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Luftalarm nach Raketenangriffen in der Ukraine: "Sie versuchen, uns zu zerstören"


Angriffe auf ukrainische Städte
"Sie versuchen, uns vom Angesicht der Erde zu tilgen"

Von dpa, reuters, joh

Aktualisiert am 10.10.2022Lesedauer: 6 Min.
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Tote auf den Straßen, eine Frau mitten in der Detonation: Diese Aufnahmen zeigen die Raketeneinschläge in Kiew und deren Folgen. (Quelle: t-online)

In mehreren großen Städten in der Ukraine sind Explosionen gemeldet worden. Präsident Selenskyj spricht von einem russischen Vergeltungsschlag.

In mehreren ukrainischen Großstädten hat es am Morgen Explosionen gegeben. Raketenangriffe auf Kiew, Lwiw, Dnipro und Odessa wurden gemeldet. Derzeit ist noch unklar, wie viele Tote und Verletzte es gibt. Das ukrainische Verteidigungsministerium schrieb bei Twitter, ukrainische Militärs hätten 75 Raketenangriffe gemeldet, 41 seien von der Luftabwehr abgefangen worden.

Rostislav Smirnow, ein Berater des Innenministers, teilte mit, bei dem Raketenangriff auf Kiew seien acht Menschen getötet worden, 24 Zivilisten seien verletzt worden. Die Polizei sprach von fünf Toten und zwölf Verletzten. Der Gouverneur in Odessa schrieb auf Telegram, die Luftabwehr über Odessa habe drei Raketen und fünf Drohnen abgefangen. Die Bevölkerung sei wegen anhaltender Kampfhandlungen dazu aufgerufen, in Schutzräumen zu bleiben. Bilder in den sozialen Netzwerken zeigen, dass sich viele Menschen unter anderem in Kiew in U-Bahnhöfe gerettet haben und nun dort ausharren.

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Bei den russischen Luftangriffen sind laut der ukrainischen Regierung elf wichtige Infrastruktureinrichtungen in der Hauptstadt Kiew und acht Regionen beschädigt worden. "Einige Gebiete sind nun von der Außenwelt abgeschnitten. Man muss sich auf zeitweilige Unterbrechungen von Licht, Wasserversorgung und Kommunikation einstellen", teilt Ministerpräsident Denys Schmyhal über den Kurznachrichtendienst Telegram mit.

Selenskyj: "Sie wollen Panik und Chaos"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wirft Russland vor, sein Land auslöschen zu wollen. "Sie versuchen, uns zu zerstören und uns vom Angesicht der Erde zu tilgen", erklärt er über Telegram. Russland töte "unsere Leute, die zu Hause in Saporischschja schlafen. Sie töten Menschen, die in Dnipro und Kiew zur Arbeit gehen." In der ukrainischen Hauptstadt Kiew sind nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko Ziele im Stadtzentrum getroffen worden. "Leider gibt es Tote und Verletzte", sagte Selenskyj.

Er erklärte weiter, Russland versuche, größtmöglichen Schaden anzurichten. Die Energieinfrastruktur der Ukraine sei ins Visier genommen worden. "Das zweite Ziel sind die Menschen. Dieser Zeitpunkt und diese Ziele wurden speziell ausgewählt, um so viel Schaden wie möglich anzurichten", wirft er der russischen Führung vor. "Sie wollen Panik und Chaos, sie wollen unser Energiesystem zerstören."

Ein Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, erklärte in einem Video bei Telegram, Russland zeige damit nach zahlreichen Niederlagen in seinem Krieg gegen die Ukraine, dass es am Ende sei. "Das sind die Todeszuckungen eines verwundeten Tieres", sagte er.

Augenzeugen berichteten, dass auch nach den ersten Einschlägen am Morgen in Kiew weitere Explosionen zu hören waren. Einsatzkräfte versorgten Verletzte und löschten brennende Autos, wie in Videos aus der Hauptstadt zu sehen war. Es war unklar, wie viele Menschen verletzt wurden oder starben. Auch aus anderen Teilen der Ukraine wurden Raketenangriffe gemeldet.

In fast allen Landesteilen der Ukraine galt Luftalarm. "Ein massiver Raketenangriff auf das Gebiet, es gibt Tote und Verletzte", teilte der Militärgouverneur der Region Dnipropetrowsk um die Industriestadt Dnipro, Walentyn Resnitschenko, am Montag auf seinem Telegram-Kanal mit. Über Einschläge berichten auch die Behörden von Lwiw, Chmelnyzkyj und Schytomyr.

