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AfD: Bestechungsskandal um Petr Bystron – Der große Tag der Täuschung


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Tagesanbruch
Der Tag der großen Täuschung

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 08.04.2024Lesedauer: 6 Min.
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AfD-Chefs Tino Chrupalla, Alice Weidel: Sie versprechen Aufklärung. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Guten Morgen liebe Leserin, lieber Leser,

heute erwartet uns der große Tag der Täuschung. Die AfD-Spitze will sich ihr aktuell größtes Problemkind Petr Bystron zur Brust nehmen und den Abgeordneten zu dem schweren Vorwurf befragen, er habe sich von einem pro-russischen Netzwerk bestechen lassen. Ab 8 Uhr wird Bystron, die Nummer zwei auf der AfD-Liste für die Europawahl, deswegen in der Telefonkonferenz des Bundesvorstands zugeschaltet. Am Nachmittag steht das Thema außerdem auf der Tagesordnung des Fraktionsvorstands.

Leitartikler fordern von der Parteispitze vorab gründliche Aufklärung. Das allerdings ist ein frommer Wunsch, der wohl kaum in Erfüllung gehen wird, gar nicht in Erfüllung gehen kann – auch wenn sich die AfD-Chefs noch so sehr bemühen, diesen Eindruck zu erwecken.

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Denn dazu sind die Vorwürfe, die im Raum stehen, erstens noch zu vage. Die Berichterstattung ist bisher gestützt auf Informationen aus den Geheimdiensten. Von Audioaufnahmen, die die Bestechung belegen sollen, ist die Rede – allerdings sind die Inhalte bisher nicht öffentlich bekannt. Eine schlechte Grundlage, um aufzuklären. Ein Kreuzverhör ist so gar nicht möglich.

Zweitens dürfte das Interesse an wahrer Aufklärung in der Partei ohnehin begrenzt sein. Denn die AfD ist durchsetzt von Russland-Freunden. Viele Bundestags- wie Landtagsabgeordnete verbreiten seit Jahren Putins Propaganda in deutschen wie russischen Medien, stellen getürkten Wahlen als Wahlbeobachter Persilscheine aus und nutzen ihre Fragerechte in den Parlamenten ganz im Sinne Russlands. Die vermeintliche Partei der Patrioten – schon lange agiert sie in Teilen als williger Vertreter fremder Interessen, allen voran als giftiges Echo Putins.

Die AfD-Spitze, die nun aufräumen soll, hat dieses Treiben nicht nur geduldet, sondern gefördert. Der Fisch stinkt hier, wie so häufig, vom Kopf.

So haben AfD-Chef Tino Chrupalla und der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland den Arbeitskreis Außen, den Bystron jahrelang leitete, frei drehen lassen und seinen Putin-Schmusekurs unterstützt: Vor allem Russland-Freunde saßen und sitzen in diesem Gremium, ein pro-russischer Antrag nach dem anderen wurde lanciert. Man trieb es so weit, dass sogar in der AfD-Fraktion mancher mit den Augen rollte. Ein Gipfel der Anbiederung war ein "Friedenskonzert" sowie ein von der AfD erarbeiteter "Friedensplan" für die Ukraine zu Beginn 2023. In den Antrag des Arbeitskreis Außen redigierten Kritiker in der Fraktion nur mit Mühe und Not die Verurteilung eines "völkerrechtswidrigen Angriffskriegs" hinein – und strichen die Forderung nach Anerkennung der Krim als russisches Staatsgebiet heraus.

AfD-Chefin Alice Weidel agierte lange zurückhaltender, machte sich aber 2021 auf zu einer Reise nach Russland, um das Corona-Management dort zu preisen und ein Ende der EU-Sanktionen zu fordern. Den Reiseführer für Weidel spielte: Petr Bystron.

Die absurdeste Rolle im Vorstands-Aufklärungs-Theater aber kommt Maximilian Krah zu. Der EU-Abgeordnete steht noch vor Bystron auf Platz eins für die Europawahl – und ist vielen in der Partei noch vor Bystron verdächtig. Auch er gab dem pro-russischen Propaganda-Netzwerk "Voice of Europe" Interviews und ist seit Jahren bekannt mit engen Freunden Putins. 2021 trafen er und Bystron sich mit Wiktor Medwedtschuk, dem Geldgeber, der hinter dem Netzwerk stehen soll.

Krah aber sitzt im Gegensatz zu Bystron im Bundesvorstand der AfD – und scheint diese Position nun zu nutzen, um von sich abzulenken. So brachte der AfD-Spitzenkandidat Ende der Woche öffentlich ein Auftrittsverbot für Bystron ins Spiel, bis alle Vorwürfe geklärt seien. Mit dem Rest des Bundesvorstands war das nach Informationen von t-online nicht abgestimmt. Eine Nebelkerze, ganz in Krahs Interesse: Je mehr Augen sich schließlich auf Bystron richten, desto weniger schauen sie auf Krah.

Ob überhaupt, wie viel und an wen genau Geld geflossen ist, ist damit nicht gesagt. Bystron wie Krah dementieren die Vorwürfe. Und die Fan-Fahne für Putins Politik schwenkt man in der AfD auch aus anderen Gründen. Wahrscheinlich aber ist, dass beim Thema Russland in der gesamten Partei so viele Leichen vergraben sind, dass der Bundesvorstand mit dem Ausbuddeln lieber gar nicht erst beginnt.

Hinzu kommt: Die AfD-Spitze könnte ihre EU-Spitzenkandidaten nicht mehr loswerden, selbst wenn sie es wollte. Dafür hat die Partei mit der Wahl der beiden im Sommer 2023 in Magdeburg selbst gesorgt.

Dabei gab es schon damals scharfe Kritik auch in der AfD. Skandal nach Skandal haben Krah wie Bystron schließlich in den vergangenen Jahren produziert, sind schon lange klar rechtsradikal und gelten zugleich als halbseidene Lebemänner mit zu guten Verbindungen zu Diktaturen. "Der wird uns den Kopf kosten", hieß es von einem Kritiker schon in Magdeburg explizit über den Spitzenkandidaten Krah.

Die AfD-Spitze wusste um diese Gefahr nur zu gut, nickte und beugte sich dennoch. Denn: Krah und Bystron sind Männer des Höcke-Flügels. Und gegen den stellt man sich lieber nicht, will man sein Amt im Vorstand behalten.

Die Krux: Schon mit der Wahl in Magdeburg hat sie so ihr Schicksal besiegelt, inzwischen sind die Wahllisten eingereicht. Und die Regeln sind streng: Gesetzt ist gesetzt – nicht einmal ein Aufenthalt im Gefängnis könnte daran wohl noch etwas ändern. Zwangsverheiratet ist die AfD-Spitze jetzt mit ihren Schwächen der Vergangenheit, mit ihren größten Skandalen.

Aufklärung ist von ihr deswegen nicht zu erwarten. Sie muss von außen kommen. Sehr viel wichtiger als der heutige AfD-interne Aufklärungstag ist deswegen der Mittwoch: Dann soll die Bestechungsaffäre zum ersten Mal in mehreren Ausschüssen im Bundestag Thema sein.


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Zum Schluss

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche. Morgen schreibt Johannes Bebermeier wieder für Sie.

Herzlichst

Ihre Annika Leister
Politische Reporterin im Hauptstadtbüro von t-online
X: @AnnLei1

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Mit Material von dpa.

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