Nach Wagner-Aufstand Hier erzielt die Ukraine offenbar Fortschritte
Die Eskalation im Machtkampf zwischen Wagner und dem russischen Verteidigungsministerium wurde gerade noch abgewendet. Hatte der Aufstand Folgen für den Krieg in der Ukraine?
Als sich die Wagner-Söldner am Samstag auf Moskau zubewegten, standen zum ersten Mal seit Februar 2022 nicht die Kriegsgebiete in der Ukraine im Fokus. Der Kreml schickte Kampfhubschrauber, um gegen die Söldner vorzugehen. Soldaten, wie etwa am Grenzübergang Bugayevka, ergaben sich den Kämpfern. Konnte die Ukraine von der chaotischen Lage in Russland profitieren und ihre Gegenoffensive vorantreiben?
Die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Malyar erklärte zumindest am Samstag, dass die ukrainischen Streitkräfte Angriffe gestartet und nördlich und südwestlich von Bachmut Fortschritte gemacht hätten. Mehr zu den angekündigten Offensiven der Ukraine lesen Sie hier.
Ukrainer an mindestens zwei Stellen vorgerückt
Tatsächlich sind die Fortschritte der Ukraine nur schwer unabhängig zu überprüfen. Die US-Denkfabrik Insitute for the Study of War (ISW) untersucht täglich die Kampfgebiete in der Ukraine und veröffentlicht ihre Erkenntnisse. Demnach sollen ukrainische Streitkräfte an mindestens zwei Frontabschnitten Gegenoffensiven durchgeführt haben und in Richtung Robotyne vorgerückt sein.
Nach Informationen britischer Geheimdienste von Sonntag haben die ukrainischen Streitkräfte bereits in den vergangenen Tagen "schrittweise aber stetige taktische Fortschritte" gemacht. Die Einheiten hätten sich in den vergangenen Tagen neu formiert und größere Offensivoperationen auf drei Hauptachsen im Osten und Süden des Landes geführt. Dafür hätten sie Erfahrungen aus den ersten beiden Wochen der Gegenoffensive genutzt, und so ihre Taktik für die Angriffe auf die gut vorbereiteten russischen Verteidigungsanlagen verfeinert.
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Auch entlang der Saporischschja-Front führten die ukrainischen Streitkräfte offenbar weiterhin schwere Kämpfe. Brigadegeneral Oleksandr Tarnavskyi, der Kommandeur der ukrainischen Truppengruppe Tavrisk, berichtete zudem am 23. Juni über Erfolge und Fortschritte in einem nicht näher bezeichneten Gebiet in Richtung Tavrisk (Saporischschja).
Der russische Militärblogger Voenkor Z schrieb, dass verstärkte ukrainische Angriffe und verringertes russisches Artilleriefeuer in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni zu ukrainischen Vorstößen südlich von Orichiw in Saporischschja beigetragen hätten.
Das russische Verteidigungsministerium berichtete über erfolglose Offensivoperationen in Richtung Süd-Donezk und Lyman der ukrainischen Streitkräfte. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben nicht.
Offensiven im Gebiet Bachmut
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Russische Militärblogger bestreiten Einfluss auf Front
Vor allem innerhalb Russlands wurden vermehrt Bedenken geäußert, dass der Aufstand die Fähigkeit der russischen Streitkräfte beeinträchtigen könnte, sich gegen ukrainische Gegenoffensiven zu verteidigen. Dem widersprachen jedoch viele Militärblogger und behaupteten, die russischen Streitkräfte würden weiterhin ukrainische Angriffe abwehren.
Ein prominenter Militärblogger lobte so insbesondere die Streitkräfte im "Südlichen Militärdistrikt" (SMD), da sie trotz des "Durcheinanders" mit dem SMD-Hauptquartier in Rostow am Don die notwendige Arbeit an der Front fortsetzten. Dabei bezog er sich auf den Einmarsch der Wagner-Truppen, die am Samstag militärische Anlagen in Rostow am Don besetzt hatten.
Insgesamt betonten russische Quellen schnell, dass Wagners bewaffneter Aufstand keine Auswirkungen auf die russischen Streitkräfte in der Ukraine gehabt habe. Auch Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hatte zuvor versichert, dass in der Ukraine operierende russische Luftfahrteinheiten gemäß ihren Zeitplänen fliegen würden und Wagners Aufstand die russischen Operationen nicht stören würde. Vermutlich wollte er so verhindern, als Saboteur der russischen Kriegsanstrengungen in Verruf zu geraten.
Laut dem britischen Verteidigungsministerium haben russische Kräfte "erhebliche Anstrengungen" für einen Angriff nahe der Stadt Kreminna im ostukrainischen Gebiet Luhansk unternommen. "Dies spiegelt wahrscheinlich die andauernden Anweisungen der russischen Führung wider, wann immer möglich in die Offensive zu gehen", kommentierte das britische Ministerium. "Russland hat einige kleine Fortschritte gemacht, aber die ukrainischen Streitkräfte haben einen Durchbruch verhindert."
Heftige russische Angriffe trotz Wagner-Aufstand
Zugleich meldete der ukrainische Generalstab die größte russische Raketenangriffsserie gegen die Ukraine in den vergangenen Monaten. Nach ukrainischen Berichten wurden bei den Angriffen am Samstag unter anderem Wohngebiete in Kiew sowie in der Stadt Dnipro und Krywyj Rih im Oblast Dnipropetrowsk getroffen. Laut russischem Verteidigungsministerium griffen russische Streitkräfte zudem elektronische Geheimdienstzentren, Luftfahrtausrüstung auf einem Flugplatz im Oblast Kirowohrad sowie Treibstofflager in der Stadt Dnipro an.
Welche langfristigen Folgen sich aus dem Aufstand der Wagner-Söldner ergeben, ist bislang unklar. Vadym Skibitsky, Vertreter des Hauptnachrichtendienstes der Ukraine (GUR), erklärte am Samstag, dass die ukrainischen Streitkräfte in den nächsten zwei bis drei Monaten ihre aktiven Offensiv- und Defensivoperationen fortsetzen würden.
- understandingwar.org: "Russian offensive campaign assessment, June 24, 2023" (Englisch)
- Nachrichtenagentur dpa