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England: Spielerstreik? Absagen für Länderspiele der Nations League


Bizarre Absagenflut
Das könnte der Anfang eines Spielerstreiks sein

Von t-online, flv

Aktualisiert am 13.11.2024 - 07:18 UhrLesedauer: 4 Min.
Trent Alexander-Arnold (r.): Der Außenverteidiger zählt zu den acht Engländern, die dem Nationaltrainer abgesagt haben.Vergrößern des Bildes
Trent Alexander-Arnold (r.): Der Außenverteidiger zählt zu den acht Engländern, die dem Nationaltrainer Lee Carsley abgesagt haben. (Quelle: IMAGO/Mark Cosgrove/News Images)

Gleich acht Absagen muss Englands Nationaltrainer für die Nations-League-Spiele hinnehmen. Offiziell alle aus Verletzungsgründen. Doch ist das in Wahrheit schon ein getarnter Streik?

"Ich hasse Länderspielpausen", sagte Trainer Jürgen Klopp vor ziemlich genau drei Jahren, als er noch im Dienste des FC Liverpool stand.

Länderspielpause. Ohnehin ein trügerischer Begriff für Spitzenfußballer. Das genaue Gegenteil ist für sie der Fall. Sie reisen quer durch Europa, in einigen Fällen gar rund um die Welt, um für ihre Nationalmannschaften auf dem Platz zu stehen. Und im schlimmsten Fall verletzt oder angeschlagen zurückzukommen. Was dann die Vereine, die die Gehälter zahlen, ausbaden müssen. Genau das bemängelte Klopp seinerzeit.

Nun sind Länderspielpausen keine neue Erfindung des modernen Fußballs. Aber Klopp ist längst nicht der Einzige, der schon damals auf ein noch viel länger diskutiertes Problem im Spitzenfußball aufmerksam machen wollte. Die viel zu vollen Kalender der Spitzenprofis, die Klopp als "völligen Wahnsinn" bezeichnete.

Und so sind es plötzlich nicht mehr nur die Klubtrainer, bei denen sich die Einsätze für das Heimatland nicht mehr größter Beliebtheit erfreuen, sondern auch die Spieler selbst.

Englands Trainer kassiert acht Absagen

Fast schon bizarr ist jedenfalls die Absagenflut, die nun Englands Interims-Nationaltrainer Lee Carsley traf. Gleich acht nominierte Profis sagten ihm nach dem jüngsten Premier-League-Spieltag für die Nations-League-Partien gegen Griechenland und Irland ab: Trent Alexander-Arnold (FC Liverpool), Phil Foden, Jack Grealish (beide Manchester City), Cole Palmer, Levi Colwill (beide FC Chelsea), Aaron Ramsdale (FC Southampton), Declan Rice und Bukayo Saka (beide FC Arsenal). Alle aus Verletzungsgründen.

Dabei steht in Liga B das wichtige Duell bei Tabellenführer Griechenland um den direkten Aufstieg in Liga A an. Als aktuell Zweiter müssten die "Three Lions" in die Playoffs – und hätten dadurch noch eine Partie mehr zu absolvieren.

Auffällig: Mit Ausnahme von Alexander-Arnold und Grealish spielten die sechs übrigen der genannten Profis am Wochenende noch über die vollen 90 Minuten, mussten nicht verletzt ausgewechselt werden.

Ebenfalls auffällig: Bis auf Torwart Ramsdale sind die fehlenden Stars allesamt Profis von Spitzenklubs in England, deren Spielkalender die vollsten aller Top-Ligen in Europa sind.

Mbappé irritiert

Ähnliches wie Carsley erlebte auch Bundestrainer Julian Nagelsmann schon. Im Oktober sagten ihm insgesamt fünf Spieler ab. Kai Havertz, Robin Koch, Benjamin Henrichs, Jamal Musiala und David Raum fielen kurzfristig aus, wobei zumindest die drei Erstgenannten in den Ligaspielen direkt vor und direkt nach den Länderspielen auf dem Platz standen.

Irritationen löste im Oktober auch Frankreichs Kapitän Kylian Mbappé aus, der nach seiner Nominierung mitteilte, er könne aufgrund einer Verletzung nicht spielen, aber für Real Madrid nach seiner Absage noch einmal über 71 Minuten auf dem Platz stand. Diesmal verzichtete Trainer Didier Deschamps direkt auf ihn.

