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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Einführung der Impfpflicht? "Dann können sich Impfverweigerer freikaufen"
Die Impfquote steigt nur langsam, nun soll die Pflicht helfen. Aber ist die uneingeschränkt sinnvoll? Nein, sagt Historiker Malte Thießen. Denn der Preis könnte hoch sein
t-online: Professor Thießen, hätten Sie vor einigen Monaten erwartet, dass Deutschland nun einen derartigen Corona-Winter erleben muss?
Malte Thießen: Nein, ehrlich gesagt hat mich die Entwicklung der letzten Wochen auch erstaunt. Impfstoffe sind seit gut einem Jahr verfügbar, unser Wissen um das Coronavirus wächst und wächst. Andererseits sollten wir auch die erreichten Erfolge bedenken.
Sie spielen auf die Impfquote an? Rund 70 Prozent der Deutschen haben bislang zwei Corona-Impfungen erhalten. Um das Coronavirus einzudämmen ist das allerdings viel zu wenig. Erst recht, wenn man die drohende Verbreitung der Omikron-Variante hineinrechnet.
Selbstverständlich muss die Zahl der Geimpften steigen. Aber aus der historischen Perspektive lässt sich die bisher erreichte Zahl der Corona-Impfungen in Deutschland auch in gewisser Weise als Erfolg interpretieren. Niemals zuvor sind so viele Menschen in so kurzer Zeit gegen einen Krankheitserreger immunisiert worden. Niemals zuvor ist überhaupt die Impfung der gesamten Bevölkerung eines Landes innerhalb eines so kurzen Zeitraums versucht worden. Früher galten Impfkampagnen vor allem bestimmten Jahrgängen von Kindern und Jugendlichen.
Haben Sie ein Beispiel für ältere Impfkampagnen, die nach früheren Gesichtspunkten als erfolgreich galten?
Nehmen wir die Impfungen gegen Polio, die Kinderlähmung. Wenn früher dabei zwei oder auch einmal drei Millionen Impfungen pro Jahr verabreicht werden konnten, galt dies als hervorragend. Im Frühjahr 2021 wurden hingegen bisweilen eine Million Menschen pro Tag gegen das Coronavirus geimpft. Trotz aller Mängel und Fehler ist das schon eine bemerkenswerte organisatorische Leistung.
Nun sind wir schon beim historischen Rückblick angelangt. Warum sind wir in Deutschland und Europa überhaupt derart unvorbereitet in die Corona-Pandemie hineingestolpert? Experten warnten in der Zeit vor Corona seit vielen Jahren immer wieder eindringlich vor einer erneuten Pandemie. Sie beschreiben dies auch in Ihrem neuen Buch "Auf Abstand".
Corona machte uns zum Opfer unserer medizinischen Erfolge. Nehmen wir die bis Ende der Siebzigerjahre weltweit ausgerotteten Pocken. Es handelte sich dabei um eine überaus tödliche Krankheit, selbst die Überlebenden litten teils den Rest ihres Lebens unter den Folgen der Infektion. Dank Antibiotika und Impfungen spielten dann aber Infektionskrankheiten in Deutschland seit den 1970er-Jahren kaum noch eine Rolle. Ich spreche im Buch etwa auch von der Impfgeschichte als Relativitätstheorie. Denn Immunität ist immer relativ, sie bietet einen sehr hohen, aber leider nie absoluten Schutz, wie wir auch an den Impfdurchbrüchen bei Corona sehen. Um zu verstehen, warum wir nicht auf Corona vorbereitet waren, müssen wir allerdings in das Jahr 2009 zurückgehen.
Malte Thießen, Jahrgang 1974, leitet das LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte in Münster, zuvor war er unter anderem Juniorprofessor an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Der Historiker ist Experte für die Geschichte des Impfens. 2017 veröffentlichte er mit "Immunisierte Gesellschaft. Impfen in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert" ein Standardwerk, vor Kurzem erschien sein neuestes Buch "Auf Abstand. Eine Gesellschaftsgeschichte der Coronapandemie."
