Ukrainischer Vizeaußenminister Melnyk "18 Leoparden geliefert, abgehakt, finito"
Der frühere ukrainische Botschafter Melnyk kritisiert die Waffenhilfe der Ampelregierung. Auch für seinen Nachfolger Makeiev findet er klare Worte.
Der Vizeaußenminister der Ukraine und frühere Botschafter des Landes in Deutschland, Andrij Melnyk, hat die Bundesregierung für ihre Waffenhilfe kritisiert. Die ukrainische Gegenoffensive komme, und die Deutschen würden denken: "18 Leoparden geliefert, abgehakt, finito. Als ob man mit diesen Panzern schon den Krieg gewonnen hätte", so Melynk in einem Interview mit der "Zeit".
Ende März hatte Deutschland der Ukraine 18 Leopard-2-Panzer geschickt. Die Lieferungen sind Teil einer internationalen Panzerkoalition, bei der zahlreiche europäische Staaten sowie die USA Dutzende Kampfpanzer an Kiew liefern. Aus Sicht von Melnyk ist die deutsche Panzerhilfe dennoch zu wenig.
Die Ampelkoalition habe "PR-mäßig toll die deutsche Öffentlichkeit überzeugt, dass nun bei der Militärhilfe alles in Butter sei", so der Vize-Außenminister. Doch dies entspreche nicht der Wirklichkeit. Die Bundesregierung liefere nur so viel, wie sie für richtig halte.
Kritik an seinem Nachfolger
Auch für seinen Nachfolger, den ukrainischen Botschafter Oleksii Makeiev, findet Melynk kritische Worte: Statt bei den Waffenlieferungen "weiterzutrommeln, wiederholt mein Nachfolger mantraartig: Danke, Deutschland".
Vor einem Jahr hätten die Ukrainer die Debatte um Waffenlieferungen in Berlin "kräftig mitbestimmen und sogar steuern" können, so Melnyk. "Mein Nachfolger macht das anders. Jetzt schwimmen wir nur noch mit dem Strom, lassen uns treiben. Wir wurden zurückgeworfen, lächeln und winken." Er pflege aufgrund "ganz verschiedener Sichtweisen" kaum Kontakt zu Makeiev.
Ex-Botschafter Melnyk hatte bereits Ende Februar im Interview mit t-online Kanzler Scholz (SPD) für die aus seiner Sicht viel zu spät kommende Panzerwende kritisiert. Scholz tue so, "als hätte er die Ukraine gerettet", so Melnyk damals. Seinem Nachfolger Makeiev hatte Melnyk zudem vorgeworfen, zu wenig für ukrainische Interessen zu tun.
"Musste Berlin gegen meinen Willen verlassen"
Auch zu seiner Abberufung als Botschafter äußerte sich Melnyk in der "Zeit": "Es ist kein Geheimnis, dass ich Berlin gegen meinen Willen verlassen musste. Ich hätte gerne weitergemacht, weil ich das Gefühl hatte, dass man viel mehr für die Ukraine hätte erreichen können." Das sei die einzige Motivation, die ihn angetrieben habe, "trotz des starken Gegenwinds in Deutschland, wo Politiker aus mir ein Schreckgespenst gemacht haben."
In Kiew sei der Widerstand noch schlimmer gewesen, weil viele nicht verstanden hätten, "wieso ich auf diese unkonventionelle, oft undiplomatische Weise agieren musste, um die Ampel aus der Lethargie zu holen".
"Ich bin echt traurig"
Er fühle sich in seiner neuen Funktion als Vizeaußenminister der Ukraine manchmal machtlos, so Melnyk weiter, weil aus seiner Sicht für die Ukraine manches schieflaufe. Er denke stolz an die vergangenen Jahre in Deutschland zurück: "Lautstark forderten wir Hilfe, und die Ampel konnte sich nicht leisten, unsere unbequeme Stimme zu ignorieren." Das sei nämlich vorher immer so gewesen.
"Die große Nation Deutschland traf Entscheidungen nicht nur, um eigene Interessen zu verfolgen." Seitdem er nicht mehr in Berlin ist, habe die Ukraine "diesen moralischen Trumpf leider wieder freiwillig aufgegeben, indem wir gar keinen Druck mehr ausüben und mit allem zufrieden sind. Deswegen bin ich echt traurig", sagte Melnyk.
- Vorabmeldung der "Zeit" vom 26. April 2023