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Prigoschins Rolle: Putin soll enge Kontakte zur Mafia gepflegt haben


Möglicher Angriff auf Nato-Staat
"Putin wird sagen: 'Damit habe ich nichts zu tun'"

Von t-online, cc

Aktualisiert am 28.07.2023Lesedauer: 4 Min.
Söldner der Gruppe Wagner bei ihrer versuchten Meuterei Ende Juni 2023 in Rostow am Don, Russland.Vergrößern des Bildes
Söldner der Gruppe Wagner bei ihrer versuchten Meuterei Ende Juni 2023 in Rostow am Don, Russland. (Quelle: REUTERS/Alexander Ermochenko/File Photo)

Ein russischer Oppositioneller hält einen Angriff der Wagner-Söldner auf einen Nato-Staat nicht für ausgeschlossen. Das würde Wladimir Putin in die Karten spielen.

Ilja Ponomarew kennt das Regime des russischen Machthabers Wladimir Putin gut. Der Unternehmer und Oppositionspolitiker saß viele Jahre in der russischen Duma. Dort versuchte er, den zunehmend autokratischen Tendenzen des Kremlherrschers und seiner Partei Einiges Russland etwas entgegenzusetzen.

So war Ponomarew im März 2014 der einzige unter den 450 Abgeordneten des russischen Parlaments, der gegen die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch russische Truppen stimmte. Inzwischen lebt der 47-Jährige im Exil in Kiew, ein mit ihm befreundeter Oppositioneller wurde bereits ermordet und auch Ponomarew selbst muss um sein Leben fürchten – sowohl Putin als auch seine Geheimdienste haben einen langen Arm.

Das hält den studierten Physiker, der in Russland als Wunderkind galt und schon mit 14 Jahren am Institut für Nuklearsicherheit in Moskau arbeitete, nicht davon ab, lautstark seine Meinung zu sagen. So erst jüngst geschehen beim amerikanischen Nachrichtensender CNN, wo Ponomarew im Gespräch mit Moderatorin Erin Burnett erklärte, was es seiner Meinung nach mit dem Aufstand des Anführers der Wagner-Gruppe, Jewgenij Prigoschin, auf sich hatte.

"Ich denke schon, dass das ein echter Coup gewesen ist. Nur eben kein Putsch gegen Putin, sondern gegen das russische Militär. Ich bin sicher, dass Putin davon wusste, nicht umsonst ist sein Verhältnis zu Prigoschin immer noch blendend. Schließlich zählt er zu den engsten Vertrauten Putins."

Putin soll enge Kontakte zur Mafia gepflegt haben

Dass Prigoschin für seinen öffentlichen Akt der Rebellion wohl wenig befürchten muss, belegte bereits ein Treffen zwischen Putin, Prigoschin und führenden Köpfen der Wagner-Gruppe Ende Juni, nur fünf Tage nach der Meuterei. Der Kreml bestätigte das Treffen im Nachhinein. Beobachter fragen sich seitdem: Wie ist es möglich, dass Menschen im Gefängnis landen, wenn sie einen Zettel mit der Aufschrift "Stoppt den Krieg" hochhalten, während jemand wie Prigoschin ungeschoren davon kommt – trotz eines Aufrufs zur Rebellion gegen die oberste Militärführung, in dessen Folge mehrere russische Soldaten gestorben sind.

Für Ponomarew ist die Antwort einfach. Demnach schütze Prigoschins lange Freundschaft mit Putin den millionenschweren Oligarchen. Dieses enge Vertrauensverhältnis besteht wohl schon seit den 90er-Jahren. Damals sollen Prigoschin und Putin gemeinsam in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen sein: Wie zahlreiche Recherchen in den vergangenen Jahren nahelegen, soll Putin als stellvertretender Bürgermeister von St. Petersburg enge Kontakte zur örtlichen Mafia gepflegt haben; Prigoschin habe dabei entscheidende Ressourcen zur Verfügung gestellt.

