Chef der Wagner-Söldner Prigoschin machte Ukrainern wohl verräterisches Angebot
Ein Angebot, das dem Kreml gar nicht schmecken dürfte: Laut einem Bericht wollte Wagner-Chef Prigoschin der ukrainischen Führung die russischen Stellungen verraten.
Jewgeni Prigoschin ist bekannt für seine Brutalität. Nun soll der Chef der Wagner-Söldner, die besonders grausame Methoden anwenden, der ukrainischen Führung ein unmoralisches Angebot gemacht haben. Wie die US-Zeitung "Washington Post" berichtet, bot Prigoschin den Ukrainern im Januar Informationen über die Stellungen russischer regulärer Truppen an, falls Kiew seine eigenen Soldaten im Kampf um die Stadt Bachmut zurückziehen würde. Offenbar ließ "Putins Koch", wie der Spitzname des Unternehmers lautet, dieses Angebot der ukrainischen Führung über Kontaktleute unterbreiten.
Demnach sollten die Ukrainer ihre Truppen, die im Kampf um Bachmut vor allem Wagner-Söldnern gegenüberstehen, abziehen. Im Gegenzug würden sie dafür die Koordinaten russischer Einheiten erhalten, um diese angreifen oder bombardieren zu können. Auch soll er in den Gesprächen den sich verschärfenden Mangel an Munition innerhalb der russischen Armee thematisiert und die schlechte Moral der eigenen Söldner eingeräumt haben. Die "Washington Post" beruft sich dabei auf ukrainische Quellen.
Prigoschin soll die Offerte in mehreren Gesprächen mit dem Direktorat des Militärgeheimdienstes HUR unterbreitet haben. Jedoch lehnten die Ukrainer das Angebot offenbar nach Rücksprache mit der US-Regierung ab, da sie dem Söldnerchef nicht trauten und eine Falle fürchteten. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, auf den Vorfall angesprochen: "Das ist ein Thema, das wir vertraulich behandeln."
Prigoschin könnte Putins nützlicher Schreihals sein
Dass Prigoschin sein Angebot tatsächlich habe wahr machen wollen, dafür könnte die Tatsache sprechen, dass seine Truppen im Januar massive Verluste in Bachmut erlitten. Laut unbestätigten Berichten fielen in dieser Zeit Hunderte Wagner-Söldner pro Tag. Prigoschin selbst bestätigte die hohen Verluste seiner Männer in einem Video, das mutmaßlich in der Gegend um Bachmut aufgenommen wurde. Es zeigt den 61-Jährigen vor einem Friedhof mit etlichen frisch aufgeschütteten Gräbern. "Der Friedhof füllt sich", sagt er dazu lapidar.
Zwar pflegt Prigoschin beste Beziehungen zum Kreml – wie Russlands Diktator Wladimir Putin kommt auch Prigoschin aus St. Petersburg –, allerdings ist unklar, inwieweit Putin die Alleingänge des ihm stets nützlichen Oligarchen noch goutiert. Denn Prigoschin, der in den 1980er-Jahren wegen Kapitalverbrechen im Knast saß und in den 90ern ein Gastro-Imperium aufbaute, legt sich seit Monaten mit der russischen Armeeführung an. Er kritisiert die Generäle scharf, beschwert sich über ausbleibende Waffenlieferungen und drohte erst vor Kurzem mit dem Rückzug seiner Truppen aus der militärstrategisch relativ unbedeutenden, symbolisch aber wichtigen Stadt Bachmut.
Die neuerlichen Enthüllungen könnten Prigoschins Einfluss im Reich Putins durchaus schwächen. Ohnehin wird seit Monaten darüber spekuliert, ob der Oligarch eigene Ambitionen auf die Macht hegt oder ob er im komplizierten Gefüge der russischen Administration eine andere Rolle einnimmt: die des nützlichen Schreihalses.
So macht der Kremlherrscher seit Monaten keine Anstalten, den Streit zwischen dem Wagner-Chef und Russlands Generälen und Verteidigungsminister zu schlichten. Solange dieser nämlich schwelt, kann Putin die schlechten Nachrichten von der Front der russischen Militärführung in die Schuhe schieben. Er selbst bliebe in diesem Schwarzer-Peter-Spiel dann ohne größeren Makel.
Über Prigoschin hingegen denken nicht wenige Experten, dass sein Spiel für ihn ungut enden könnte. "Sein Leben hängt am seidenen Faden", sagte kürzlich erst der Politologe Michael Nacke den "Salzburger Nachrichten". Der Wagner-Chef könnte es mit seinen ständigen Attacken irgendwann übertreiben, so der Kremlkenner.
- occrp.org: "Yevgeny Prigozhin. 2022 Person of the year in organized crime and corruption" (englisch)
- washingtonpost.com: "Wagner chief offered to give Russian troop locations to Ukraine, leak says" (englisch)
- Catherine Belton: "Putin's People: How the KGB Took Back Russia and Then Took on the West" (englisch)
- zeit.de: "Russland. Eine Frage des Glaubens" (kostenpflichtig)
- sn.at: "Putins Mann fürs Grobe" (kostenpflichtig)