Experten kritisieren Scholz' Panzer-Politik "Wir sehen aus wie die Idioten"
Die Bundesregierung knüpft die Genehmigung deutscher Kampfpanzer-Lieferungen an eine Bedingung. Das Urteil von Sicherheitsexperten fällt vernichtend aus.
Laut übereinstimmenden Medienberichten hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Lieferung deutscher Leopard-2-Panzer an die Ukraine an eine eindeutige Bedingung geknüpft: Die USA sollten selbst auch Panzer des Typs "M1 Abrams" in das Land schicken, das sich seit dem 24. Februar gegen die großflächigen Angriffe der russischen Truppen verteidigt.
Was aus diplomatischer Sicht plausibel erscheinen mag – ein gemeinsames Vorgehen würde die Einigkeit der Nato-Staaten demonstrieren, argumentiert Scholz –, stößt bei Expertinnen und Experten der Sicherheitspolitik auf lauten Widerspruch. "Unfassbar peinlich" lautet einer der Kommentare, ein anderer spricht von "Selbstverzwergung". Was steckt hinter den harschen Reaktionen auf die Haltung des Kanzlers?
Aufgabe der Souveränität?
Im Zentrum der Kritik an der Strategie der Bundesregierung steht der Vorwurf, dass eine so enge Bindung an die Entscheidungen im Weißen Haus einer Aufgabe der Souveränität und Führungsstärke gleichkomme. "'Keine Alleingänge' heißt im Grunde 'nichts ohne Washington', diese Selbstverzwergung Deutschlands spricht jeder Führungsrolle Hohn", kommentiert Georg Löfflmann, der an der britischen Universität Warwick zu militärischen Konflikten und der US-Außenpolitik forscht, auf Twitter.
Andere sehen in der Position der Bundesregierung gar eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Europäischen Union. Ob man in Berlin nicht vor Kurzem noch von "europäischer Souveränität" gesprochen habe, fragt sich etwa Sicherheitsexpertin Ulrike Franke vom Londoner European Council for Foreign Relations. Gegenüber dem Nato-Partner Großbritannien, der bereits die Lieferung von Kampfpanzern des Typs "Challenger 2" angekündigt hat, könnte Scholz' Position zudem als Affront gewertet werden.
Constanze Stelzenmüller, renommierte Expertin für die transatlantischen Beziehungen und Sicherheitspolitik, hält die Position der Bundesregierung mit Blick auf die anstehende Geberkonferenz in der US-Airbase Ramstein schlicht für "unfassbar peinlich". Sie betont, dass die USA als Bündnispartner in der Summe die bislang größten Unterstützer der Ukraine seien. Hinsichtlich der Treffen am Freitag in Ramstein lautet ihr Urteil: "Wir sehen aus wie die Idioten."
"Würde enormen logistischen Aufwand erfordern"
Versteckt sich der Bundeskanzler also hinter den Entscheidungsträgern im Weißen Haus – oder bahnt sich auch bei den USA eine Lieferung eigener Kampfpanzer an? Medienberichten zufolge bereiten die USA derzeit umfangreiche Waffenlieferungen an die Ukraine vor. Dass die Vereinigten Staaten aber eine Lieferung der Abrams-Modelle genehmigen, gilt derzeit als unwahrscheinlich. Als mögliche Gründe werden dabei die komplizierte Instandhaltung und Ausbildung an dem Gerät genannt.
Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Lieferung der US-amerikanischen Modelle kommen auch von Experten. "Der Betrieb und die Aufrechterhaltung von vier Kampfpanzertypen (Challenger 2, Leopard 2, M1 Abrams und T-72) ist ein absolutes Novum und würde einen enormen logistischen Aufwand erfordern", schreibt Franz-Stefan Gady vom britischen Think-Tank International Institute for Strategic Studies. Vermutlich hätte man sich von Anfang an auf den deutschen Leopard-2-Panzer konzentrieren sollen, der sich im Besitz mehrerer EU-Staaten befindet, so Gady.
Viele europäische Bündnispartner halten sich bislang mit eindeutigen Zusagen zurück. Nur Finnland und Polen haben angekündigt, bei deutscher Zustimmung Leopard-2-Panzer in die Ukraine schicken zu wollen. Die Nerven der polnischen Regierung sind offenbar so strapaziert, dass Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Mittwoch erklärte, notfalls auch ohne deutsche Zustimmung Leopard-2-Panzer liefern zu wollen.