Haushaltsgummi statt Regenwurm Viel Plastikmüll im Gewölle von Störchen
Karlsruhe (dpa) - Ein schimmernder Kringel auf der Erde - ein Regenwurm? Mit einem Happs steckt er im Schnabel des Storches. Der Vogel schluckt seine Beute direkt oder bringt sie zu seinen Küken, die im Nest auf Futter warten. Hat der Storch Pech, dann hat er allerdings gerade ein Haushaltsgummi vom Boden aufgelesen.
Nach dem Fressen speit ein Storch in großen Klumpen wieder aus, was er nicht verdauen kann. Die Studentin Franziska Fritz hat viele dieser Klumpen - sogenannte Speiballen oder Gewölle - auseinandergenommen, um zu sehen, was die Störche in ihrer Gegend an unverdaulichen Dingen gefressen haben.
"Von weicher Nahrung, etwa Nacktschnecken, bleibt hinterher nichts mehr übrig", erklärt Fritz, die in Karlsruhe Biodiversität und Umweltbildung studiert. In einigen Gewöllen fand sie Skelettreste kleiner Tiere, Panzerteile von Insekten oder Krebsen, Erde und Gras. In anderen jedoch auch Schnüre, Gummis in verschiedenen Formen und Farben und Scherben aus Hartplastik. "Das könnte beim Hochwürgen gefährlich sein", erklärt sie.
Die 28-Jährige hat gut 170 Gewölle aus verschiedenen Storchennestern untersucht. In rund jedem dritten der ausgewürgten Klumpen fand sie Plastikteile. Wie ein Gewölle zeigte, hatte ein Storch auch mal vier oder fünf Gummibänder auf einmal ausgewürgt.
Offenbar gelingt es den Vögeln aber nicht immer, gefressenen Müll wieder auszuspeien: Storchenbetreuer Stefan Eisenbarth fand im Juni in einem Rheinstettener Horst einen toten Jungstorch mit einem Luftballon im Magen. "Der hat den Luftballon gefressen, konnte ihn aber nicht mehr herauswürgen und ist da dran verendet."
Seit Jahren reinigt der Storchenbetreuer ehrenamtlich Storchennester, und sieht, wie viel Plastikmüll sich die Vögel in ihre Nester holen - als Nistmaterial oder vermeintliches Futter. "Dass die Vögel so viele der gefundenen Kunststoffteile auch fressen, hat mich jedoch schockiert."
Wenn ein Vogel es nicht schafft, das Plastik wieder auszuspeien, kann er sich damit den Magen verstopfen, erklärt Lars Lachmann, Vogelexperte des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu). "Der hätte dann ein ständiges Sättigungsgefühl und würde irgendwann aufhören, zu fressen, und dann verhungern – mit vollem Magen." Wahrscheinlich werde das Plastik im Magen auch anverdaut. Und die chemischen Stoffe, die sich dabei lösten, seien vermutlich ungesund für den Storch.
Als größere Gefahr sieht der Ornithologe allerdings den Plastikmüll an, den die Vögel als Nistmaterial in ihren Nestern verbauen. Auch Stefan Eisenbarth musste schon Störche von eingewachsenen Kunststoffschnüren befreien. Befinden sich große Plastikteile in einem Horst, kann der Regen nicht mehr ablaufen und die Jungstörche erfrieren, durch größere Mengen Müll kann ein Nest auch zu schwer werden und abstürzen.
Im Gegensatz zu anderen fleischfressenden Vögeln seien Weißstörche nicht sehr wählerisch bei ihrer Nahrung, erklärt Lachmann. "Eulen fangen lebende Mäuse und fressen nichts, was tot rumliegt." Da bestehe wenig Verwechslungsgefahr zwischen der Beute und Kunststoffmüll. Anders sei es bei Störchen, "die alles fressen, was so ein bisschen nach etwas Essbarem aussieht."
Gerade im Winterquartier in Spanien ernährten sich Störche häufig auf Mülldeponien, sagt Wolfgang Fiedler, Ornithologe vom Max-Planck-Institut für Ornithologie. Lachmann zufolge finden Störche Plastikmüll zudem oft auf Feldern. Der Müll gelange über das Abwasser in den Klärschlamm, der auf Feldern ausgebracht werde. Menschen sollten daher aufpassen, was sie in die Toiletten werfen, so Lachmann. "Und natürlich keinen Müll draußen rumliegen lassen."