Stromausfälle in mehreren Städten

En Teil der westukrainischen Großstadt Lwiw (Lemberg) ist nach Angaben von Bürgermeister Andrij Sadowyj ohne Energie. "Wegen des fehlenden Stroms wurde der Betrieb des städtischen Heizkraftwerks vorübergehend eingestellt", teilte Sadowyj am Montag bei Telegram mit. Es gebe daher kein heißes Wasser.

Auch in Charkiw ist es nach russischen Angriffen teilweise zu Stromausfall gekommen. Es habe am Morgen drei Attacken aus der Luft gegeben, teilte Bürgermeister Ihor Terechow am Montag im Nachrichtenkanal Telegram mit. Ein Ziel sei die Energieinfrastruktur gewesen. "In einigen Teilen der Stadt ist der Strom weg, es gibt keine Wasserversorgung", erklärte Terechow. An der Behebung der Probleme werde gearbeitet.

Auch der ukrainische Gebietsgouverneur Oleh Synjehubow berichtete von Explosionen in der Stadt. "Der Feind schlägt mit Raketenangriffen auf Charkiw und die kritische Infrastruktur der Region Charkiw zu", teilte er per Telegram mit. Strom- und Wasserversorgung seien beschädigt. "Die Gefahr ist noch nicht vorüber. Bleibt in Deckung."

"An mehreren Pumpstationen wurden Ersatzstromgeneratoren in Betrieb genommen, um die Wasserversorgung der Stadt wiederherzustellen", erklärte der Bürgermeister. Sadowyj rief die Bewohner auf, in Schutzräumen zu bleiben. Es würden Explosionen an wichtiger Infrastruktur registriert. "Die zuständigen Dienste sind ausgerückt."

In der Hauptstadt Kiew gelte der Luftalarm weiter, sagte Klitschko. Die Bürger sollten unbedingt in Bunkern bleiben, betonte er. Das Stadtzentrum solle gemieden werden. "Die Straßen im Zentrum sind gesperrt von Sicherheitskräften, Rettungsdienste sind im Einsatz", sagte Klitschko. Beim Beschuss sei auch "kritische Infrastruktur" getroffen worden. Details nannte er nicht.

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Es habe mehrere Einschläge gegeben, berichtete auch eine Korrespondentin der Deutschen Presse-Agentur (dpa) im Zentrum. Die Lage war demnach unklar. Nach Beobachtungen der dpa-Korrespondentin im Zentrum war ein Feuerball am Himmel zu sehen. Auf Fotos und Videos, die in sozialen Netzwerken geteilt wurden, waren Rauchwolken erkennbar. Andere Augenzeugen berichteten von drei bis vier Einschlägen.

Es werden weitere Raketenangriffe auf die Ukraine erwartet. "Die russischen Terroristen hören nicht auf", schrieb Klitschko bei Telegram. Er forderte die Einwohner auf, nicht in die Stadt zu gehen und sich in Notunterkünfte zu begeben. "Nehmen Sie warme Kleidung, Wasser, einen Vorrat an Lebensmitteln und Ladegeräte für Telefone mit", appellierte er. Die U-Bahn befördere derzeit keine Fahrgäste. In Kiew fungieren die Metrostationen als Schutzbunker. Die Notfalldienste der Stadt seien im Einsatz, betonte Klitschko.

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Kuleba bezeichnet Putin als "Terrorist"

Das Verteidigungsministerium schrieb bei Twitter als Reaktion auf die Raketenangriffe: "Wir werden uns niemals ergeben, wir werden kämpfen". Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bezeichnet den russischen Präsidenten Wladimir Putin als "einen Terroristen, dessen Sprache Raketen sind". Dies zeige die Serie russischer Raketenangriffe auf die Ukraine am Morgen, schreibt Kuleba auf Twitter. Putins einzige Taktik sei Terror gegen friedliche ukrainische Städte, aber er werde die Ukraine nicht zerstören. Die Raketenangriffe seien auch Putins Antwort auf alle Beschwichtiger, die mit ihm über Frieden reden wollten.

