Außenministerin über Ukraine-Krieg Baerbock: "Die Wahnvorstellung Putins ist nicht aufgegangen"
Die Bundesaußenministerin rechnet damit, dass der Ukraine-Krieg nicht absehbar vorbei sein wird. Waffenlieferungen sichert sie weiterhin zu.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat der Ukraine zugesichert, sie im Kampf gegen die russische Invasion wenn nötig noch jahrelang zu unterstützen, etwa mit der Lieferung schwerer Waffen. "Natürlich würde ich mir wünschen, dass der Krieg schnellstmöglich vorbei ist, aber wir müssen leider davon ausgehen, dass die Ukraine auch im nächsten Sommer noch neue schwere Waffen von ihren Freunden braucht", sagte Baerbock der "Bild am Sonntag".
Die Ministerin fügte hinzu: "Für mich ist klar: Die Ukraine verteidigt auch unsere Freiheit, unsere Friedensordnung und wir unterstützen sie finanziell und militärisch – und zwar so lange es nötig ist. Punkt."
Embed
Baerbock mahnte, die Welt müsse sich "darauf einstellen, dass dieser Krieg noch Jahre dauern könnte". Schließlich habe die russische Regierung leider "von ihrer fixen Idee, die Ukraine und ihre Menschen zu unterwerfen, nicht abgelassen".
"Wir werden alles tun, damit das auch niemals Realität wird"
Allerdings sei "die Wahnvorstellung des russischen Präsidenten, die Ukraine in kürzester Zeit einzunehmen", nicht aufgegangen, fügte die Ministerin mit Blick auf Kremlchef Wladimir Putin hinzu. Der Mut der Ukrainer und auch die internationalen Waffenlieferungen hätten dazu geführt, dass die russischen Soldaten ihre Paradeuniformen für den Sieg nicht auspacken konnten, hob Baerbock hervor. "Wir werden alles tun, damit das auch niemals Realität wird."
Die Außenministerin hat zudem in dem Interview bekräftigt, die drei verbleibenden deutschen Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus weiter laufen zu lassen. "Ich bin nicht überzeugt, dass Atomkraftwerke unser Gasproblem lösen werden", sagte die Grünen-Politikerin der "Bild am Sonntag". "Ob wir noch ein Stromproblem in Bayern bekommen könnten, weil man dort den Netzausbau verschleppt hat, wird derzeit im Stresstest überprüft."
Baerbock sagte, denjenigen, die gerade über Atomkraft redeten, gehe es nicht um den Streckbetrieb. "Sie wollen eine Rolle rückwärts zur Atomkraft. Wir haben für das Hin und Her beim Atomausstieg im letzten Jahrzehnt viele Milliarden bezahlt. Das jetzt wieder umzuwerfen, wäre Irrsinn und würde uns noch teurer zu stehen kommen."
Wegen der Energiekrise, die sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zugespitzt hat, gibt es seit Monaten eine Debatte, ob die drei verbleibenden AKW länger laufen sollen. Die Betriebsgenehmigung des Meilers Isar 2 in Bayern erlöscht eigentlich zum Jahresende, ebenso wie die der Reaktoren Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Die Bundesregierung prüft derzeit in einem Stresstest die Sicherheit der Stromversorgung. Danach will sie entscheiden, ob die AKW noch etwas länger laufen.
Die Ministerin stellte sich auch hinter die Ansprüche der Ukraine auf eine Rückeroberung der von Russland annektierten Halbinsel Krim. "Auch die Krim gehört zur Ukraine. Die völkerrechtswidrige Annexion von 2014 hat die Welt nie anerkannt", hob sie hervor.
Zu Warnungen vor einer wachsenden Kriegsmüdigkeit in Deutschland sagte Baerbock, sie erlebe weiterhin sehr viel Unterstützung für die Ukraine. "Klar spüren inzwischen alle die Folgen von Putins Energiekrieg am eigenen Geldbeutel", sagte sie. "Die soziale Spaltung Europas gehört zur Kriegsführung Putins. Dies müssen wir verhindern." Dies werde ein steiniger Weg werden, aber es gehöre "zur politischen Verantwortung, die sozialen Schieflagen in Folge hoher Energiepreise abzufedern".
Baerbock: Das ist kein Spiel mit Regeln
Forderungen etwa von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), die Pipeline Nord Stream 2 für Gaslieferungen zu nutzen, wies Baerbock scharf zurück. "Ich frage mich manchmal, ob einige nicht verstanden haben, dass das kein Spiel mit Regeln ist und kein plötzlicher Lieferengpass", sagte sie.
"Die Gaspipelines aus Russland sind schon lange keine normalen Leitungen mehr, sondern Waffen in einem hybriden Krieg", sagte Baerbock. "Wenn Putin nicht durch Nord Stream 1 liefert, warum sollte er durch Nord Stream 2 liefern? Durch Nord Stream 1 fließt doch nicht zu wenig Gas, weil die Leitung kaputt wäre, sondern weil Putin es nicht will", hob die Grünen-Politikerin hervor.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP