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Nach Germanwings-Absturz: Flugzeuge ohne Piloten werden kommen


"Das steht für mich fest"
Expertin: Flugzeuge ohne Piloten werden kommen

ap, Scott Mayerowitz

Aktualisiert am 20.04.2015Lesedauer: 4 Min.
Der Flieger voll, das Cockpit leer - so wird nach Meinung vieler Experten die Zukunft des Fliegens aussehen.Vergrößern des Bildes
Der Flieger voll, das Cockpit leer - so wird nach Meinung vieler Experten die Zukunft des Fliegens aussehen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Nach dem Absturz von Germanwings-Flug 9525 wird viel über die Sicherheit des Fliegens diskutiert. Erste Sofortmaßnahme war bei vielen Fluggesellschaften, dass kein Pilot mehr alleine im Cockpit sitzen darf. Viele Experten wollen jedoch lieber das in ihren Augen größte Sicherheitsrisiko komplett aus dem Cockpit verbannen: den Menschen.

Die Umsetzung dieser radikalen Idee ist sicher noch Jahrzehnte entfernt - sofern sie jemals Realität wird. Zwar übernimmt der Autopilot schon jetzt viele Aufgaben. Und nach der Germanwings-Katastrophe hat die bereits früher geführte Debatte über selbstständig fliegende Jets neuen Auftrieb erhalten. Dazu gehört der Vorschlag, zu erlauben, dass die Behörden am Boden die Kontrolle über ein Flugzeug übernehmen, wenn im Cockpit Gefahr im Verzug ist.

Doch eine Reihe von Luftfahrtexperten warnt auch vor potenziellen Risiken einer solchen Technik. Zudem ist ein absichtlich verursachter Absturz im Luftverkehr die absolute Ausnahme. Jedes Jahr werden weltweit rund 34 Millionen Flüge mit mehr als drei Milliarden Passagieren abgewickelt. Die Zahl der von Verkehrspiloten gezielt herbeigeführten Abstürze in den vergangenen drei Jahrzehnten: weniger als zehn.

"Wäre das wirklich die klügste Investition?", fragt Patrick Smith, Pilot mit 25 Jahren Erfahrung und Autor des Sachbuchs "Cockpit Confidential". Sogar die neuesten Flugzeuge müssten für viel Geld umgerüstet werden, sagt Smith. Und damit sei noch nicht das Risiko behoben, dass Terroristen sich in die Kommunikationsverbindungen hacken und das Flugzeug übernehmen könnten.

Wie der Lift ohne Liftboy

Andererseits ist das Konzept gar nicht so weit hergeholt. Früher schien ein Aufzug ohne Liftboy unvorstellbar, heute steigt jeder ohne nachzudenken in einen leeren Aufzug. An Flughäfen in der ganzen Welt gibt es zwischen Terminals Züge ohne Fahrer, ebenso in manchen U-Bahn-Systemen. Sogar Autos beginnen die Kontrolle zu übernehmen: Einige Modelle bremsen bei einem plötzlich auftauchenden Hindernis bereits automatisch. Und bei den US-Streitkräften lenken Piloten Drohnen per Fernsteuerung über entlegenste Winkel der Erde.

Doch Flugzeuge bewegen sich nicht im abgegrenzten Raum eines Aufzugsschachts oder von Gleisen. Und Fliegen wirkt seit jeher unnatürlich. Wenn ein Flugzeug ein seltsames Geräusch macht oder auf Turbulenzen trifft, warten die Passagiere auf die beruhigende Stimme des Piloten, der ihnen sagt, dass alles in Ordnung ist.

"Der wahre Grund, warum ein Mensch einen anderen Menschen im Cockpit haben möchte, ist, dass er glauben möchte, dass da jemand vorne ist, der sein eigenes Schicksal teilt und der, falls etwas schiefgeht, alles tun wird, um sein eigenes Leben zu retten", meint Mary Cummings, frühere US-Kampfpilotin. Sie forscht inzwischen als Professorin an der Duke-Universität in North Carolina über autonomes Fliegen.

Cummings und andere Experten glauben, dass in den USA zunächst Frachtflugzeuge ohne Piloten fliegen werden. Zunächst würden die großen Frachtflugunternehmen die Besatzung von zwei auf einen Piloten reduzieren, während am Boden ein Team von Piloten unterstützend wirkt. Später werde der gesamte Betrieb dann vom Boden aus abgewickelt.

Vision in 2030 Wirklichkeit?

Die Fluggesellschaften würden die Ausbildung von Piloten, Gehälter, Pensionszahlungen sowie Hotel- und Reisekosten einsparen. Zudem könnten Piloten am Boden einander ablösen, so dass sie normale Acht-Stunden-Schichten hätten, auch wenn die Maschine zwölf Stunden in der Luft ist. In etwa zehn bis 15 Jahren könnte diese Vision so weit sein, so Cummings. "Das steht für mich fest." Die wirtschaftlichen Fakten seien einfach überzeugend.

Von Start und Landung abgesehen, laufen bereits jetzt die meisten Flugmanöver automatisch ab. Wenn ein Pilot den Kurs ändern will, gibt er die neue Flugrichtung in den Computer ein - anstatt die Kurven selbst zu fliegen. Und Airbus experimentiert sogar mit einem fensterlosen Cockpit: Kameras und Bildschirme sollen dem Piloten ein größeres, detailreicheres Sichtfeld bieten.

Es sei nicht schwer, dann noch einen Schritt weiter zu gehen und Piloten die Bildschirme von einem Raum am Boden beobachten zu lassen, sagt Todd Humphreys, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität von Texas. "Alles, was man mit Griffen oder Knöpfen kontrollieren kann, ohne vom Sitz aufzustehen, kann genauso - oder besser - am Boden erledigt werden." Piloten am Boden hätten nicht mit Zeitverschiebungen und Jetlag, unbequemen Flughafenhotels oder Dehydrierung nach langen Flügen zu kämpfen, zählt Humphreys die Vorteile auf.

Extremsituationen hätten Piloten nur sehr selten zu bewältigen. Auf einen Notfall reagierten sie daher vielleicht nicht immer perfekt. Stattdessen könnte man am Boden zur Unterstützung der Fernsteuerpiloten Spezialisten hinzuziehen und so das Fehlerrisiko minimieren, erklärt der Professor.

Piloten haben Bedenken

Die Piloten allerdings sind überwiegend anderer Ansicht. Sie müssten im Bruchteil einer Sekunde Entscheidungen treffen, sagen sie. Ein gutes Beispiel dafür ist US Airways Flug 1549, der 2009 auf dem Hudson-Fluss nahe dem New Yorker Hafen notlandete. Flugkapitän Chesley Sullenberger musste sich dazu innerhalb von Sekunden entscheiden, nachdem beide Triebwerke durch Vogelschlag ausgefallen waren. Wie würden Piloten in Tausenden Kilometern Entfernung mit einem Brand im Cockpit umgehen?

Letztlich wird es von der Akzeptanz durch die Passagiere abhängen. Haben sie mehr Angst, vor einem potentiell kriminell handelnden Piloten oder vor einem Flugzeug, bei dem der Pilot gar nicht mehr mit an Bord ist?

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