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Kapitän Blackbeard und die "Queen Anne's Revenge": Schrecken der Seefahrt


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Berüchtigtes Piratenschiff
Das war Kapitän Blackbeards liebste Beute


10.11.2019Lesedauer: 5 Min.
Kapitän Blackbeard (r.) auf einem Stich aus dem 18. Jahrhundert: Der Pirat war im Atlantik gefürchtet, sein Schiff "Queen Anne's Revenge" (Filmszene aus "Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten") verhieß Unheil.Vergrößern des Bildes
Kapitän Blackbeard (r.) auf einem Stich aus dem 18. Jahrhundert: Der Pirat war im Atlantik gefürchtet, sein Schiff "Queen Anne's Revenge" (Filmszene aus "Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten") verhieß Unheil. (Quelle: Cinema Publishers Collection/imago-images-bilder)

Gold und Rum: Danach gelüstete es der Mannschaft des berüchtigten Piratenschiffs "Queen Anne's Revenge". Sein Kapitän Blackbeard suchte aber noch andere Schätze. Wie Funde aus dem Wrack beweisen.

Es war ein geschickter Schachzug, als der Pirat Blackbeard sein stolzes Flaggschiff, die "Queen Anne's Revenge", am 10. Juni 1718 im Beaufort Inlet vor der Küste des heutigen US-Bundesstaates North Carolina auf Grund laufen ließ. Seine Truppe war mittlerweile auf über 300 Piraten angewachsen – zu viele, fand Blackbeard, um mit ihnen die Beute seiner Raubzüge teilen zu müssen.

Edward Thatch, wie der Seeräuber mit bürgerlichem Namen hieß, setzte sich nach der Havarie mit dem Großteil seiner Reichtümer in einem kleineren Schiff ab – und überließ den Rest der Truppe auf dem Wrack der "Queen Anne's Revenge" ihrem Schicksal. Die Mannschaft konnte sich retten – doch für das Schiff mit der schweren Bewaffnung, dessen Anblick jahrelang die Handelsschiffe in der Karibik und vor der nordamerikanischen Atlantikküste in Angst und Schrecken versetzt hatte, war es zu spät. Der schwer beschädigte Piratensegler sank langsam auf den Boden des Beaufort Inlets.

Gute Zeiten für Piraten

Knapp 300 Jahre ruhte die "Queen Anne's Revenge" dort in achteinhalb Meter Tiefe rund 1,6 Kilometer von der Küste entfernt – bis am 21. November 1996 Taucher der Schatzsucherfirma Intersal Inc. das Wrack wiederentdeckten. Sie ist eines von weltweit nur fünf Schiffen, die eindeutig als Piratenschiffswracks identifiziert werden können und damit eine Schatztruhe an Informationen aus dem "Goldenen Zeitalter der Piraterie" zwischen den 1650er- und den 1730er-Jahren.

Mehr als 300.000 Artefakte bargen die Taucher bislang aus dem Wrack – darunter nicht nur 31 Kanonen, sondern auch medizinisches Gerät und sogar Buchfragmente aus der Privatbibliothek des gefürchteten Blackbeard.

Jedes Stück erzählt eine eigene Geschichte aus dem bewegten Leben des Piratenkapitäns, der berühmt dafür war, sich im Kampf brennende Lunten an den Hut zu klemmen, um seinen Gegnern Furcht einzujagen. Allein die Kanonen, zusammengeklaut von gekaperten Handelsschiffen, zeigen, auf wen und was Blackbeard es abgesehen hatte. Neben englischen ragten schwedische ebenso wie französische Kanonen aus der Bordwand der "Queen Anne's Revenge", eine bunte Reise quer durch die europäischen Handelsnationen des frühen 18. Jahrhunderts.

Transport von Sklaven

Eine einheitliche Geschützgröße gab es nicht. Was irgendwie halbwegs passte, wurde auf den gekaperten Schiffen ab- und auf dem Piratenschiff wieder anmontiert: Hauptsache, es konnte möglichst viel Schaden anrichten.

Schon die "Queen Anne's Revenge" selbst war ein internationales Recyclingprodukt. Ursprünglich gebaut in Frankreich oder Holland als Freibeuterschiff war sie zunächst einige Jahre vor der Küste Afrikas und in der Karibik auf Kaperfahrt unterwegs, bevor sie Ende 1712 ein französischer Kaufmann erwarb und zum Sklavenschiff umbauen ließ. Um möglichst viele Menschenleiber über den Atlantik transportieren zu können, mussten die schweren Kanonen Verschlägen und Ketten weichen.

