Kritik an Putin Russlands Blogger plötzlich seltsam still – neue Vermutung
Einige russische Militärblogger äußerten sich kremlkritisch. Sie sind für den Krieg, aber gegen Russlands Militärspitze. Nun könnten sie mundtot gemacht worden sein.
Der Kreml hat russische Kriegsblogger offenbar angewiesen, ihre Kriegsberichterstattung über bestimmte Themen einzustellen. Zu diesem Schluss kommt die US-Denkfabrik Institute For The Study Of War (ISW) in ihrem neuesten Lagebericht. Demnach sei es in den einschlägigen Netzwerken der Militärblogger im Nachgang des ukrainischen Angriffs auf die Chonhar-Brücke auffallend still geblieben. Lediglich ein lokaler Nachrichtenkanal verbreitete über Telegram die Meldung, dass sich einige russische Touristen darüber beschwert hätten, dass die Brücke von der Krim Richtung Festland gesperrt sei.
Nach Angaben russischer Offizieller hatte die Ukraine die Verbindung zwischen der besetzten Halbinsel Krim und der Stadt Cherson am Samstag mit zwölf britischen Storm Shadow-Marschflugkörpern angegriffen. Zwei davon sollen eingeschlagen sein und die Brücke stark beschädigt haben. Verletzte soll es nicht gegeben haben. Die Dauer der Bauarbeiten zur Behebung der beschädigten Trasse schätzten russische Offizielle auf mehrere Wochen.
"Allmählich kehrt der Krieg auf das Territorium Russlands zurück – in seine symbolischen Zentren und Militärstützpunkte", hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag bei einem Besuch in der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk angesichts der vermehrten Attacken auf russische Ziele gesagt. Dies sei ein "unvermeidlicher, natürlicher und absolut fairer Prozess". Ebenfalls am Wochenende hatten die Truppen Kiews mehrere Drohnenangriffe auf die russische Hauptstadt Moskau unternommen. "Die Ukraine wird stärker", sagte Selenskyj.
Warnsignal an andere kremlkritische Blogger
Doch das Rauschen in den sozialen Netzwerken, das normalerweise auf solche Attacken folgt, blieb laut ISW aus. Dies sei ungewöhnlich und lege die Vermutung nahe, dass Russlands Machthaber Wladimir Putin einen "bemerkenswerten Einfluss" auf die Blogger genommen haben könnte.
Ganz anders fielen die Reaktionen noch Ende Juni aus. Damals hatte die Ukraine die Chonhar-Brücke schon einmal erfolgreich attackiert. Sofort brach unter den russischen Militäranalysten ein Sturm der Entrüstung los. Nicht so am Wochenende.
Zwar sind die russischen Militärblogger in der Regel glühende Befürworter des völkerrechtswidrigen Krieges in der Ukraine, allerdings kritisieren einige von ihnen das Vorgehen des Militärs und auch von Präsident Putin zum Teil scharf. Einige von ihnen haben Hunderttausende Follower, ihr Einfluss auf die russische Öffentlichkeit ist nicht zu unterschätzen.
Erst vor Kurzem hatte der Kreml ein Exempel statuiert, indem er den extrem kremlkritischen Blogger Igor Girkin durch den Geheimdienst FSB festnehmen ließ. Das werteten Beobachter als ein Warnsignal an andere Blogger, die ihre Kritik an der russischen Militärführung und am russischen Machthaber Putin mitunter deutlich formulieren.
- understandingwar.org: "Russian Offensive Campaign Assessment, July 30, 2023" (englisch)
- guardian.co.uk: "Russia arrests pro-war Putin critic Igor Girkin, according to reports" (englisch)
- bbc.com: "Ukraine strikes Chonhar bridge to Crimea, says Russia" (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa.