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"Caren Miosga": Selenskyj spricht offen über Verhältnis zu Olaf Scholz


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"Völlig unterschiedlich"
Selenskyj spricht offen über Verhältnis zu Olaf Scholz


Aktualisiert am 29.01.2024Lesedauer: 4 Min.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) geht hinter Wolodymyr Selenskyj zu einem bilateralen Treffens nach der Sitzung des UN Sicherheitsrat in New York (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Kanzler Olaf Scholz (SPD) geht hinter Wolodymyr Selenskyj zu einem bilateralen Treffen nach der Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York (Archivbild). (Quelle: Michael Kappeler)
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Bei "Caren Miosga" erklärte Wolodymyr Selenskyj, warum er von der deutschen Politik enttäuscht ist. Und wie seine persönliche Beziehung zu Olaf Scholz aussieht.

Caren Miosga nutzte am Sonntagabend die zweite Ausgabe ihrer ARD-Talkshow, um die Aufmerksamkeit auf den aktuellen Stand im Ukraine-Krieg zu lenken. Unterstützt wurde sie dabei von keinem Geringeren als dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die Moderatorin war nach Kiew gereist und hatte am Freitag in der ukrainischen Hauptstadt ein Interview mit dem Staatsmann geführt, dessen Inhalt sie mit ihren Gästen einzuordnen versuchte.

Gäste

  • Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine
  • Lars Klingbeil, SPD-Vorsitzender
  • Sabine Fischer, Politikwissenschaftlerin
  • Vassili Golod, Leiter des ARD-Studios in Kiew

Selenskyj äußerte sich in dem Gespräch auch zur Frage der nach Deutschland geflohenen wehrpflichtigen Ukrainer. Man wünsche sich im Sinne der Gerechtigkeit, dass diese in ihre Heimat zurückkehrten oder wenigstens dort Steuern zahlten. Gleichzeitig werde er als Anführer einer demokratischen Nation dem deutschen Bundeskanzler bestimmt nicht zurufen, dieser solle die betreffenden Personen schnell in die Ukraine zurückbringen. "Wenn wir sagen, dass wir die demokratischen Werte und die Freiheit verteidigen, dann müssen wir entsprechend handeln", erklärte der Präsident der Ukraine.

SPD-Chef versteht ukrainische Kriegsverweigerer

"Ich verstehe, dass es Menschen gibt, die sagen: 'Ich kann nicht kämpfen.' Und das muss man in einer Demokratie auch akzeptieren", pflichtete SPD-Chef Lars Klingbeil bei. Er könne sich nicht vorstellen, dass man in Deutschland Gesetze erlasse, um wehrfähige Ukrainer zum Verlassen des Landes und zum Kampf zu bewegen.

Klingbeil übernahm in der Talkrunde die Aufgabe, das Zögern der Regierung bei der Lieferung spezieller Waffen an die Ukraine, aktuell der Taurus-Marschflugkörper, zu verteidigen. Dabei gehört der SPD-Vorsitzende dem Kabinett nicht an. Ganz unpassend war die Rolle dennoch nicht, sind es innerhalb der Ampelkoalition doch vor allem Teile der Sozialdemokratie, die bei diesem Thema auf die Bremse treten.

Die Bundesregierung habe in Sachen Taurus noch nicht entschieden, sagte Klingbeil. Er finde es aber problematisch, dass man in Deutschland bei einzelnen Waffensystemen immer so tue, als handele es sich um Gamechanger. Diese Erwartung sei schon bei den Leopard-2-Panzern enttäuscht worden.

"Dass Deutschland der zweitgrößte Waffenlieferant ist, dass Deutschland wirklich fest an der Seite der Ukraine steht, das ist nicht hinterfragbar, aber ich akzeptiere, wenn die Bundesregierung bei einzelnen Waffensystemen sagt: 'Hier muss geprüft werden, hier braucht man Zeit, hier gibt es noch keine Entscheidung'", resümierte Klingbeil.

Keine Bestätigung für Ringtausch-Angebot

Die Möglichkeit eines sogenannten Ringtauschs über Großbritannien, das Taurus-Marschflugkörper erhalten und wiederum das eigene System Storm Shadow an die Ukraine liefern könnte, kommentierte der Sozialdemokrat mit den Worten: "Mir konnte niemand bestätigen, dass es dieses Angebot der Briten tatsächlich gibt."

