Über drei Jahre nach Flutkatastrophe RWTH-Professor warnt: zu wenig Schutz vor Hochwasser
Ein Hochwasserexperte der RWTH Aachen warnt, dass NRW bei einer neuen Flutkatastrophe kaum besser geschützt wäre. Er kritisiert die schleppende Umsetzung von Maßnahmen.
Mehr als drei Jahre nach der verheerenden Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen sieht der Hochwasserexperte und Professor Holger Schüttrumpf von der RWTH Aachen kaum Fortschritte beim Schutz vor künftigen Fluten. "Die Warnsysteme haben sich verbessert, aber beim Hochwasserschutz selbst sind wir noch nicht viel weiter", erklärte Schüttrumpf der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Zwar könnten bessere Warnungen bei einer erneuten Katastrophe die Zahl der Todesopfer senken, die Sachschäden würden jedoch ähnlich hoch ausfallen wie 2021.
Ein Kernproblem sei die langwierige Umsetzung von Schutzprojekten wie Hochwasserrückhaltebecken. Schüttrumpf kritisiert, dass Planungsverfahren häufig durch Nutzungskonflikte mit Natur- und Denkmalschutz verzögert würden. Ein Beispiel dafür sei der geplante Bau zweier Rückhaltebecken in der Eifel, der aufgrund des seltenen lappländischen Kluftmooses stocke. Das auf der Roten Liste stehende Moos müsse vor dem Bau aufwendig umgesiedelt werden.
"Natur- und Denkmalschutz sind wichtig, aber der Schutz von Menschenleben muss Vorrang haben", betonte der Experte. Die Priorisierung sei bislang unzureichend, wodurch sich Projekte teils um Jahrzehnte verzögerten.
Schüttrump über Maßnahmen: "Papier schützt nicht"
Das NRW-Umweltministerium habe auf Anfrage der Deutschen Presse Agentur mitgeteilt, dass mehr als 320 Schutzmaßnahmen "in der Umsetzung" seien, darunter 120 bauliche Vorhaben. Wie viele davon 2023 abgeschlossen wurden, blieb offen. Um Planungen zu beschleunigen, seien neue Stellen geschaffen und Hochwasserschutzmaßnahmen als Projekte von "überragendem öffentlichen Interesse" eingestuft worden. Schüttrumpf sieht darin jedoch noch keine greifbaren Fortschritte: "Das ist Papier, und Papier schützt nicht."
Zusätzlich kritisiert der Experte Defizite in der Verhaltensvorsorge. Zwar wurden Warnsysteme wie das Hochwasserportal-NRW und Warn-Apps ausgebaut, doch viele Bürgerinnen und Bürger wüssten nicht, wie sie sich im Ernstfall schützen sollten. "Wir haben nie trainiert, was bei Hochwasser zu tun ist", so Schüttrumpf.
Ein weiteres Problem sei die geringe Verbreitung von Elementarschadensversicherungen. Nur rund die Hälfte der deutschen Haushalte sei gegen Schäden durch Hochwasser abgesichert. Eine Pflichtversicherung wird zwar diskutiert, bislang aber nicht umgesetzt.
- Nachrichtenagentur dpa