Familienmitglied wendet sich an die Öffentlichkeit Tote Radlerin in Berlin: Schwester wirft Aktivisten Ignoranz vor
Ihr Tod entfachte eine Debatte in ganz Deutschland noch einmal neu: Jetzt äußert sich die Schwester der toten Radlerin in Berlin. Sie beschreibt deren letzte Stunden.
Gut eine Woche nach dem tödlichen Unfall in Berlin, bei dem eine 44-jährige Radlerin von einem Betonmischer überrollt wurde, hat die Schwester der Toten dem "Spiegel" ein Interview gegeben. Darin schildert Anja Umann das Verhältnis zu ihrer Zwillingsschwester Sandra, deren letzte Stunden und spricht zudem darüber, "wie ignorant einige Klimaaktivisten den Tod von Menschen in Kauf nehmen".
Aktivisten der "Letzten Generation" hatten sich auf die Straße geklebt und so einen Stau auf der Autobahn ausgelöst, von dem auch eines der angeforderten Rettungsfahrzeuge blockiert wurde. Dass das Fahrzeug der Notiz einer Rettungsärztin zufolge am Unfallort doch nicht gebraucht worden war, erfuhr Umann erst im Verlauf des Interviews. Dieser Umstand ändere jedoch nichts an ihrer Einstellung, sagt sie.
Was Schwester der toten Radlerin in Berlin an Klimaaktivisten stört
"Es ändert ja nichts daran, dass dieses Fahrzeug durch die Blockade nicht die Möglichkeit hatte, früher vor Ort zu sein", meint sie. "Die Tatsache, dass es behindert wurde, besteht ja weiterhin. Und es hätte ja ebenso gut sein können, dass dieses Fahrzeug das Leben meiner Schwester hätte retten können, wie zunächst anzunehmen war." Wütend sei sie auf die Aktivisten dennoch nicht, sondern stehe weiterhin hinter diesen – nur deren Methoden hinterfrage sie.
Umann und ihre Zwillingsschwester hatten ein veganes, nachhaltiges Modelabel gegründet. "Uns liegt der Schutz der Natur sehr am Herzen", sagt sie. "Aber wie ignorant mit dem Schicksal meiner Schwester umgegangen wird, verletzt mich sehr." Zugleich lehnt sie die Äußerungen von Politikern wie etwa Alexander Dobrindt (CSU) ab, der den Unfall zu instrumentalisieren versucht hatte, um gegen die Aktivisten Stimmung zu machen.
Umann beschrieb ihre Schwester als Autistin, die nach dem Tod der Eltern die überragende Bezugsperson in ihrem Leben gewesen sei – ein Verhältnis, das auch umgekehrt so gegolten habe. Als sie am Unfalltag von der Arbeit nach Hause gekommen und ihre Schwester nicht dort gewesen sei, habe sie gewusst, dass etwa passiert sei. Bei Besuchen im Krankenhaus habe sie ihre mit dem Tod kämpfende Schwester kaum berühren können, da der Körper nach dem Unfall vom Blutverlust und den Knochenbrüchen so zerbrechlich gewesen sei.
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Radwegenetz in Berlin: Aspekt bei tödlichem Unfall auf Bundesallee
Ihre Gefühle nach dem Tod beschrieb sie mit den Worten: "Unendliche Leere. Unerträglicher Schmerz. Dunkelheit. Meiner Schwester und mir wurde die gemeinsame Zukunft genommen." Im Interview prangerte sie zudem die zahlreichen massiven Lücken im Berliner Radwegenetz an und verteidigte ihre Schwester: Die war beim Unfall auf einer mehrspurigen Straße statt auf dem Radweg unterwegs gewesen.
"Radfahrer werden dort auf die Straße umgeleitet, und danach ist es schwer, von der Straße wieder auf den Radweg zu kommen", sagte sie. "Die meisten Radwege sind in Berlin so schlecht, dass ich dort mit dem Rennrad gar nicht fahren kann. Das heißt, mit dem Rad fühle ich mich gezwungen, auf der Straße zu fahren." Dass die Stadt nicht genug für Radfahrer unternehme, gelte auch unabhängig vom Tod ihrer Schwester.
- Der Spiegel: "'Sie ist meine Welt gewesen, so wie ich ihre Welt war'"