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Nachruf zu Asterix-Schöpfer Albert Uderzo: Ganz Gallien trauert. Ganz Gallien? Ja.


Zum Tod von Albert Uderzo
Ganz Gallien trauert. Ganz Gallien? Ja.

Von Marc von Lüpke

Aktualisiert am 24.03.2020Lesedauer: 4 Min.
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Szene aus einem Asterix-Film: Albert Uderzo, ein Schöpfer der Kult-Comic-Figur, ist verstorben.Vergrößern des Bildes
Szene aus einem Asterix-Film: Albert Uderzo, ein Schöpfer der Kult-Comic-Figur, ist verstorben. (Quelle: United Archives International/imago-images-bilder)

Sie waren das Traumduo der Comicgeschichte: Albert Uderzo und René Goscinny schufen Asterix. Nun ist der große Uderzo verstorben. Eine Würdigung des Zeichners, der rot-grün-blind war.

Umzingelt! Anders lässt sich die Situation des europäischen Comics im Jahr 1959 nach Christus nicht beschreiben. Legionen von amerikanischen Figuren beherrschen den Markt, allen voran die aus dem Hause Disney. Doch Rettung naht – in Form eines kleinen mutigen Galliers. Asterix lautet sein Name, mithilfe seines Freundes Obelix leistet er Donald Duck, äh, den Römern Widerstand. Zusammen wird das Duo Comic-, nein, Literaturgeschichte schreiben.

Genauso wie Albert Uderzo und René Goscinny. Denn diese beiden sind die Erfinder von Asterix und Co. Und deren Entstehung ist – wie bei jeder guten Idee – von Mythen umrankt. Asterix wurde von den beiden Comicschöpfern demnach in einer knappen Viertelstunde ersonnen. Die Ausgestaltung seiner Welt hingegen erforderte dann Pastis und viele, viele Zigaretten. Am 29. Oktober 1959 erschien schließlich das erste Abenteuer der Gallier in der Zeitschrift "Pilote". Es sollte das erste von vielen sein.

Frühe Anzeichen von Talent

Denn Goscinny und Uderzo ziehen in den Asterix-Comics alle Register ihrer Kunst. Ersterer verfasst den Text, Letzterer zeichnet, zusammen sind sie meisterhaft. Obwohl Uderzo mit seinen Augen niemals zur Gänze wird erfassen können, was seine Hände da zu Papier bringen. Denn der Zeichner ist teils farbenblind. Bereits als Kind hatte er gern zum Stift gegriffen, die Erwachsenen wunderten sich anschließend, warum seine Pferde etwa grün waren.

Einerlei, sobald Uderzo wusste, dass ein Baum nicht rot war und ein Pferd nicht grün, markierte er seine Stifte entsprechend. Und überhaupt die Kindheit, sie war nach Uderzo selbst die "schönste Zeit" seines Lebens, wie er einst der "Zeit" berichtete. 1927 war der Sohn italienischer Einwanderer in Fismes im Norden Frankreichs geboren worden, noch vier weitere Geschwister gehörten zur Familie. Der Vater war Geigenbauer, vielleicht färbte der Sinn für Kunst auf den Sohn ab.

Jedenfalls fiel der junge Uderzo schon in jungen Jahren durch sein Zeichentalent auf. Inspiration fand er in Erzeugnissen von jenseits des Atlantiks, Walt Disneys Comics begeisterten den jungen Uderzo. Andererseits schäumte seine Fantasie ganz von selbst über. So träumte er nach eigener Aussage immer wieder von einem riesigen, etwas korpulenten Clown, den er einmal auf einem Zirkusplakat gesehen hatte. Ein Clown mit einer großen, großen Nase ... Na, ein Schelm, wer da nicht an die Knollennasen der Gallier denkt, die Uderzo später zeichnen sollte.

"Ganz Gallien?"

Und noch ein biografisches Detail scheint in Asterix auf, wenn man Uderzos Biografie daneben legt. Rund ein Jahr hatte er während der Kriegszeit in einem kleinen Ort in der Bretagne verbracht. Schlagen Sie einmal einen Asterix-Band auf; und schauen Sie auf die ersten Seiten: "Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf ..." Das wo liegt? Richtig.