Als die Schweinegrippe ausbrach?
Genau. Die Schweinegrippe erwies sich damals als weit harmloser als befürchtet. Weil diese Influenza aber zuvor überaus öffentlichkeitswirksam als große und weltweite Gefahr eingeschätzt worden war, wurden Impfstoffe in großer Menge von den Regierungen gekauft. Als das von manchen Medien schon prophezeite Armageddon durch die Schweinegrippe dann aber ausblieb, gab es viel Kritik an den Präventionsmaßnahmen.
Obwohl die Verantwortlichen vollkommen richtig gehandelt haben.
Wenn sie gezögert hätten und die Schweinegrippe doch gefährlicher gewesen wäre, hätte es wiederum schwerste Vorwürfe gegeben – daran besteht kein Zweifel. So aber fand die irrige Vorstellung der Menschen, wirklich in einem Zeitalter der Immunität zu leben, einmal mehr eine Bestätigung. Entsprechend ließ auch der Handlungsdruck auf die Politik und Behörden nach. Der Glaube, in einer immun gewordenen Welt zu leben, um es einmal plastisch auszudrücken, führte auch dazu, dass in den letzten Jahrzehnten die Gesundheitsämter immer weiter zusammengespart wurden.
Bis Corona im März 2020 mit aller Wucht die Versäumnisse der Vergangenheit aufdeckte.
Das ist richtig. Vor allem ging die Politik von zu optimistischen Voraussetzungen bei der Eindämmung der Pandemie aus. Im Mai 2020 beantwortete die Bundesregierung eine Anfrage der AfD-Fraktion im Bundestag sinngemäß folgendermaßen: Die Pandemie endet, wenn die Impfstoffe da sind. Den Traum von totaler Sicherheit strafte Corona dann deutlich Lügen.
War die Politik auch zu optimistisch, was die Impfwilligkeit der Bundesbürger angeht?
Offensichtlich ja. Anfang 2021 waren die Impfstoffe knapp, es gab Verteilungskämpfe. Die Priorisierung war angesichts dessen sicher richtig. Im Frühjahr kam es dann schließlich zum großen und gewünschten Andrang auf die Impfstellen – wahrscheinlich dachten alle, es ginge ewig so weiter mit den Impfungen. Wir haben uns einfach von der steil ansteigenden Impfkurve täuschen lassen – ich nehme mich selbst da übrigens gar nicht aus.
Allerdings erweist sich die Grenze von 70 Prozent vollständig Geimpfter als ziemlich zäh. Woran liegt das?
Die Werbemaßnahmen von Politik und Behörden für die Corona-Impfungen waren angesichts der frühen Erfolge relativ zurückhaltend. Zu zurückhaltend, wie sich heute zeigt. In dieser Beziehung hätte tatsächlich der Blick in die Geschichte geholfen. In den Siebzigerjahren wurden große Werbekampagnen für die Impfung gegen Polio gefahren. "Kinderlähmung ist grausam, Schluckimpfung ist süß" – an diesen Slogan erinnern sich heute noch viele Menschen. Es gab zahlreiches Informationsmaterial, zur besten Sendezeit direkt vor der "Tagesschau" zudem Werbung für die Impfung und eben auch niedrigschwellige Impfangebote. So wurde die Kampagne gegen Polio ein sehr großer Erfolg. Vor allem in einer Hinsicht hat die heutige Politik aber tatsächlich einen folgenreichen Fehler gemacht.
Welcher ist das?
Die Impfstoffe gegen Corona sollten – so der politische Wille – die Pandemie beenden. Nun ist auch tatsächlich erwiesen, dass jeder der Impfstoffe sehr gut gegen Corona schützt. Was wiederum aber nicht bedeutet, dass ein vollständig Geimpfter nicht trotzdem an Corona erkranken und wiederum andere infizieren kann. Womit wir wieder sehen, wie "relativ" die Impfgeschichte ist. Denn die Politik hat diese von Experten immer wieder formulierte Erkenntnis den Menschen nicht ausreichend vermittelt. Eine Impfung verspricht niemals 100-prozentige Sicherheit. Und trotzdem ist sie richtig und für uns alle sehr wichtig.
