Angst vor weiteren Erdrutschen Österreich meldet erstes Todesopfer durch Überschwemmungen
Heftige Unwetter sorgen in Slowenien und Österreich für Überschwemmungen. Es gibt erste Todesopfer – und kaum Grund zur Entwarnung.
Evakuierte Dörfer, ein Dammbruch und schon jetzt historische Schäden: Das kleine Slowenien kämpft mit der schwersten Naturkatastrophe in der Geschichte des seit 1991 unabhängigen Landes. Nach Starkregen und Überschwemmungen waren die Einsatzkräfte wegen drohender Dammbrüche und Erdrutsche auch am Sonntag noch in Alarmbereitschaft. Zwei Drittel Sloweniens waren betroffen.
Ähnliche Bilder gab es teils im Süden Österreichs, wo nach verheerenden Niederschlägen vor allem in Kärnten die Gefahr von Hangrutschen groß war. Dort verunglückte ein Mensch tödlich. Auch Kroatien und Polen waren von den Unwettern betroffen – dort lief es aber zunächst glimpflich ab. Doch die Sorge in allen Ländern bleibt. Ein Überblick:
Schutzdeich in Slowenien gebrochen
Die Bilder aus Slowenien am Sonntag zeigten nach Erdrutschen und Überschwemmungen verheerende Zustände: Dörfer waren durch das Wasser von der Außenwelt abgeschnitten, zahlreiche Hubschrauber versorgten Tausende Katastrophenhelfer mit dem Nötigsten, im Osten des Landes flogen Helikopter Betonblöcke heran, um einen geborstenen Schutzdeich zu reparieren.
Bereits am Samstagabend waren 500 Menschen aus dem Dorf Dolnja Bistrica im Osten des Landes evakuiert worden. Wegen drohender Erdrutsche wurden zudem 110 Menschen bei Koroska Bela und entlang des Flusses Meza nahe der Grenze zu Österreich in Sicherheit gebracht und blieben in provisorischen Notunterkünften. Am Freitag hatte es bereits in vielen Orten Erdrutsche gegeben.
Sorge vor weiteren Erdrutschen
Die Sorge vor weiteren Erdrutschen blieb auch am Sonntag. Die hohe Bodenfeuchtigkeit mache Erdrutsche wahrscheinlicher, warnte der Geologische Dienst Sloweniens. Er rief die Bevölkerung auf, stärker auf Veränderungen am Boden, an Gebäuden und an Hängen zu achten. Betroffen waren unter anderem Ljubno ob Savinji im Tal des Flusses Savinja, der Raum Crna, die Region Zgornje Podravje an der Save, die Region Gorenjska 30 Kilometer westlich von Ljubljana sowie Dravograd am Fluss Drau.
Auf der Landstraße von Dravograd nach Maribor herrsche ständige Erdrutschgefahr, erklärten die Katastrophenschützer. Bürgermeister Anton Preksavec sprach nach einem Erdrutsch dort am Wochenende von einer "Apokalypse wahrhaft biblischen Ausmaßes", wie STA berichtete.
"Größte Schäden durch eine Naturkatastrophe in der Geschichte des unabhängigen Slowenien"
Ministerpräsident Robert Golob sprach schon am Freitagabend von den "wahrscheinlich größten Schäden durch eine Naturkatastrophe in der Geschichte des unabhängigen Sloweniens", berichtete die slowenische Nachrichtenagentur STA. Slowenien wurde 1991 unabhängig. Der Gesamtschaden werde voraussichtlich 500 Millionen Euro übersteigen, schätzte Golob. Beschädigt sei vor allem die Straßen- und Energieinfrastruktur sowie Hunderte Wohngebäude.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sicherte Slowenien Hilfe zu. Die Schäden in dem Adria-Land seien "herzzerreißend", twitterte sie. Darüber wollte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, am Samstag mit der Regierung in Ljubljana beraten.
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Am Sonntag bat Slowenien die EU und die Nato um technische Hilfsgüter zur Beseitigung der Schäden, wie die slowenische Nachrichtenagentur STA unter Berufung auf die Regierung berichtete. Über den EU-Katastrophenschutzmechanismus beantragte Slowenien demnach 30 Bagger unterschiedlicher Kapazität sowie 30 Spezialfahrzeuge zur Regulierung von Wasserläufen, sowie die Entsendung von Ingenieurteams für all diese Geräte. Auf der Wunschliste an EU und Nato standen zudem jeweils 20 vorgefertigte Brücken von bis zu 40 Metern Länge. Die Nato bat das Land auch um fünf schwere Militärhubschrauber mit einer Tragfähigkeit von mindestens fünf Tonnen für den Transport sowie um 200 Soldaten zur Wahrnehmung von Schutz-, Rettungs- und Hilfsaufgaben.
Mindestens vier Tote – Polizei ermittelt Zusammenhang
Seit Donnerstag gab es mehrere Tausend Einsätze in Slowenien, allein in der Nacht zum Sonntag half der Katastrophenschutz in 186 Orten. 137 Feuerwehreinheiten pumpten Wasser aus überschwemmten Häusern, beseitigten umgestürzte Bäume, retteten Menschen aus gefährdeten Gebäuden und lieferten dringend benötigte Lebensmittel und Medikamente.
