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Ukraine-Krieg: Lambrecht sieht noch keinen Wendepunkt


Lage "schwer einzuschätzen"
Ukraine-Krieg: Lambrecht sieht noch keinen Wendepunkt

Von t-online, reuters
Aktualisiert am 14.09.2022Lesedauer: 3 Min.
Christine Lambrecht: Die Gebietsgewinne der Ukraine seien "deutliche Erfolge".Vergrößern des Bildes
Christine Lambrecht: Die Gebietsgewinne der Ukraine seien "deutliche Erfolge", aber noch kein Wendepunkt. (Quelle: Reuters/Annegret Hilse)
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Nach Gebietsgewinnen ukrainischer Streitkräfte äußert sich die Bundesverteidigungsministerin zurückhaltend. Erst müsse man die russische Reaktion abwarten.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht will trotz der jüngsten Erfolge der ukrainischen Streitkräfte noch nicht von einem Wendepunkt sprechen. "Es ist auch schwer einzuschätzen, denn wir wissen nicht, wie die Russen jetzt darauf reagieren", sagte Lambrecht der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. "Aber es ist auf jeden Fall ein deutlicher Erfolg, der zur Destabilisierung Russlands beitragen wird."

Zuvor hatte sich auch der Bundeswehrinspekteur General Eberhard Zorn zurückhaltend zur Lage der Ukraine geäußert. Er könne bislang keine echte Gegenoffensive erkennen: "Ich bin mit den Begriffen vorsichtig", sagte er in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin "Focus", das am Samstag erscheinen wird. Er sehe allenfalls Gegenstöße, mit denen man Orte oder einzelne Frontabschnitte zurückgewinnen, aber nicht Russland auf breiter Front zurückdrängen könne.

Die ukrainischen Streitkräfte haben in den vergangenen Tagen strategisch wichtige Orte im Osten des Landes zurückerobert. In seiner nächtlichen Videobotschaft hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj gesagt, die ukrainischen Streitkräfte hätten in diesem Monat bislang rund 8.000 Quadratkilometer an Gelände befreit.

"Solange es nötig ist": Lambrecht sichert Ukraine Unterstützung zu

Die Erfolge der ukrainischen Armee führten zu einer Schwächung der russischen Streitkräfte, sagte Lambrecht. "Und es zeigt, dass die ukrainische Armee gerade taktisch sehr gut aufgestellt ist und auch in der Lage ist, Angriffe zurückzudrängen, von denen nicht viele vermutet hätten, dass sie so erfolgreich sein kann."

Lambrecht versprach weitere Unterstützung für die Ukraine und verwies etwa auf die Zusage, dem Land winterfeste Ausrüstung und Generatoren zukommen zu lassen. "Aber wir werden die Ukraine auch weiter unterstützen, auch mit der Unterstützung durch Waffen." Die von Deutschland gelieferten Panzerhaubitzen und Flugabwehrpanzer Gepard hätten zu den jüngsten Erfolgen der ukrainischen Armee beigetragen. "Da werden wir natürlich auch weiterhelfen", sagte die SPD-Politikerin. "Wir werden an der Seite der Ukraine bleiben, solange es nötig ist."

Zorn: "Was wir abgeben, brauchen wir zurück"

Bundeswehrinspekteur Zorn gibt zu bedenken, dass der herannahende Winter das Leid nicht mindern werde – im Gegenteil, sagte er im Gespräch mit dem "Focus". Die ukrainische Armee agiere zwar klug, biete selten eine Breitseite und führe souverän und sehr beweglich die Operationen. Und "noch vor zwei Wochen hätte ich gesagt, dass der gesamte Donbass in sechs Monaten in russischer Hand ist. Heute sage ich: Das werden sie nicht schaffen." Aber ob die Ukrainer wirklich die Kraft für eine Gegenoffensive hätten, bezweifelt Zorn, der ranghöchste Soldat der Bundeswehr: "Sie bräuchten eine Überlegenheit von mindestens 3 zu 1."

Zorn verteidigte zugleich die bisherigen deutschen Waffenlieferungen: "Die Liste ist beachtlich, quantitativ wie qualitativ." Man habe mit den Niederländern zusammen ein ganzes ukrainisches Bataillon mit der Panzerhaubitze 2000 ausgestattet, hinzu komme der MLRS Mehrfachraketenwerfer. Beides sei aus eigenen Beständen gekommen, sagte er dem Magazin.

Die letzten der 30 Geparden seien gerade an die Ukrainer übergeben worden. "Darüber hinaus haben wir unzählige Fahrzeuge, Munition und Ausrüstung geliefert", so der Bundeswehrsoldat. "Mit IRIS-T schicken wir ein Raketenabwehrsystem, das wir selbst gerne hätten." Man werde die Ukraine so lange unterstützen wie nötig.

Zorn warnte aber vor weiteren Waffenlieferungen: "Mein Rat ist wirklich, unsere Zahlen anzuerkennen: Alles, was wir abgeben, brauchen wir zurück." Putin verstehe nur eine Sprache, das sei die der Macht. Für eine wirkungsvolle Abschreckung brauche man die entsprechenden Kräfte. "Unsere Partner zählen auf uns."

Zorn: Russland hat noch Kapazitäten

Zorn bekräftigte seine Befürchtung, dass Russland eine zweite Front aufmachen könnte und nannte mögliche Angriffsorte: "Kaliningrad, die Ostsee, die finnische Grenze, Georgien, Moldau … es gibt viele Möglichkeiten. Die Fähigkeiten hätte Putin." Mehr zu diesem Thema lesen Sie hier.

Auch wenn etwa 60 Prozent von Putins Landstreitkräften im Ukraine-Krieg gebunden seien, verfügten die Landstreitkräfte sowie vor allem die russische Marine und Luftwaffe noch über ungebundene Kapazitäten. "Würde Putin eine Generalmobilmachung anordnen, hätte er auch keine Personalprobleme", schätzt der Soldat die Lage ein.

Am Donnerstag und Freitag findet in Berlin eine große Bundeswehrtagung statt, bei der neben Zorn auch Verteidigungsministerin Lambrecht und Kanzler Scholz Reden halten werden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur Reuters
  • Vorabmeldung des "Focus" zur Ausgabe 38/22
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