Aber mangelnde Aufklärung kann das Phänomen der Impfzurückhaltung nicht ganz erklären. Die Impfgegnerschaft ist dann noch einmal ein ganz anderes Kapitel.
Es ist eine etwas desillusionierende, aber gleichwohl nüchterne Erkenntnis: Die Menschen sind im Laufe von Corona dramatisch abgestumpft. Oder anders ausgedrückt: Es setzte ein Gewöhnungseffekt ein. Schauen wir auf die reinen Zahlen: Wir haben in der vierten Welle Inzidenzen, die weit über denen der ersten Welle liegen. Die Todesrate ist derzeit mit bisweilen mehreren Hundert Menschen pro Tag erschreckend hoch. Aber der öffentliche Erregungszustand ist heute ein ganz anderer als vor einem Jahr.
In einer Hinsicht ist die Erregung aber wesentlich höher ausgeprägt: Und zwar in Bezug auf die Impfgegner. Beim Blick in die Geschichte zeigt sich allerdings, dass wir heute bei Corona vieles erleben, was es bereits in ähnlicher Form gegeben hat.
Die Geschichte der Impfgegnerschaft ist genauso lang wie die der Impfung selbst. Dabei reicht das Spektrum allerdings sehr weit. Und manche Argumente von Impfskeptikern, vor allem Sorgen vor Nebenwirkungen, sind ja auch nicht vollkommen absurd. Nehmen wir die Pockenimpfung. Bis in die Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts hinein starben Jahr für Jahr bis zu 100 Kinder im Deutschen Reich an den Folgen einer Impfung. Noch in den Sechzigerjahren rechnete das Bundesgesundheitsamt mit wenigstens einem "Impfschaden" pro 20.000 Pockenimpfungen.
"Impfschaden" bedeutete den Tod des Kindes. Oder schwerwiegende Behinderungen als Folge der Impfung.
Ja. Nun waren die Pocken wie schon erwähnt eine überaus verheerende Krankheit. Deswegen wurde der Nutzen der Impfung im Verhältnis zum Risiko eines Pockenausbruchs gesetzt. Außerdem wurden die Prüfverfahren für Impfstoffe immer weiter verbessert und verschärft. Alle späteren Impfungen waren um ein Vielfaches sicherer.
Aber gehen wir einmal ganz an den Beginn der modernen Schutzimpfung. Als ihr Erfinder gilt der britische Landarzt Edward Jenner, der 1796 erfolgreich einen Jungen gegen die Pocken immunisiert hatte. Es dauerte nicht lange, bis sich die Gegner der Impfung formierten.
Die Impfung erscheint manchem vom gesunden Menschenverstand her zunächst als ein paradox anmutender Vorgang: Etwas potenziell Bedrohliches wird in meinem Körper gespritzt, um mich zu schützen. Zudem ist das Vakzin ein körperfremder Stoff.
Das ist ein Krankheitserreger, der unseren Körper befällt, aber auch.
Das ist ein Argument von Impfbefürwortern, mit dem sie auch völlig richtig liegen. Die Impfung spielt gewissermaßen nur Mutter Natur nach, in dem sie dem menschlichen Körper gegen Krankheiten auf die Sprünge hilft. Um es salopp auszudrücken. Trotzdem ist dies ein wesentlicher Streitpunkt zwischen Impfgegnern und Impfanhängern. Viele Impfgegner werden schlichtweg von einer Urangst angetrieben.
Aber beim Streit ums Impfen geht es doch beileibe nicht nur um die Impfung an sich?