"Es kann kein Gamechanger sein, weil das kein Game ist", wandte Vassili Golod gegen Klingbeils Ausführungen ein. Auch gehe es bei der Unterstützung der Ukraine nicht darum, wer Zweiter oder Dritter sei. "Die Taurus-Marschflugkörper würden helfen, die russische Logistik zu zerstören", erläuterte der ARD-Korrespondent, in diesem Sinne seien sie "aus ukrainischer Sicht sehr, sehr hilfreich".

Der Journalist berichtete von Müdigkeit, Erschöpfung und einem großen Bedürfnis nach Gerechtigkeit an der ukrainischen Front. Trotz allem gebe es genügend Männer, die zum Kampf bereit seien. "Die große Mehrheit der Ukrainerinnen und Ukrainer sagt: Wir sehen zum jetzigen Zeitpunkt keine Alternative, als uns gegen diese Aggression zu verteidigen", so der in Charkiw geborene Sohn einer Russin und eines Ukrainers.

Russland-Expertin sieht Zeichen von Kriegsmüdigkeit

Zeichen der Erschöpfung erkannte die Osteuropa-Expertin Sabine Fischer auch auf russischer Seite, selbst wenn es aktuell "noch keine massiven Rekrutierungsprobleme" gebe. Der stärkste Ausdruck von Kriegsmüdigkeit sei der Erfolg des quasi unabhängigen Präsidentschaftskandidaten Boris Nadeschdin und seiner Unterschriftensammlung für die Kandidatur zur bevorstehenden Wahl.

Wenngleich rhetorisch vorsichtig, kritisiere Nadeschdin Putins sogenannte "Spezialoperation" in der Ukraine. Im ganzen Land hätten Menschen in den vergangenen zwei, drei Wochen angefangen, zu den entsprechenden Sammelpunkten zu gehen und ihre Unterstützung zu erklären, was durchaus riskant sei, berichtete die Politologin.

Aber spielt das überhaupt eine Rolle, wenn nach den US-Wahlen im November wieder Donald Trump ins Weiße Haus einzieht und seinen Plan eines 24-Stunden-Deals mit Wladimir Putin umzusetzen versucht?

"Es ist unwahrscheinlich, dass die Politik der Vereinigten Staaten von einer einzigen Person abhängt. Das glaube ich nicht – oder zumindest möchte ich nicht daran glauben", äußerte Selenskyj diplomatisch. Für den Fall, dass die USA als Unterstützer ausfielen, wünsche er sich eine stärkere deutsche Führungsrolle, sagte der ukrainische Präsident auf Nachfrage Miosgas. Deutschland könne es aufgrund seiner Wirtschaftskraft schaffen, die EU zu konsolidieren und Einfluss auf andere Staaten zu nehmen.

Selenskyj enttäuscht von alter deutscher Politik

Dass die deutsche Politik diesbezüglich in der Vergangenheit versagt habe, gab Selenskyj unmissverständlich zu verstehen. Er sei enttäuscht darüber, "dass Deutschland bei der ersten Besetzung der Ukraine nicht die Rolle gespielt hat, die es hätte spielen müssen", sagte der Ukrainer mit Blick auf die Krim-Annexion 2014. Inzwischen habe man aber begriffen, "dass Russland näher an Deutschland heranrückt, wenn wir nicht durchhalten", so Selenskyj.

Sein Verhältnis zu Bundeskanzler Scholz beschrieb Selenskyj hingegen trotz aller persönlichen Unterschiede als ungetrübt. "Wir sind völlig unterschiedlich, das heißt aber nicht, dass wir unterschiedliche Auffassungen von dem haben, was vor sich geht. Und das bedeutet nicht, dass wir unterschiedliche Werte haben", sagte er zu den kulturellen und altersbedingten Differenzen.

Als "engen Freund" wollte der ukrainische Präsident den Kanzler wiederum nicht bezeichnen. "Ich würde gerne. Ich habe wahrscheinlich noch nicht genug Zeit gehabt. Ich möchte, dass er ein enger Freund der Ukraine ist. Ich denke, das geht schneller", lautete Selenskyjs Kommentar zum persönlichen Verhältnis der beiden Männer.

Verwendete Quellen
  • ARD: "Caren Miosga" vom 28. Januar 2024
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