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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trotz all des Regens Warum noch immer Dürre herrscht
Der März und April waren nasser als normal. Trotzdem herrscht noch immer Dürre in Teilen Deutschlands. Entscheidend wird nun der Sommer.
Die Natur freut's! – So artikuliert sich oft der halbherzige Versuch, regnerisches Wetter schönzureden. Doch selten war der Spruch so wahr wie dieser Tage. Denn der viele Regen der vergangenen Monate hat dem Boden in Deutschland gutgetan. Und er war dringend nötig.
Trotzdem herrscht in einigen Regionen noch immer Dürre. Deutschlands Böden sind vielerorts weiterhin zu trocken. Für Entwarnung ist es also zu früh.
Jedoch der Reihe nach: Mit Beginn des Frühlings ist Deutschland in den vergangenen Wochen wieder grün geworden – ein starker Kontrast zu den gelb-braun verdorrten Blättern aus dem Sommer und Herbst des letzten Jahres. Ein Grund dafür: die teils überdurchschnittlich hohen Niederschläge. "Erstmals seit 15 Jahren war ein April in Deutschland wieder zu nass", bilanzierte Uwe Kirsch, Sprecher des Deutschen Wetterdiensts. Der März 2023 sei sogar der nasseste seit 20 Jahren gewesen.
Dürre in tieferen Schichten
Was das für den Boden bedeutet, zeigt ein Blick auf den Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Im Oberboden, also den ersten 25 Zentimetern unterhalb der Oberfläche, herrscht in Deutschland quasi keine Dürre mehr – die Karte bleibt weiß.
Das ist auch die Schicht, die für viele Pflanzen und damit zum Beispiel auch für die Felder besonders wichtig ist. "Für die Landwirtschaft ist in diesem Jahr daher nicht mit besonderen Trockenproblemen zu rechnen", sagte kürzlich Andreas Marx, Leiter des Dürremonitors, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Anders aber sieht es in den tieferen Bodenschichten aus. Die Karte, die die Feuchtigkeit in 1,8 Metern Tiefe zeigt, leuchtet für viele Gegenden nach wie vor tiefrot. Insbesondere der Osten Deutschlands leidet demnach noch immer unter Dürre, die Waldbrandgefahr ist dort ebenfalls besonders hoch, da die Wurzeln der Bäume weiter in die Tiefe reichen.
Peter Hoffmann, Klimaforscher und Meteorologe am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, erläutert im Gespräch mit t-online, woran das liegt: "Der in den letzten Monaten gefallene Regen hat das Grundwasser nicht erreicht."
Wann spricht man von Dürre?
Von Dürre spricht man dann, wenn die Bodenfeuchte unterdurchschnittlich gering ist. Zum Vergleich herangezogen werden die entsprechenden Zeiträume aus den Jahren 1951 bis 2015. Fällt die aktuelle Bodenfeuchte unter die 20-Prozent-Marke der trockensten Vergleichszeiträume, herrscht offiziell Dürre. Die Skala reicht dabei von der Vorwarnstufe "ungewöhnliche Trockenheit" bis zur "außergewöhnlichen Dürre".
Dass vor allem der Osten betroffen ist, lässt sich mit dem sogenannten Jetstream erklären: Dieses Strömungsband aus Starkwinden in der Atmosphäre weht durch die Drehung der Erde von West nach Ost. Der Regen in Deutschland kommt daher in der Regel vom Atlantik – und regnet sich zuerst im Westen ab. Im Osten kommt weniger an.
"Die Regenmuster verändern sich"
Das Problem: Der Jetstream schwächt sich infolge der Klimakrise ab. Denn durch die Erderhitzung werde es nicht nur im Durchschnitt wärmer auf der Welt, sondern einzelne Regionen wie die Polkappen erhitzten sich auch schneller als andere, erklärt Hoffmann. "Der Temperaturunterschied zwischen Äquator und Nordpol ist also nicht mehr so groß." Genau dieser Unterschied aber treibt den Jetstream an.
Die erste Folge: "Die Regenmuster, wie wir sie kennen, verändern sich", so Hoffmann. Die typische Atlantik-Wetterlage werde seltener, der Westen schon jetzt immer trockener. Für den Osten heißt das umgekehrt: Der natürliche Unterschied bei den Niederschlagsmengen könnte sich in Zukunft verringern, Regen öfter auch von Osten nach Deutschland ziehen.
Eine zweite Folge: Wetterlagen ziehen langsamer weiter, Hoch- wie Tiefdruckgebiete verharren länger über einer Region. Das kann Hitzewellen bedeuten – aber auch örtlichen Starkregen. Denn wo ein Tiefdruckgebiet einfach nicht abzieht, regnet es an einem Ort mehr – so weit, so logisch.
