Nach Neujahrsansprache Wirbel um Putins "Heldin" im Netz
Wladimir Putin läutete das neue Jahr mit einer Ansprache im russischen Staatsfernsehen ein. Eine Frau im Hintergrund kommt Beobachtern seltsam bekannt vor.
Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wurde vorgeworfen, bei seiner Ansprache zu Neujahr mit Schauspielern in Militäruniformen anstelle von echten Soldaten im Staatsfernsehen aufgetreten zu sein. Bilder und Videos, die in den sozialen Netzwerken unter anderem von Regimegegnern geteilt werden, sollen dies belegen. Eine blonde Frau, die an Putins Seite steht, ist dabei Auslöser. Doch es handelt sich um eine Verwechslung.
Während seiner neunminütigen Neujahrsansprache, in der es vor allem um den Ukraine-Krieg ging, stand Putin inmitten einer Gruppe von Soldaten. Er habe Militärangehörige für ihre Verdienste ausgezeichnet, hieß es dazu in den russischen Medien. Die blonde Soldatin ist deutlich neben ihm zu erkennen. Kurz nach Erscheinen hagelte es Spekulationen, dass Putins "Heldin" gar nicht an der Front war und eine Art Geist ist, weil sie immer wieder auf Fotos von Putin auftauche. Die Bilder und die Vermutung verbreiteten sich viral.
"Eine Soldatin, eine Seglerin, eine gläubige Christin"
Die – wie sich später herausstellte – falsche Behauptung: Die Frau soll schon mehrfach in anderen Rollen und mit anderen Outfits bei Putins öffentlichen Auftritten zugegen gewesen sein. So schrieb etwa der belarussische Journalist Tadeusz Giczan auf Twitter: "Eine Soldatin, eine Seglerin, eine gläubige Christin. Gott lenkt auf mysteriöse Art und Weise." Dazu teilte Giczan entsprechende Fotos, auf denen eine blonde Frau – unter anderem bei Putins Osteransprache – zu sehen ist. Auch t-online griff das zunächst auf und legte die Möglichkeit nahe, es könnte sich um dieselbe Frau handeln.*
Weitere Beobachter schrieben, sie hätten die Frau auch schon auf einem Foto einer Gruppe von Soldatenmüttern entdeckt, die Putin getroffen hatte.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Die Vermutung ist nicht ganz abwegig. Der ukrainische Kremlkritiker Igor Sushko, der regelmäßig angebliche Leaks aus dem Geheimdienst ins Englische übersetzt, behauptete, dass Putin niemals das Risiko eingehe, sich in der Nähe gewöhnlicher russischer Menschen aufzuhalten. Und tatsächlich gab es in der Vergangenheit Situationen, die einen entsprechenden Verdacht nahelegten.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Der "Bild"-Politikredakteur Julian Röpcke verbreitete auch eine Szene, in der er die Frau als Schauspielerin bezeichnete.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Dafür wiederum gab es keinen Beleg. Die Soldatin wird auch in einem Beitrag auf der Nachrichtenseite "Iswestja" mit Namen und Funktion genannt, sie heißt demnach Anna Sidorenko und ist Soldatin im Sanitätsdienst des 71. Regiments. Es gibt zunächst keinen Anlass, daran zu zweifeln.
Vor allem aber: Sie kann nicht die Frau auf den Fotos vom Schiff und bei einer Ostermesse sein. Diese Bilder hatten in Russland schon vor einigen Jahren für Furore gesorgt, weil da bereits darüber gespöttelt wurde, welche Rollen sie einnimmt. Bei ihr handelt es sich um die Geschäftsfrau Larisa Borisovna Serguhina, und die Bilder sind aus den Jahren 2016 und 2017. Auf aktuellen Fotos besteht nur noch sehr wenig Ähnlichkeit mit der Soldatin auf dem Bild von Putins Neujahrsansprache.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Die Verwechselung könnte Wasser auf die Mühlen russischer Propaganda gießen. Putin warf in seiner Rede dem Westen "Lügen" vor. "Die westlichen Eliten haben uns allen jahrelang heuchlerisch ihre friedlichen Absichten versichert, darunter zur Lösung des schwersten Konflikts im Donbass", sagte Putin. "Der Westen hat gelogen, was den Frieden angeht und sich auf eine Aggression vorbereitet. Und er schämt sich heute nicht einmal mehr, das offen zuzugeben."
Russland hat am 24. Februar 2022 die Ukraine überfallen. Den eigenen Angriffskrieg bezeichnet die russische Führung allerdings nur als "militärische Spezialoperation" und rechtfertigt diese immer wieder damit, dass sie nur einem Angriff der Ukraine zuvorgekommen sei. Bis zuletzt hatte Russland es auch als Lüge bezeichnet, dass ein Angriff geplant sei.
*Der Text wurde nach Erscheinen umfangreich aktualisiert.
- Eigene Recherchen
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa