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Klima-Talk bei "Markus Lanz": "Tote Bäume spenden auch Schatten"


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TV-Kritik "Markus Lanz"
"Der wunderschönste Wald kommt von selber"

Eine TV-Kritik von Christian Bartels

Aktualisiert am 28.07.2021Lesedauer: 3 Min.
Peter Wohlleben (Archivbild): In der jüngsten Lanz-Ausgabe drehte sich das Gespräch um die Klimakrise und die Corona-Pandemie.Vergrößern des Bildes
Peter Wohlleben (Archivbild): In der jüngsten Lanz-Ausgabe drehte sich das Gespräch um die Klimakrise und die Corona-Pandemie. (Quelle: Future Image/ imago images)
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Markus Lanz hakte eher fahrig die aktuelle Corona-Agenda ab, bevor er mit Bestsellerautor Peter Wohlleben brisanteren Fragen nachging. Zum Beispiel, was der deutsche Wald mit der Flutkatastrophe zu tun hat.

Puh, was für anstrengende Diskussionen am späten Dienstagabend bei "Markus Lanz". In hohem Redetempo kreisten zahlengesättigte Debatten um die Topthemen der vergangenen Wochen und Monate, also die Flut und vor allem unterschiedliche Aspekte der Corona-Pandemie. Zum Teil drehten sie sich in kleinen Kreisen, auch wenn (oder gerade weil) Moderator Lanz nach Kräften strategisch provozierte.

Freuen konnte sich in Abwesenheit der verhinderte Kanzlerkandidat Markus Söder, der mit seiner tagesaktuellen Aussage, dass, wer sich nicht impfen lässt, gefälligst für Corona-Tests bezahlen soll, die Agenda dieser Talkshow mitbestimmt hatte. Passenderweise wurde er als Gast der Lanz-Show an diesem Mittwoch angekündigt. Und statt, wie im Fernsehen oft üblich, eines versöhnlichen Akzents, gab es am Ende recht apokalyptische Prognosen zum Zustand der Umwelt zu hören. Etwa, "dass wir in den nächsten zehn Jahren die Hälfte der Waldfläche verlieren werden".

Die Gäste:

  • Peter Wohlleben, Bestsellerautor und Förster
  • Christine Aschenberg-Dugnus, FDP-Politikerin
  • Petra Bahr, Mitglied des Deutschen Ethikrats
  • Gerhard Scheuch, Aerosol-Experte

Bloß die letzten 20 Minuten hatte Peter Wohlleben, um seine Sicht zu erläutern, dass über mehrere Jahrhunderte hinweg begangene "Sünden der Vergangenheit" zu den aktuellen Problemen führten. Einerseits "saugen Steine kein Wasser auf", andererseits seien sogar die Waldböden "zu großen Teilen kaputt gefahren". Sie seien durch die Maschinen der industriellen Forstwirtschaft, die "Bäume wie Getreide anbaut", zusammengedrückt.

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In solch druckreifen Formulierungen sprach er viele schwelende Themen an, aber auch Lösungsideen, etwa statt "plantagen"-artig neue Bäume anzupflanzen, beschädigte alte einfach stehen zu lassen. "Tote Bäume spenden auch Schatten" und hätten eindeutig Kühleffekte. "Der wunderschönste Wald kommt von selber", lautete noch so eine Wohlleben-Formulierung. Davon hätte man gern noch mehr gehört.

Losgegangen war die Sendung mit Christine Aschenberg-Dugnus, die für die FDP im Bundestag sitzt und sich von Anfang an (ähnlich wie Parteikollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann vor einigen Wochen) als ziemlich ununterbrechbar erwies. Was hält sie von Söders Aussagen zu Geimpften und Nicht-Geimpften? Im Grunde sieht sie es wohl ähnlich, sagte das aber schon aus Wahlkampf-Gründen nicht direkt. Klar ist sie gegen eine Impfpflicht, doch dürfte, wer sich nicht impfen lassen will, "langfristig" nicht mehr beliebig viele Corona-Tests umsonst machen dürfen, sondern vielleicht nur noch einen pro Woche.

Petra Bahr, die dem Deutschen Ethikrat als Theologin angehört, brach eine Lanze für die 20- bis 30-Jährigen. Weil aus der "Impfstoff-Knappheit" plötzlich ein "Impfstoff-Überschuss" wurde, sollen sich die jungen Leute jetzt alle sofort impfen lassen – nachdem sie lange gehört hatten, dass sie nicht zur Risikogruppe zählen.

Wohlleben brachte Kinder unter 12 ins Gespräch. Sollen Eltern, wenn sie mit ihren Kindern, für die es gar keinen Impfstoff gibt, ins Restaurant gehen wollen, immer für Tests bezahlen? Nein, natürlich sollen Tests für Menschen, die sich nicht impfen lassen können, weiterhin nichts kosten, sagte die FDP-Politikerin. Aber wie stellt man fest, ob jemand sich impfen lassen kann oder nicht will, warf Gerhard Scheuch ein.

Obwohl die Diskussion also allmählich anlief, wollte Lanz weiter anfeuern, indem er – offenkundig nicht aus Überzeugung, sondern strategisch – provokant verkürzte Sätze in die Runde warf, etwa dass Covid-Erkrankungen "eine Frage des Alters" seien. Das erregte auf Twitter großes – vor allem negatives – Echo und half der Runde in seinem Studio wenig. Über "Privilegien für Geimpfte haben wir rauf und runterdiskutiert, auch in Ihrer Sendung" brach Petra Bahr diese inzwischen wirklich fruchtlose Diskussion ab.

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Anschließend ging es um Aerosole, für die der Biophysiker Scheuch als Experte eingeladen war, der vehement die These vertritt, dass Ansteckung durch Aerosole vor allem in geschlossenen Räumen stattfindet und unter freiem Himmel so gut wie gar nicht. Auch seine Thesen spitzte Lanz tagesaktuell zu: "Nicht das Nena-Konzert ist das Problem, sondern die Toilette auf dem Nena-Konzert".

Scheuch wählte als Beispiel lieber Fahrstühle: "Eine Person kann mehrere 100.000 Viren in einer Minute ausatmen", und in der Delta-Variante könnten es noch mehr sein. Da bereits 400 Viren eine Infektion auslösen können, könne man sich mit zwei Atemzügen in einem leeren Fahrstuhl anstecken, wenn darin vorher ein Infizierter gefahren ist. Um Luftfilter in Schulräumen und darum, wie Behörden Eltern, die solche anschaffen wollen, Steine in den Weg legen, ging es dann auch noch. Dabei sagte Lanz selber, dass er "gefühlt zum 140. Mal" darüber spreche – als ob ihm während der Sendung schwante, dass die Dramaturgie dieser Ausgabe nicht aufging.

Andererseits, der interessanteste Teil der Show folgte ja noch. Und wenn er am Ende steht, wird immerhin das Publikum belohnt, das dran bleibt.

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 27. Juli
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