Fünf Jahre lang fuhr das Schiff unter dem Namen "La Concorde" im Dreieck zwischen Frankreich, Afrika und der Karibik, den Bauch auf der Hinfahrt gefüllt mit Sklaven, auf der Rückfahrt mit Zucker und Rum. Auf der letzten Fahrt suchten Skorbut und die Ruhr die Mannschaft heim und dezimierten sie auf nur noch 23 Seeleute. So fanden sie rund 100 Seemeilen von Martinique entfernt die gemeinsam agierenden Piratenkapitäne Benjamin Hornigold und Blackbeard: leichte Beute für ihre 150 Mann starke Freibeutertruppe.

Schwimmende Arztpraxis

Blackbeard übernahm nicht nur das Schiff, sondern auch diejenigen Männer der Mannschaft, die er noch gebrauchen konnte – darunter einen Navigator, zwei Zimmerleute, den Koch, der sich mit der feinen französischen Küche auskannte, sowie den Meisterchirurg Jean Dubou (oder Dubois), den Zweiten Chirurg Marc Bourgneuf, den Dritten Chirurg Claude Deshayes und den Chirurgie-Assistenten Nicholas Gautrain.

Wozu brauchte ein Piratenkapitän solch geballte medizinische Kompetenz an Bord? Fundstücke vom Wrack erzählen die Krankengeschichten der Seeleute. Zwei große Messingschrauben kamen zum Einsatz, wenn Beine amputiert werden mussten. Mit einer knapp 14 Zentimeter langen Silbernadel nähten die Ärzte große Schnittwunden zu. Zwei Klistierspritzen aus Zinn mit einer sich verengenden Spitze zum Einführen und einem Pumpgriff am hinteren Ende dienten für Einläufe bei Durchfall oder Verstopfung.

Und Syphilis wurde mit einer Harnröhrenspritze behandelt – ein Arzt konnte damit die durch die Geschlechtskrankheit verursachten Steine und Verunreinigungen mit Quecksilber aus dem Harntrakt spülen. Viele der Instrumente kamen tatsächlich mit Dubou, Deshayes und Gautrain an Bord, denn sie tragen Stempel französischer Manufakturen aus dem späten 17. und frühen 18. Jahrhundert. Die mitgebrachte Ausrüstung seiner neuen Bordärzte reichte Blackbeard jedoch nicht aus, wie historische Aufzeichnungen berichten.

Der Piratenkapitän war ein großer Leser

Als der Piratenkapitän 1718 den Hafen der Stadt Charleston blockierte und eine Gruppe englischer Politiker gefangen nahm, verlangte er als Lösegeld lediglich eine Truhe, gefüllt mit medizinischem Bedarf. Er bekam, was er wollte, und ließ die Geiseln frei.

Und womit beschäftigte sich Blackbeard in seiner Freizeit? Darauf fanden die Konservatoren in einer der Kanonenmündungen eine überraschende Antwort. Die glitschige, schmierig-schwarze Masse, mit der die Piraten die Spalten um einen Holzpfropf abgedichtet hatten, entpuppte sich bei näherem Hinsehen als Buchseiten – oder vielmehr als 16 Fragmente eines Buches, das Größte davon etwa so groß wie eine Euromünze. Eine detektivische Suche brachte die Forscher schließlich auf das Werk, aus dem sie stammten: die Erstausgabe von Edward Cookes Bericht "Eine Reise zur Südsee und um die Welt", und zwar von den Seiten 177, 178 und 183 bis 188.

Eine der Geschichten, über die Cooke in dem Buch berichtet, ist die Rettung eines gewissen Alexander Selkirk, der vier Jahre lang auf einer unbewohnten Insel namens Más a Tierra überlebt hatte – und später zum Vorbild für die Romanfigur Robinson Crusoe wurde.

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Weitere Schätze harren der Entdeckung

Der Fund passt zu historischen Berichten, denen zufolge Schiffsbibliotheken beliebte Beute bei den Piraten waren. Als Blackbeard beispielsweise im Jahr 1717 ein Schiff namens "Margaret" kaperte, beschwerte sich deren Kapitän bitterlich über den Verlust seiner Bücher. Und als der 'Gentleman-Pirat' Stede Bonnet eine Zeit lang mit Blackbeard zusammenarbeitete, freute der Piratenkapitän sich nicht nur über seinen neuen Geschäftspartner, sondern auch über dessen umfangreiche Bibliothek.


Es bleibt spannend, was noch alles aus dem Bauch der "Queen Anne's Revenge" zu Tage kommen wird: Denn die Taucher haben längst nicht das gesamte Wrack geräumt und die Konservatoren längst nicht alle Fundstücke von den Verkrustungen befreit. Wer möchte, kann ihnen dabei über die Schulter schauen: Im Queen Anne's Revenge Conservation Lab in Greenville, North Carolina, präsentieren sie jeden ersten Dienstag im Monat Besuchern die neuesten Funde aus dem Wrack.

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