Video | Video soll neue Wagner-Ausbildung zeigen
Quelle: Glomex

"Er sorgte dafür, dass die Gang um Putin einen sicheren Ort hatte, wo man sich versammeln konnte. Und diese Funktion gehört zu den sensibelsten innerhalb einer kriminellen Vereinigung", so Ponomarew. "Ein Gebäude zur Verfügung zu stellen, das absolut sicher ist." Die auffälligen Verbindungen zwischen der St. Petersburger Stadtverwaltung, in der Putin die Fäden zog, und verschiedenen Elementen der organisierten Kriminalität, unter anderem der Tambovskaya Bratva-Gang, sind von verschiedenen Medien dokumentiert worden.

Prigoschin wohl auch weiterhin Putins nützlicher Handlanger

Zur aktuellen Rolle Prigoschins sagte Ponomarew bei "CNN", dass er den Wagner-Boss nach wie vor für gefährlich halte – nicht für Putin, sondern für den Westen. "Es sorgt mich ein bisschen, dass er in Belarus ist. Nicht so sehr wegen der Ukraine, sondern wegen der Tatsache, dass er sich gegen die Nato wenden könnte." Laut des russisch-ukrainischen Oppositionellen könnten Putins Vertrauter und seine Wagner-Söldner zum Beispiel auf die Eisenbahnlinie abgesehen haben, die Russland mit der Exklave Kaliningrad verbindet.

Wegen der Präsenz russischer Wagner-Söldner in Belarus nahe der polnischen Grenze will Polen mehr Truppen nach Osten verlegen. Dies teilte die Regierung am Freitag in Warschau mit. Zahlen, wie viele Soldaten den Standort wechseln sollen, nannte ein Regierungsvertreter nach einem Bericht der Nachrichtenagentur PAP nicht.

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Ein Teil der paramilitärischen Söldnergruppe war nach dem Aufstand gegen die russische Militärführung Ende Juni nach Belarus umgruppiert worden. Dort sollen die Wagner-Kämpfer unter anderem belarussische Streitkräfte ausbilden. Ponomarew hält es jedoch für möglich, dass sie auch militante Aktionen auf Nato-Gebiet starten könnten. So grenzen die Nato-Staaten Polen und Litauen sowohl an Belarus als auch an die russische Exklave Kaliningrad. Mit entsprechenden Angriffen, etwa auf die Bahnlinie, die Belarus und Kaliningrad verbindet, könnte Prigoschin die Nato in ein Dilemma stürzen.

"Dort etwas zu provozieren, wäre äußerst praktisch, denn in dem Fall würde Prigoschin nicht wie ein staatlicher Akteur wirken. Und Putin könnte sagen, dass er nichts damit zu tun hat", so Ponomarew bei "CNN". In dem Fall müsste die Nato sehr genau überlegen, ob und wie sie auf eine solche Provokation reagiert. Während der Kreml zuschauen und seine Hände in Unschuld waschen könnte.

Ponomarew ist überzeugt, dass Prigoschin also auch weiterhin in der Rolle des nützlichen Handlangers für den russischen Machthaber fungiert. Ob er nun das russische Militär provoziert oder demnächst vielleicht auch die Nato.

Verwendete Quellen
  • medium.com: "Putin in St. Petersburg: Official Corruption and an Enduring Alliance with Organized Crime" (englisch)
  • theins.ru: ""If I destroy the prosecutor, I'll do good for my country". How Ilya Traber and his sidekicks from the Tambov Gang launder their past" (englisch)
  • spisok-putina.org: "Putins List. Barsukov (Kumarin) Vladimir" (englisch)
  • cnn.com: "Hear what worries ex-Russian lawmaker most about Putin's relationship with Prigozhin" (englisch)
  • nytimes.com: "As Putin’s Trusted Partner, Prigozhin Was Always Willing to Do the Dirty Work" (englisch)
  • economist.com: "Abominable showman: the rise of Wagner’s Yevgeny Prigozhin" (englisch)
  • euronews.com: "Ukraine war: Meet the Russian exile 'trying' to overthrow Vladimir Putin" (englisch)
  • newsweek.com: "Prigozhin Still One of Putin's 'Most Trusted' Men: Former Russian Lawmaker" (englisch)
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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