Das Impfen war schon immer eine Projektionsfläche für die Moderne. Beziehungsweise der Gegnerschaft zu ihr. Im 19. Jahrhundert führten zahlreiche europäische Staaten die Impfung ein, Bayern 1807 gar eine Impfpflicht. Viele Menschen fühlten sich vom Eindringen des modernen Gesundheitsstaates in ihre Lebenswelt geradezu bedroht. Für den Staat war die Impfung hingegen ein Traum – endlich stand eine Gesundheitsmaßnahme zur Verfügung, die funktionierte. Viele gesundheitspolitische Mittel zuvor waren mehr oder weniger Glücksspiel gewesen.
Drücken wir es so aus: Je mehr Druck der Staat mit Impfungen auf die Menschen ausübte, desto mehr Widerstand leisteten sie?
So ist es. Das gilt insbesondere für ländliche geprägte Regionen. Die niedrigen Impfquoten im Alpenvorland und Regionen Bayerns kommen historisch gesehen nicht von irgendwo her. Als Gegenbewegung zur Moderne mit ihren teils negativen Auswirkungen erhielt die Naturheilkunde im 19. Jahrhundert viel Zulauf. So etwa die Homöopathie, auch die esoterische und anthroposophische Strömung. Stuttgart und Dresden avancierten etwa zu Zentren der Anthroposophie in Deutschland – und damit auch zu Zentren der Impfgegnerschaft. Durch die 1874 im Deutschen Reich eingeführte Impfpflicht radikalisierten sich die Impfgegner dann stark. Für diese Leute galt das Impfen als Teufelszeug schlechthin.
Nicht zuletzt, weil der Staat die Impfpflicht auch recht rigoros durchsetzen wollte.
Es kam bis in die Zwanzigerjahre vor, dass Polizisten Kinder zur Impfung abholten. Solche Zwangsimpfungen waren aber nicht die Regel. Generell problematisch war vor allem, dass der Staat bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht transparent in Sachen Impfung und vor allem Impfschäden vorging. So ein Verhalten war nicht gerade geeignet, mit den Ängsten von Eltern umzugehen.
Kommen wir aber noch einmal auf die Impfgegnerschaft grundsätzlich zu sprechen. Auch wenn Geschichte sich nicht wiederholt, gab es manche Entwicklung der heutigen Impfgegnerschaft schon damals.
Damals wie heute ist die Auseinandersetzung ums Impfen ein Konflikt der Weltanschauungen. Auf der einen Seite sind die Anhänger der modernen Medizin, auf der anderen deren Gegner. Also Menschen, die die Impfung als unnatürliches Eindringen in den menschlichen Körper empfinden. Im vorigen Jahrhundert gab es allerdings auch bereits Impfkritiker, die das Impfen gar nicht an sich völlig ablehnten. Aber dagegen waren, dass der Staat sie dazu zwingen wollte. Denn nicht ganz ohne Berechtigung reklamierten sie das Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper.
Die pure Zahl der Impfgegner war auch durchaus nicht zu ignorieren.
Mein Kollege Karl-Heinz Leven schätzt die Zahl der Impfgegner im Kaiserreich auf etwa 320.000. Und sie waren gut organisiert. Es gab Impfgegnervereine, dazu Zeitungen für Impfgegner und selbstverständlich kam es auch immer wieder zu Demonstrationen gegen das Impfen. Die Echokammern, wie sie heute Impfgegner in Form von Facebook oder Telegram betreiben, hatten also durchaus ihre analogen Vorgänger. 1912 wurde in Berlin gar eine internationale Konferenz der Impfgegner abgehalten. Gut, so ganz international war sie nicht. Aber immerhin war jemand aus Brasilien gekommen.
Nun ist insbesondere in Ostdeutschland heute die Zahl der Ungeimpften sehr hoch. Herrscht dort wie bereits im 19. Jahrhundert ein Kampf der Weltanschauungen?
Manche Menschen im Osten verweigern die Impfung auch als Zeichen des Protestes gegen Berlin. Viele Impfverweigerer fühlen sich von der Politik nicht ernstgenommen. Das Impfen wird so schnell zu einer Frage der Weltanschauung. Aber der Protest wird auch von der AfD etwa für ihre eigenen Zwecke geschürt und instrumentalisiert.
