"Dann wäre der Krieg vorbei" US-Militärberater stellt radikale Forderung auf
Auf US-Stützpunkten in Deutschland sollen Tausende Kurzstreckenraketen mit Streumunition lagern. Könnten sie der Ukraine zum Durchbruch verhelfen?
Erst kürzlich hat sich die US-Regierung durchgerungen, der Ukraine Streumunition für Artilleriegeschütze zu liefern. Diese Granaten explodieren über dem Boden und setzen 88 kleine Sprengsätze frei, die in der Umgebung detonieren – selbst in einem Schützengraben kann man sich davor nicht schützen. Streumunition kann militärisch sinnvoll sein, ist aber moralisch umstritten und von vielen Staaten, auch Deutschland, geächtet. Doch jetzt fordert ein US-Militärberater die Lieferung von noch verheerender Munition an die Ukraine.
Es handelt sich um Kurzstreckenraketen mit Streumunition vom Typ M26, die mit einem Himars-Raketenwerfer verschossen werden. Diese Fahrzeuge sind in der Ukraine schon seit vergangenem Jahr im Einsatz, aber ohne Streumunition. M26-Raketen haben eine Reichweite von etwa 45 Kilometern und setzen über dem jeweiligen Ziel 644 Sprengsätze ab – also deutlich mehr als die schon gelieferten Granaten, die nur 25 Kilometer weiter fliegen. Eine einzelne M26-Rakete tötet Soldaten und zerstört leicht gepanzerte Fahrzeuge auf einer Fläche von 200 Mal 100 Meter. "2.000 dieser Streuraketen und der Krieg wäre vorbei, so einfach ist das", sagte der frühere US-Offizier Dan Rice jetzt dem Magazin "Newsweek".
"Die Sprengsätze sind die gleichen"
Rice war bis März Berater des ukrainischen Armeechefs Walerij Saluschnyj und setzte sich bei der US-Regierung für Waffenlieferungen an die Ukraine ein. Jetzt leitet Rice die Amerikanische Universität in Kiew. "Newsweek" zufolge hat sich der Irak-Veteran auch für die Lieferung der Streugranaten eingesetzt, die den ukrainischen Truppen seit Juli zur Verfügung stehen. "Bald ist genug von dieser Munition für alle ukrainischen Geschütze da, das wird die russischen Linien empfindlich treffen", so Rice. Seit dem Einsatz der Streumunition sei die Zahl zerstörter russischer Geschütze deutlich gestiegen. Die größte Wirkung entfalte sie aber gegen russische Schützengräben.
"Mit einer einzelnen Artilleriegranate kann man Soldaten in einem Zick-Zack-Graben kaum treffen", so Rice. "Aber wenn über dem Graben 88 Sprengsätze detonieren, ist die Chance 88-mal höher." M26-Streuraketen könnten noch viel effektiver sein und der ukrainischen Offensive zum Durchbruch verhelfen, glaubt der Militärexperte. "Die russischen Truppen an der Front und in zweiter Reihe würden einfach vernichtet. Wir haben Zehntausende dieser Raketen in Deutschland gelagert, aber sie sollen zerstört werden. Stattdessen sollten wir sie der Ukraine liefern, damit sie den Krieg gewinnt."
Die US-Regierung hatte die Lieferung von Streumunition lange hinausgezögert, aus Sorge vor der Reaktion Russland und dem schlechten Ruf solcher Waffen. Zur Frage nach den M26-Streuraketen hat sich Washington bislang nicht geäußert. Dan Rice findet die Zurückhaltung verlogen. "Ob Granate oder Rakete, die Sprengsätze sind die gleichen", argumentiert er. "Außerdem wird jeder Einsatz dokumentiert, sodass sich Blindgänger später räumen lassen. Die Russen legen ihre Minen einfach irgendwo aus und hinterlassen überall Sprengstoff. Sie zerstören das Land, wenn sie es nicht erobern können."
- newsweek.com: Ukraine Seeks 'Gamechanger' HIMARS Upgrade To 'Win the War' (englisch)
- nv.ua: Zaluzhnyi’s former adviser on why Ukrainian counteroffensive will shock the world – interview (englisch)