Das wirft die Frage auf, ob es tatsächlich immer Verletzungsgründe sind, die zu den Absagen führen. Oder ob sich einige Spieler auf diese Weise ihre Auszeiten nehmen, um die gestiegene Anzahl an Spielen überhaupt bewältigen zu können. Leidtragende sind die Nationalverbände. Bei den Klubs sind die Profis schließlich angestellt, kassieren dort ihr Gehalt, Einsatz- und Erfolgsprämien.

Diese auffällig vielen Absagen kommen jedenfalls wenige Wochen und Monate, nachdem Europameister und Ballon-d'Or-Gewinner Rodri von Manchester City Alarm schlug und, auf einen möglichen Spielerstreik angesprochen, sagte: "Ich denke, wir sind dicht davor."

Der Spanier erklärte weiter: "Ich denke, Sie können jeden Spieler fragen, er wird das Gleiche sagen. Wenn das so weitergeht, denke ich wirklich, dass es einen Moment geben wird, an dem wir keine andere Option haben." Sind die Länderspiel-Absagen seiner zahlreichen Premier-League-Kollegen also schon Vorboten oder bereits ein getarnter Teilstreik?

Tedesco: "Schlechtes Gewissen, Spieler einzuladen"

Belgiens italienisch-deutscher Nationaltrainer Domenico Tedesco gestand kürzlich: "Das Rad ist überdreht. Ich habe manchmal ein schlechtes Gewissen, Spieler zur Nationalmannschaft einzuladen. 70 Spiele sind schon etwas viel."

Angetrieben von Uefa und Fifa ging diese Entwicklung aus Sicht vieler Beteiligter zuletzt noch einmal rasant in die falsche Richtung. Nach der Reform finden jetzt in einer Champions-League-Saison 64 Spiele mehr statt als bisher. Die WM 2026 wird erstmals mit 48 statt 32 Nationen ausgetragen. Das bedeutet: 40 Spiele mehr.

Hinzu kommt: Auch in einem Nicht-WM- oder EM-Jahr wie 2025 haben die Top-Stars von nun an keine echte Sommerpause mehr. Die Fifa-Klub-WM "füllt" diese Pause. Sie wird im Juni und Juli mit 32 statt bisher sieben Teams ausgetragen und dauert so lange wie bisher eine "normale" Weltmeisterschaft – einen ganzen Monat. Zwölf europäische Top-Klubs nehmen teil, aus der Bundesliga sind es Bayern und Dortmund.

Durch die Aufblähung der Wettbewerbe mit immer mehr Teams gibt es nicht nur mehr Partien, sondern folglich auch immer mehr Profis, die von der Zusatzbelastung betroffen sind.

England bei der EM als abschreckendes Beispiel

Die unweigerliche Folge lautet: Die Masse geht zulasten der Klasse. Was das mit dem Niveau bei einem großen Turnier machen kann, hat man nicht zuletzt bei der EM im Sommer am Beispiel von England gesehen. Die Spitzenstars Kane, Bellingham, Saka, Foden & Co. wirkten vor allem in der Vorrunde völlig überspielt.

Das Team schleppte sich über Verlängerungen und Elfmeterschießen zwar ins Finale, doch Begeisterung lösten die Auftritte des Starensembles nirgendwo aus. Vielmehr überwog die Enttäuschung darüber, dass ein so talentiertes Team einen derart unattraktiven Fußball bot. Die Fans bekamen ihre Top-Stars zwar zu sehen, doch von Top-Form konnte bei vielen keine Rede sein.

Davor, dass solche Szenarien bei wichtigen Endrunden künftig zur Normalität werden, warnte auch Klopp kürzlich, als er beim internationalen Trainerkongress in Würzburg die Probleme benannte: "Wie kann sich der Fußball am besten weiterentwickeln? Die besten Spieler müssen genug Zeit haben zu regenerieren." Er bemängelte: "Fifa und Uefa arbeiten auch nicht zusammen. Jeder sucht für sich den besten Schnitt zu machen. Das ist ein riesengroßes Problem." Dabei gehe es "immer ums Geld". Und eben nicht um die Gesundheit der Spieler.

Solange dies so ist, scheint es nicht ausgeschlossen zu sein, dass solche Absagefluten bei Länderspielen – speziell bei den Top-Nationen – ab sofort die Regel statt die Ausnahme sind.

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