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Ukraine-Krieg | Nachschub für den Fleischwolf: Neue Phase im Konflikt


Meinung
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Neue Phase im Krieg gegen die Ukraine
Nachschub für den Fleischwolf

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 23.05.2023Lesedauer: 4 Min.
Kämpfe in Bachmut: Ist die Stadt bereits gefallen – oder nicht?Vergrößern des Bildes
Kämpfe in Bachmut: Ist die Stadt bereits gefallen – oder nicht? (Quelle: LIBKOS)
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Was passiert in Bachmut? Wann beginnt die Frühjahrsoffensive und was ist von ihr zu erwarten? Militärexperten neigen zu starken Vermutungen – aber man weiß nicht, was man glauben soll.

Bachmut ist gefallen. Bachmut ist nicht gefallen. Vielleicht fällt die Stadt, die nur noch eine einzige Ruine ist, in den nächsten Tagen, aber wer weiß das schon.

Den Krieg politisch und/oder historisch einzuordnen, ist einigermaßen seriös möglich. Militärisch ernsthafte Prognosen zu fällen, ist dagegen verdammt schwierig. Bachmut ist erst zum Begriff geworden, seit dort massenweise gestorben wird. "Fleischwolf", sagen die Experten dazu – ein grauenhafter Ausdruck, der aber leider der Wahrheit ziemlich nahekommt. Bachmut, sagt man uns aber auch, sei strategisch von keinem besonderen Interesse. Warum also wird dort dermaßen erbittert gekämpft, als ginge es um viel mehr als nur um diese in Trümmer gelegte Stadt, in der im Frieden Salz gewonnen wird und vor Kurzem noch 74.000 Menschen lebten und jetzt nur noch 5.000?

Weil Russland unbedingt einen Erfolg braucht, egal was es an Menschenleben kostet. Weil Menschenleben dem Kriegsherrn im Kreml ohnehin gleichgültig sind. Weil damit der Weg nach Kramatorsk frei würde, die 160.000-Einwohner-Stadt, die allerdings gut gesichert sein soll. Was soll man da glauben?

Kriege kennen keine Moral

Kriege sind Fleischwölfe. Kriege fressen ihre Kinder. Kriege kennen keine Moral. Kriege unterscheiden nicht Wahrheit von Propaganda. Man muss nur nach Syrien schauen, wo Russland an der Seite Baschar al-Assads steht, der seit vielen Jahren einen Krieg gegen seine eigenen Bürger führt. Ohne Russland und Iran wäre Assad längst irgendwo im Exil, so aber nahm ihn die Bruderschaft der arabischen Länder am Golf gerade wieder huldvoll in ihren Kreis auf. Seit 12 Jahren währt dieser Krieg, an dem noch die Türkei, Saudi-Arabien, Katar, die libanesische Hisbollah beteiligt sind und Israels Luftwaffe periodisch Angriffe fliegt.

Im März 2011 begann dieser Krieg. Jetzt neigt er sich dem Ende zu, weil sich die Interessen zweier Staaten verändert haben. Iran und Saudi-Arabien stellen ihre Feindschaft erst einmal ein. Und so könnte nebenbei auch der Krieg im Jemen ausklingen, woran neuerdings Saudi-Arabien gelegen ist.

Kenntnis schwach, Stimme heben

Verglichen mit dem Nahen Osten ist der Krieg in der Ukraine überschaubar. Hier Russland, versorgt mit iranischen Drohnen und mit Belarus als zweitem Frontstaat. Dort die Ukraine, aufgerüstet vom Westen. Daraus folgt keineswegs, dass der Krieg nicht lange andauern wird. Russland sieht auf absehbare Zeit keinerlei Notwendigkeit, über ein Ende auch nur eine Sekunde lang nachzudenken. Wladimir Putin hat Geduld und kann noch viele neue Rekruten in den Fleischwolf schicken, in welcher Stadt auch immer der Fleischwolf stehen mag. Die Ukraine kämpft mit enormem Beharrungsvermögen um ihre Existenz als Staat. So schnell wird sich an dieser Grundkonstellation nichts ändern.

Wie viele Menschen in diesem Krieg schon gestorben sind, wie viele Kriegsversehrte es gibt, weiß niemand genau. Vielleicht haben die Geheimdienste in Amerika und England dank ihrer Satelliten so exakte Einblicke, wie sie nur haben können. Ansonsten sind Radio, Fernsehen und Zeitungen überall im Westen voller Mutmaßungen, ausgesprochen von militärischen Experten, von denen man den Eindruck gewinnt, dass gelegentlich die Meinung umgekehrt proportional zum verfügbaren Wissen ist. Journalisten sagen dazu: Kenntnis schwach, Stimme heben.

Video | Hier könnte die Ukraine gegen Russland zurückschlagen
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Quelle: t-online

Frühjahrsoffensive muss wohl ohne F-16-Jets auskommen

Von der bevorstehenden Offensive sagen die einen: Davon hängt vieles ab, womöglich das Ende des Krieges. Die anderen sagen: Die Offensive kann ja gar nicht die gesamte Front von 1.000 Kilometern Länge betreffen. Deshalb sind vielleicht Durchbrüche hier und da möglich, welche die Moral stärken, die aber nicht kriegsentscheidend sein werden. Beiderlei Prognosen sind schiere Glaubenssache. Ich schlage mich notorisch auf die Seite der Skeptiker.

Präsident Selenskyj war auf Beutezug nach neuen Waffen in Berlin, Paris, London, Hiroshima. "Kampfjet-Allianz" taufte er seinen Wunsch nach F-16-Jets aus amerikanischen Rüstungsfabriken. Die US-Luftwaffe wird nun ukrainische Piloten ausbilden, während europäische Verbündete, vorneweg Großbritannien und die Niederlande, ein Bündnis planen, um die Ukraine mit den Kampfflugzeugen zu beliefern. So schnell kommen die Jets allerdings nicht zum Einsatz. Die Frühjahrsoffensive muss wohl noch ohne sie auskommen.

Militärexperten sagen uns, dass die Gegenoffensive der Ukraine aus westlicher Sicht die lang ersehnte Entscheidung bringen muss. Warum? Weil der Angriff der letzte große Versuch sein dürfte, die territoriale Integrität der Ukraine wiederherzustellen. Und was, wenn der Versuch scheitert? Das wäre verhängnisvoll, heißt es, da im kommenden Jahr aus dem Westen keine Waffen in großer Zahl mehr geliefert werden könnten. Warum nicht? Weil ohne einen großen militärischen Erfolg der Glaube daran fehlen wird, dass die Ukraine irgendwann doch noch siegen könnte.

Tja, nicht ganz einfach, in dieser Kaskade der Vermutungen die Ruhe zu bewahren. Manchmal hilft am ehesten der gesunde Menschenverstand, der uns sagt, wir sollten die Ukraine nicht mit Erwartungen überfrachten. Denn die entscheidende Frage lautet: Kann es sich der Westen erlauben, die Ukraine fallen zu lassen? Die schlichte Antwort lautet: Kann er nicht.

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