Zu möglichen Todesopfern gab es zunächst keine genauen Angaben. Bei vier Todesfällen ermittelt die Polizei, ob sie im Zusammenhang mit den Unwettern stehen. Darunter waren zwei Niederländer, die wahrscheinlich beim Wandern vom Blitz getroffen wurden. Die Behörden suchten am Sonntag zudem einen vermissten Italiener.
Fünf am Samstag zunächst vermisste Niederländer sind derweil wieder aufgetaucht. Nach Angaben des Außenministeriums haben sie sich inzwischen gemeldet. Weitere Einzelheiten wurden dazu nicht mitgeteilt. Zwei Niederländer im Alter von 50 und 20 Jahren aus Gouda waren ums Leben gekommen, es handelte sich den Angaben zufolge um Vater und Sohn. Über die Umstände ist bisher nichts bekannt.
Besondere Sorge bereitete am Sonntag der ansteigende Pegelstand der rund 450 Kilometer langen Mur, die in Österreich entspringt. Neben Slowenien berührt der Fluss auch Kroatien und Ungarn.
Österreich: Person stürzt in Fluss
Auch im benachbarten Österreich hielten die Folgen der verheerenden Niederschläge die Rettungskräfte in Atem. Zeitweise waren dort 5000 Feuerleute im Einsatz, unterstützt von Soldaten. Vor allem die Bundesländer Kärnten und Steiermark und Teile vom Burgenland waren vom Unwetter betroffen.
In Zollfeld (Kärnten) stürzte eine Person am Sonntag nach Angaben von Augenzeugen in den vom Hochwasser angeschwollenen Fluss Glan und konnte nur noch tot geborgen werden, wie die Regierung des Bundeslandes Kärnten berichtete. "Es ist traurige Gewissheit: Kärnten betrauert nach dem Starkregenereignis ein erstes Todesopfer", teilte das Bundesland mit.
Ein paar Dutzend Häuser und Wohnungen mussten evakuiert werden, etwa in den Kärntner Gemeinden Brückl und Keutschach, weil Schlammlawinen durch das Abrutschen völlig durchnässter Hänge drohten. In Klagenfurt pumpte die Feuerwehr rund um die Uhr Keller aus und die Stadt warnte, dass das Kanalsystem kaum noch Wasser aufnehmen könne.
Regen lässt nach
Bange blickten Anwohner auch in Österreich auf die Mur und andere Flüsse, an denen der Wasserpegelstand teils bedrohlich stieg. Immerhin: Am Sonntag lugte erstmals seit Tagen zeitweise die Sonne hervor. Statt Starkregen gab es aber immer noch Schauer, wie der Wetterdienst Geosphere Austria berichtete. Laut Feuerwehr drohten nun aber mehrere völlig aufgeweichte Hänge abzurutschen. Sie müsse zudem immer wieder ausrücken, um vollgelaufene Keller auszupumpen, sagte der Sprecher der Feuerwehr im Bundesland Kärnten, Hans-Jörg Rossbacher, am Sonntagmorgen im Radio ORF.
Trotz Dauerbelastung gab es grenzüberschreitende Hilfsaktionen. So brachten österreichische Rettungskräfte am Samstag eine Mutter mit 14 Tage altem Baby wohlbehalten aus dem slowenischen Mežica in eine Klinik in das rund 100 Kilometer entfernte Klagenfurt, wie sie berichteten. Kärntner Einsatzkräfte halfen bei der Versorgung der Bevölkerung in schwer erreichbaren Ortschaften jenseits der Grenze.
Wachsamkeit in Kroatien und Polen
Unterdessen ist Kroatien entgegen erster Befürchtungen bisher nicht von größeren Überschwemmungen bewohnter Gebiete getroffen worden. Zwar sind die Pegelstände der aus Kroatien kommenden Flüsse gestiegen, doch blieben sie unter dem Rekordniveau vergangener Jahre. Teilweise ist die Save über die Ufer getreten.
"Wir gehen davon aus, dass es keinen weiteren Anstieg der Zuflüsse aus Slowenien geben wird", sagte der Chef des Wasserwirtschaftsamts, Zoran Djurokovic. Endgültige Entwarnung gibt es noch nicht. Aus dem Fluss Save habe man große Wassermengen abgeleitet. Dennoch habe das Wasser in der Gemeinde Brdovec nahe Zagreb etwa 50 Häuser erreicht.
Ein schweres Gewitter mit Starkregen traf in der Nacht auch den Nordosten Polens. In der Stadt Olsztyn standen nach Feuerwehrangaben Straßen 70 bis 80 Zentimeter unter Wasser, wie die Agentur PAP meldete. Meteorologen warnten davor, dass Flüsse in Nordostpolen wegen des andauernden Regens über die Ufer treten könnten. Am Sonntag zog ein Tief von West nach Ost durch das Land, eine Gewitterfront mit drohendem Sturm und Hagel rückte auf die Hauptstadt Warschau zu. Meldungen über Verletzte gab es nicht.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP
- nos-nl: "Noodweer in Slovenië: campings ontruimd, vijf Nederlanders vermist" (niederländisch)