"Dänisches Modell" Europäern gehen Waffen für Ukraine aus – jetzt produzieren sie vor Ort
Weil die europäischen Partner immer mehr Waffen in die Ukraine liefern, kommen sie mit der Produktion nicht mehr nach. Dafür haben sie jetzt eine Lösung.
Waffenlieferungen im Wert von vielen Milliarden US-Dollar haben die westlichen Verbündeten der Ukraine bereits zugesagt. Meist werden die Waffen im Geberland produziert und die Ukraine wartet, bis diese ausgeliefert werden. Das Prozedere ändert sich nun: Denn einige Länder geben das Geld mittlerweile direkt in die Ukraine, damit die Waffen vor Ort produziert werden.
Laut des "Wall Street Journals" sollen ukrainische Waffenhersteller Aufträge, etwa für Langstreckenraketen und Drohnen, direkt von den europäischen Ländern erhalten. Dänemark verfolgt diesen Ansatz bereits seit Anfang des Jahres, weshalb das Vorgehen auch als "Dänisches Modell" bezeichnet wird. Mittlerweile haben auch Norwegen, Schweden und Litauen Geld bereitgestellt. Die Niederlande haben ebenfalls bereits Verträge mit ukrainischen Unternehmen abgeschlossen.
Schnellere und günstigere Produktion in der Ukraine
Die meisten der Länder haben laut Angaben von Beamten bereits einen Großteil der verfügbaren Waffen geliefert. Sie selbst verfügen über wenige große Rüstungsunternehmen oder können heimische Unternehmen nicht schnell genug zu der nötigen Produktion anregen. Auch Deutschland soll bereits Pläne in diese Richtung haben und nahm in der vergangenen Woche an einem Kooperationstreffen zwölf europäischer Länder teil.
Auch Großbritannien war bei dem Treffen dabei. Laut der französischen Zeitung "Le Monde" will das Vereinigte Königreich die Ukraine dabei unterstützen, eigene Waffen zu entwickeln. "Wir leisten natürlich unseren eigenen Beitrag", sagte Premierminister Keir Starmer. Dabei geht es offenbar insbesondere um Langstreckendrohnen.
"Wenn Sie die Kapazitäten in der Ukraine erhöhen, müssen wir selbst weniger Waffen abgeben und können unsere Kapazitäten wieder aufbauen", sagte der niederländische Admiral Rob Bauer, Vorsitzender des Nato-Komitees der militärischen Führer.
Befürworter dieses Ansatzes betonen dem "Wall Street Journal" zufolge, ukrainische Rüstungsunternehmen könnten viele Systeme schneller und kostengünstiger herstellen als westliche Unternehmen. Ukrainische Firmen könnten ihre Ausrüstung zudem gezielter an die sich ändernden Bedürfnisse an der Front anpassen.
Ukrainische Produktion nur zu 30 Prozent ausgelastet
"Die Ukraine war das Herz der sowjetischen Rüstungsindustrie und verfügt daher über viel Know-how bei der Herstellung komplexer Systeme", sagte Eric Ciaramella, Senior Fellow im Russland- und Eurasien-Programm der Carnegie-Stiftung, dem "Wall Street Journal". Zudem entwickelten heimische Hersteller bestimmte Technologien, etwa für Drohnen, schneller als ausländische Unternehmen, so Ciaramella.
Die ukrainische Rüstungsindustrie ist aktuell offenbar nur zu 30 Prozent ausgelastet, da die finanziellen Ressourcen der Ukraine begrenzt sind und die Regierung Exporte verboten hat.
Bei den Aufträgen schließen die Staaten die Verträge direkt mit den Unternehmen ab. Die Regierung in Kiew übermittelt den Verbündeten laut des Berichts zwar, mit welchen Firmen sie zusammenarbeiten sollen und welche Waffen die Ukraine braucht, die europäischen Partner überprüfen die Hersteller allerdings unabhängig. Bisher haben nach Angaben der Auftraggeber offenbar alle Unternehmen die Prüfung bestanden.
"Unabhängigkeit sichern und Entwicklung fördern"
Durch das Vorgehen soll die potenzielle Korruption bei Waffenkäufen eingeschränkt werden, die in der Vergangenheit bereits ein Problem in der Ukraine war. Die europäischen Regierungen überweisen das Geld zwar an die ukrainische Regierung, die es allerdings unmittelbar an die entsprechenden Firmen weiterleiten muss.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat das Modell bereits gelobt. "Es ermöglicht uns, andere Länder über Investitionen in die Waffenproduktion in der Ukraine zu vereinen", sagte er. Die Ukraine hat dank der Investition fast 20 Bohdana-Haubitzen pro Monat produzieren können. Im vergangenen Jahr waren es noch sechs.
Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow ergänzte: "Das bedeutet, dass wir unsere verteidigungspolitische Unabhängigkeit sichern und unsere wirtschaftliche Entwicklung fördern. Wir haben unsere eigenen Einrichtungen, und wir erhalten Zugang zu Technologien."
Finanzieller Rahmen noch überschaubar
Der dänische Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen zeigte sich ebenfalls überzeugt von dem Modell: "Dies ist ein Beispiel dafür, wie man schnellere Lieferungen sicherstellen und gleichzeitig die eigene Waffenproduktion der Ukrainer stärken und sie letztendlich weniger abhängig von Spenden machen kann."
Der finanzielle Rahmen ist allerdings bisher noch überschaubar. Dänemark hat aus eigenen Mitteln mehr als 180 Millionen Dollar zu dem Gesamtbetrag beigetragen, Norwegen mehr als 42 Millionen Dollar und Schweden, das in der vergangenen Woche die Finanzierung von Langstreckendrohnen und -raketen ankündigte, mehr als 20 Millionen Dollar. Dazu kommen 400 Millionen Dollar aus konfiszierten Zinsen auf in Europa eingefrorene russische Finanzanlagen, berichten dänische und EU-Vertreter.
Allerdings sollen die Investitionen in Zukunft steigen, schließlich versprechen sich einige Länder auch eigene Vorteile durch die ukrainische Produktion. Litauen erwägt beispielsweise auch, in der Ukraine hergestellte Kampfdrohnen für seine eigenen Streitkräfte zu kaufen.
- wsj.com: "Europe Can’t Make Ukraine Enough Weapons—So It’s Paying Kyiv to Do It" (englisch)
- mod.gov.ua: "Dmytro Klimenkov: By adopting the ‘Danish model,’ Ukraine has gained a budget-friendly and efficient way to create modern weapons" (englisch)
- en.defence-ua.com: "More Countries Join the Danish Model: Lithuania and Sweden Will Finance Production of Ukraine's Palianytsia Drones" (englisch)
- ukrainianworldcongress.org: "Ukraine and North European countries establish new defense cooperation format" (englisch)
- lemonde.fr: "Discussions over sending European troops to Ukraine reignited" (englisch)