es eigentlich wirklich so einfach, auf ein Flughafengelände zu kommen?
Ja, wir haben den Maschendrahtzaun einfach zerschnitten und sind drauf. Und da es so einfach ist, frage ich mich, warum sich nicht noch viel mehr Menschen diesem todbringenden Kurs entgegenstellen.
- Gespräch mit Lily Schubert von der "Letzten Generation"