Immer wieder wird von der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gesprochen. Wäre ein solcher Zwang sinnvoll aus historischer Perspektive?
Der Nutzen einer Impfpflicht ist mehr als fraglich. Auch wenn wir Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen. Gut, mancher "Impfzögerer" wird sich sicherlich aufraffen. Die Impfpflicht würde ferner dazu führen, dass der Staat in der Breite die Strukturen aufbaut, die zur Durchsetzung der Impfpflicht nötig sind. Wie schnell das aber gelingen kann? Vor allem müsste der Staat aber allen Menschen entsprechende Impfangebote machen. Was ist aber, wenn die Vakzine fehlen? Dann würde der Staat massiv an Vertrauen verlieren.
Eine Impfpflicht würde zudem die Impfgegner schlussendlich auf die Barrikaden treiben.
Das ist ein entscheidender Punkt. Impfgegner würden die Gesundheitsdiktatur an die Wand malen. Nun befinden sich diese Menschen ohnehin schon in der Opposition. Die Verpflichtung zur Impfung würde aber auch viele Zweifler und Zögerer in das Lager der vehementen Impfgegner treiben, die wir vielleicht noch für das Impfen gewinnen könnten. Ob das gesellschaftlich wünschenswert ist, wage ich zu bezweifeln. Vor allem erzeugen Impfpflichten immer wieder versteckte Infektionsherde.
Was meinen Sie genau damit?
Eine Impfpflicht ruft immer die Fälscher auf den Plan. Schon im 19. Jahrhundert grassierten massenhaft gefälschte Impfpässe, als die Impfung gegen die Pocken zur Pflicht erhoben wurde. Die Situation ist dann folgende: Der Staat glaubt, die Bevölkerung wäre immunisiert, während tatsächlich Teile dies nur vortäuschen.
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Ließe sich denn eine Impfplicht überhaupt durchsetzen?
Das ist eine gute Frage. Man wird die Menschen wohl kaum durch die Polizei vorführen lassen. Bußgelder helfen ebenfalls wenig weiter, weil sich Impfverweigerer dann freikaufen können. Eine Impfpflicht schafft einfach eine Kultur des Misstrauens, sie geht davon aus, dass die Bürger zu ihrem Glück gezwungen werden müssten. Dass sie unfähig wären, vernünftige Entscheidungen zu treffen.
Nun ist die Impfquote bei anderen Krankheiten in Deutschland weitaus höher.
Und genau dieser Punkt beweist, dass die Menschen in Deutschland durchaus Verantwortung für ihre eigene Gesundheit und die ihrer Mitmenschen übernehmen. Tetanus, Polio oder die Masern – bei allen diesen Infektionskrankheiten ist die Impfquote sehr hoch. Freiwilligkeit ist eigentlich immer effektiver als Druck. Die Seuche, das sind immer die anderen. In diesem Satz lässt sich die Geschichte der Seuchen zusammenfassen. Doch dies ist nicht richtig. Die Corona-Pandemie, das sind wir alle. Jemanden auszugrenzen, ich denke da an Trumps "China-Virus", oder die Schuld zuzuweisen, ist wenig hilfreich. Weil wir gegen die Pandemie möglichst alle mitnehmen und an einem Strang ziehen müssen.
Also tangiert die Einführung einer Impfpflicht tatsächlich die Frage, was für eine Gesellschaft wir sein wollen?
In gewisser Weise. Auch die Frage einer Impfpflicht muss gesellschaftlich verhandelt werden – und genau das geschieht ja gerade. Das kann in Zeiten einer Pandemie sehr entnervend und angesichts des Leids auf den Intensivstationen frustrierend sein. Aber wir leben in einer freiheitlichen Demokratie, in der wir darüber reden müssen, wie wir zusammenleben wollen.
Professor Thießen, vielen Dank für das Gespräch.
- Persönliches Gespräch mit Malte Thießen via Videokonferenz