"Unbeugsam" geht Uderzo seinen Weg weiter, statt Schreiner zu werden, verdingt er sich als Zeichner. Bis es 1951 zu einer Begegnung kommt, die sich als zukunftsträchtig erweist. Uderzo macht Bekanntschaft mit Goscinny, die Zusammenarbeit mündet etwa in dem Comic um den Freibeuter "Pitt Pistol" oder "Umpah-Pah".

1959 stellt sich dann die Frage, wie der neue Held "Asterix", inspiriert vom französischen Nationalhelden Vercingetorix und seinem Kampf gegen die römischen Invasoren, beschaffen sein soll? Ein Recke ohne Fehl und Tadel? Das möchte Uderzo. Oder ein etwas zu kurz geratener, aber zweifelsohne schlauer und listiger Tausendsassa? Das möchte Goscinny. Zum Glück setzt der Texter sich durch. Denn so kann Uderzo sein ganzes Können ausleben, um den Gallier zu zeichnen, der unsere Herzen erobert.

Workaholic mit Sinn für Perfektion

Asterix, der kleine, listige Fuchs, dessen Federschmuck am Helm je nach Gemütslage hoch und runter wandert. Obelix, in seiner modisch gewagten Hose in blau-weiß. Idefix, der kleine Hund mit dem großen Herzen (für Bäume). Miraculix, der weise Druide, der mit seinem Zaubertrank ... So viele Figuren, so viel Fantasie. Erwähnt seien zumindest noch die zahlreichen römischen Legionäre, die von den Bewohnern des gallischen Dorfes nach allen Regeln der Kunst immer wieder verdroschen werden. Oder die Piraten ... Auch nicht zu vergessen die vielen fröhlichen Feiern im gallischen Dorf, wenn wieder ein Abenteuer zu Ende war.

Nachdem sich der Erfolg der Serie eingestellt hat, erscheint jedes Jahr ein neues Abenteuer der Gallier. Keine geringe Leistung, insbesondere für Uderzo, der für seinen Blick fürs Detail bekannt ist. Nur wenn eine Seite perfekt war, entlässt sie Uderzo seiner Fürsorge. Gleichwohl ist er höchst produktiv. Bis zu fünf Seiten schafft er pro Woche. Und auch in Deutschland lechzen die Menschen nach dem nächsten Comic aus Frankreich. Wie sollten sie auch nicht: Großartige Zeichnungen von Uderzo gepaart mit dem genialen Wortsinn von Goscinny? Angereichert mit historischen Anspielungen, geistreichen Parodien auf Berühmtheiten und nationale Klischees? Asterix leistet seinen ganz eigenen Beitrag zur Verständigung zwischen Deutschen und Franzosen.

1977 dann der Schock: René Goscinny stirbt einen viel zu frühen Tod, knapp 50 Jahre ist er alt. Uderzo ohne Goscinny, das ist wie Asterix ohne Obelix. Uderzo will die Abenteuer des kleinen Galliers drangeben, die Fans protestieren. Uderzo übernimmt den Text der Comics, nach Meinung vieler nicht seine beste Entscheidung. Trotzdem verkaufen sich auch die neuen Hefte wie geschnitten Brot. "Der große Graben" macht 1980 den Anfang. Weniger Wortsinn, mehr Brachiales. Aber Hauptsache, Asterix lebt weiter. Das denkt auch Uderzo, denn der kleine Gallier ist sein Lebenswerk. Erst mit Mitte 80 lässt er Asterix und seine Freunde ziehen, ein anderes Duo aus Zeichner und Texter übernimmt.

Eine gute Entscheidung, denn Uderzo war selbst schon ein Methusalix. Nun ist der Zeichner mit 92 Jahren verstorben. Sein großes Abenteuer ist zu Ende. Anders als am Schluss jedes Asterix-Heftes, bleibt diesmal aber die Feier aus. Asterix wird heute trauern – wie Millionen Comicfans auf der ganzen Welt.

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