Ein Mitglied der britischen Regierung hat die Raketenangriffe als Kriegsverbrechen kritisiert. "Zivilisten anzugreifen, ist eine abscheuliche Tat", twitterte Kabinettsmitglied Tom Tugendhat am Montag. Der Sicherheits-Staatssekretär betonte, russische Kriegsverbrechen seien ein Beleg des Scheiterns und der Schande. Die britische Botschafterin in Kiew, Melinda Simmons, sagte, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien in Sicherheit.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat die Raketenangriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kiew verurteilt. Diese seien "ein neuer Tiefpunkt im russischen Terrorismus gegen die ukrainische Zivilbevölkerung", schrieb die FDP-Politikerin am Montag bei Twitter. "Auf diese Bilder kann es nur eine Antwort geben: die entschlossene weitere Unterstützung der Ukraine, gerade durch Waffenlieferungen", fügte sie hinzu.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich angesichts der jüngsten Angriffe aus mehrere ukrainische Städte "extrem besorgt" gezeigt. Er habe dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einem Telefonat seine "volle Unterstützung" zugesagt. Macron habe Selenskyj zugesichert, "die Unterstützung für die Ukraine weiter zu verstärken, um auf die von Kiew formulierten Bedürfnisse zu antworten, auch in Form von Rüstungsgütern", teilte der Elysée am Montag mit.

Zuvor hatte der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, der Ukraine Vergeltung für die Explosion auf der für Russland strategisch wichtigen Krim-Brücke am Samstag angedroht. Kremlchef Wladimir Putin hatte am Sonntag von einem "Terroranschlag" auf die Brücke gesprochen und – wie Medien in Kiew – den ukrainischen Geheimdienst SBU verantwortlich gemacht. Bestätigt hatte der SBU eine Beteiligung aber nicht.

Drohung aus Moskau

Die SBU-Zentrale liegt im Stadtzentrum von Kiew. Die Machtzentrale in Moskau hatte wiederholt gedroht, Kommandostellen in der ukrainischen Hauptstadt ins Visier zu nehmen, wenn der Beschuss russischen Gebiets nicht aufhöre. Kiew ist seit Beginn des russischen Angriffskriegs bereits mehrfach von russischen Raketen getroffen worden. Es war der schwerste Vorfall dieser Art und der erste Angriff auf die Stadt seit Monaten.

"Eine der Raketen ist beim Gruschewski-Denkmal in der Wolodymyr-Straße heruntergekommen. Die Rettungskräfte sind an der Arbeit", teilte der Berater des Innenministeriums, Anton Geraschtschenko, mit. Die Wolodymyr-Straße liegt direkt im Zentrum Kiews.

Medwedew hatte am Sonntag gesagt: "Alle Berichte und Schlussfolgerungen sind gemacht. Russlands Antwort auf dieses Verbrechen kann nur die direkte Vernichtung der Terroristen sein." Er äußerte sich in einem Interview mit der kremlnahen Journalistin Nadana Friedrichson. "Darauf warten die Bürger Russlands", meinte er vor einer geplanten Sitzung des Sicherheitsrats an diesem Montag, die Putin leiten wird.

Am Samstagmorgen hatte eine Explosion die 19 Kilometer lange Brücke erschüttert, die Russland und die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim verbindet. Dabei wurde rund siebeneinhalb Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine das für Russland strategisch und symbolisch wichtige Bauwerk schwer beschädigt. Offiziellen Angaben aus Moskau zufolge starben drei Menschen.

Luftalarm auch nach Raketenangriff auf Saporischschja

Der ukrainische Gouverneur Resnitschenko rief die Bewohner des Gebiets Dnipropetrowsk dazu auf, in den Bombenschutzkellern zu bleiben. Getroffen wurden Berichten zufolge nicht nur die Gebietshauptstadt Dnipro, sondern auch die Städte Nikopol und Marhanez, die dem Atomkraftwerk Saporischschja gegenüber am anderen Ufer des Flusses Dnipro liegen. In der Großstadt Saporischschja herrschte nach den nächtlichen Raketenangriffen am Morgen ebenfalls Luftalarm.

Vier Tote gab es Behördenangaben zufolge durch einen Raketenangriff in der ostukrainischen Großstadt Slowjansk im Gebiet Donezk. Der Einschlag sei im Stadtzentrum erfolgt, teilte Bürgermeister Wadym Ljach mit. In der westukrainischen Großstadt Lwiw seien laut dem Bürgermeister Andrij Sadowyj schwere Explosionen zu hören. In mehreren Stadtteilen ist der Strom ausgefallen.

"Im Gebiet Chmelnyzkyj sind Explosionen zu hören. Die Flugabwehr ist im Einsatz", teilte auch der dortige Gouverneur, Serhij Hamalij, mit. Zu möglichen Opfern machte er keine Angaben. Medien berichten zudem von Explosionen in Schytomyr. Beide Regionen liegen westlich von Kiew.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
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