Warum Starkregen Dürren verschärfen kann
Das ist allerdings nicht alles. Erschwerend kommt hinzu, dass sich auch die Regenmenge, die insgesamt fällt, verändert. Denn durch die Klimakrise erhitzt sich die Atmosphäre und kann so mehr Wasser aufnehmen. "Die Hemmschwelle für Regen steigt durch höhere Lufttemperaturen", sagt der Klimaforscher. Es regnet also potenziell seltener. Und brechen die Wolken dann doch auf, fällt mehr Wasser zu Boden – die Wahrscheinlichkeit für Starkregen ist höher.
Womit wir wieder bei der Dürre wären. Denn Starkregen kann die Trockenheit der Böden sogar noch verschärfen:
Erstens kann dabei nahezu die gesamte Feuchtigkeit aus der Atmosphäre abregnen – bis es neuen Niederschlag gibt, dauert es entsprechend länger. Zweitens steigt die Verdunstung bei trockener Luft, der Boden verdorrt somit noch schneller. Und drittens: Ausgetrockneter Boden kann weniger Wasser aufnehmen, der Großteil fließt an der Oberfläche in Flüsse, Seen und das Meer ab. Tiefere Schichten erreicht der Starkregen dann nicht.
Was bräuchte es also, um die Dürre auch in den tieferen Bodenschichten zu beenden? Meteorologe Hoffmann meint: Das Gegenteil zum Sommer 2022, nach dem die Dürre noch um ein Vielfaches gravierender war als aktuell. "Eigentlich bräuchten wir einen richtig nassen Sommer – und zwar mit tagelangem Landregen, nicht mit einzelnen Tagen Starkregen." Das wäre eine typische Atlantik-Wetterlage, wie sie mit Fortschreiten der Klimakrise immer seltener auftritt.
Hitze-Phänomen könnte Regen bringen
Etwas Hoffnung, zumindest in diesem Aspekt, macht dem Experten ein Wetterphänomen, das Klimaforschern sonst eigentlich eher Sorgen bereitet und sich im Wasser des Pazifiks abspielt: El Niño.
In den allermeisten Jahren ist das Wasser vor Australien und Indonesien wärmer und vor Südamerika kühler, man spricht von einer La-Niña-Phase. In den weniger häufigen El-Niño-Jahren dreht sich die Temperaturverteilung um: Vor der südamerikanischen Küste ist das Wasser dann wärmer, vor Australien kühler.
Das wiederum hat Auswirkungen auf das Wetter, vor allem in der Pazifikregion und in den Tropen – aber auch bei uns. Für Mitteleuropa könnte El Niño feuchtere Jahre bringen, sagt Hoffmann. Denn das Phänomen beeinflusst auch die atmosphärischen Strömungen. Klare Zusammenhänge seien jedoch nicht erwiesen, er spricht von zeitlichen Parallelen.
Die Weltmeteorologie-Organisation (WMO) gab zuletzt bekannt, dass sich El Niño mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent im Laufe des Jahres einstellen wird. Experten, darunter Klimaforscher Hoffmann, rechnen daher spätestens 2024 mit einem Hitzejahr, das Rekorde brechen wird, wie Sie hier nachlesen können.
"Wir in Deutschland merken 340 Tage im Jahr nicht, was passiert."
Peter Hoffmann, Klimaforscher
Hierzulande habe man sich an heiße und trockene Sommer gewöhnt. "Wir in Deutschland merken 340 Tage im Jahr nicht, was passiert", sagt der Klimaforscher. "Uns fällt die Klimakrise erst dann auf, wenn wir 40 Grad in Hamburg haben, wie im vergangenen Jahr." Die Stadt habe für einen solchen Hitzerekord nicht auf der Liste gestanden.
Solche Sommer müssten jedoch nicht der neue Normalzustand werden, auch nicht in der Klimakrise. Sollten die kommenden Monate also nasser werden als der letzte Sommer, steckt dahinter kein gegenläufiger Trend. Entspannung für den deutschen Boden würde es aber auf jeden Fall bedeuten.
- Telefonisches Gespräch mit Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung am 04.05.2023
- ufz.de: "Dürremonitor Deutschland"
- dwd.de: "Waldbrandgefahrenindex"
- dwd.de: "Deutschlandwetter im April 2023"
- dwd.de. "Deutschlandwetter im März 2023"
- rnd.de: "Wo es in Deutschland gerade zu trocken ist – und wo zu nass"