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Experte über Waldbrände in Deutschland: In Zukunft werden sie ganzjährig brennen


Waldbrände in Deutschland
"Das hatten wir vor zehn Jahren noch nicht"

Von t-online, lib

Aktualisiert am 13.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Rauch und Flammen am ehemaligen Truppenübungsplatz in Lübtheen. Der Einsatz gilt als schwierig. (Quelle: dpa)

Vielerorts in Deutschland brennt der Wald. Werden die verheerenden Feuer häufiger? Und was kann man dagegen tun? Ein Überblick.

In Hagenow und Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern brennen große Flächen Wald. Die beiden Brände waren auf ehemaligen Militärgeländen am Montagnachmittag in kurzer Folge ausgebrochen und hatten sich, begünstigt von böigem Wind, rasch ausgebreitet. Beide Bereiche sind munitionsbelastet. Es kam zu Detonationen. Am Montagabend wurde der Ort Volzrade evakuiert. Hier lesen Sie mehr dazu.

Im hessischen Taunus kämpften am Montag rund 400 Einsatzkräfte gegen Flammen, zwei Feuerwehrleute wurden dabei verletzt. Inzwischen ist der Waldbrand unter Kontrolle, doch der Einsatz dauert an – es sind noch Glutnester übrig.

Im Waldbrandgebiet bei Jüterbog südlich von Berlin ist am Montagabend wieder ein Feuer aufgeflammt. Ungefähr zwei Hektar Wald sollen dort brennen.

Wird das der neue "Normalzustand"? Wo drohen jetzt Waldbrände? Und was können die Behörden dagegen tun? t-online mit dem Überblick.

Werden Waldbrände häufiger?

"Davon müssen wir ausgehen", sagt der Feuerökologe Johann Georg Goldammer t-online. "Denn die Lage verschärft sich durch den Klimawandel", so der Wissenschaftler der Universität Freiburg.

In unseren Breiten hielten Wetterlagen länger an, es komme dadurch zu längeren Trockenzeiten, erläutert Goldammer. Im Spätwinter habe es noch "recht gut" ausgesehen, mit mehr Niederschlägen. "Jetzt aber ist es für längere Zeit trocken und heiß, dazu haben wir starke Winde", sagt der international anerkannte Fachmann. Das befördere die "Verletzlichkeit von Landschaften gegenüber Feuer".

In den meisten Fällen wird ein Waldbrand durch den Menschen ausgelöst, etwa durch einen Zigarettenstummel, ein nicht ordentlich gelöschtes Grillfeuer oder Brandstiftung. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass es dadurch zu verheerenden Waldbränden kommt, steigt Experten zufolge durch die Klimakrise – weil der Ausbruch von Bränden unter anderem durch Dürren und starke Winde begünstigt werden.

"Dadurch werden mehr mögliche Feuerauslöser zu Waldbränden und diese können sich zusätzlich schneller ausbreiten", sagte Markus Drüke vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung "Focus online" im vergangenen Sommer.

Kommen die Waldbrände zu früh?

Die großen Waldbrände in Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg passen "in das langjährige statistische Geschehen", sagt Goldammer. "Die Brandgefährdung ist gerade zwischen Juni und September sehr hoch." In den vergangenen Jahren habe man beobachten können, dass der Sommer etwas früher ansetze, es im Juni besonders heiß und trocken ist.

Der Feuerökologe geht aber davon aus, dass Landschaftsbrände künftig auch in Deutschland ganzjährig auftreten. In den USA und Kanada könne man das bereits jetzt beobachten. "Die Feuer brennen dann im Herbst und Winter nicht mit der gleichen Intensität. Aber wir müssen damit rechnen, dass Waldbrände auch in Deutschland ein ganzjähriges Phänomen werden", sagt Goldammer.

Wo drohen Waldbrände?

Besonders der Nordosten Deutschlands ist immer wieder betroffen. Der "Dürremonitor" des Helmholtz-Zentrums ist dort vielerorts tiefrot. Allerdings sei ganz Deutschland betroffen, sagt Goldammer. "Heute gab es etwa auch Meldungen über ein Feuer in Tirol, in Stuttgart hat es gebrannt und in Thüringen. In den vergangenen Tagen gab es auch in anderen Bundesländern hier und da kleinere Feuer", so Goldammer. "Das hatten wir vor zehn Jahren noch nicht."

Was könnte den Wald widerstandsfähiger machen?

Ein Faktor, der Waldbrände an Intensität gewinnen lässt, ist das sogenannte Totholz, also abgestorbene Bäume. Dass dieses im Wald gelassen wird, wird als wichtige Strategie angesehen, um Biodiversität zu fördern. "Kommt es aber zum Feuer, gibt es dadurch eine zusätzliche Brandlast", sagt Goldammer. Er spricht sich dafür aus, mehr von diesem Totholz zu entfernen – "und zwar gezielt in strategisch geplanten Waldbrandschutzkorridoren".

Viele Experten plädieren außerdem für einen Umbau der Wälder: Mischwälder heißt das Zauberwort, sie sollen widerstandsfähiger gegen Brände sein. So sieht es auch der Naturschutzbund (Nabu): Fichten und Kiefern seien besonders anfällig für Feuer. Doch diese machen bislang noch rund die Hälfte des Baumbestandes in Deutschland aus. Wälder mit einer Vielfalt an Bäumen allerdings seien am besten für die Zukunft gewappnet, wird der Nabu im Deutschlandfunk zitiert.

Experte Goldammer ist da skeptischer: "Aus der Erfahrung der Vergangenheit wäre es richtig, auf Mischwälder zu setzen – aber wie sieht die Zukunft aus?" Noch könne selbst die Forstwissenschaft selbst keine klaren Aussagen dazu machen, wie der Wald der Zukunft aussehen werde.

Man könne bereits jetzt sehen, dass auch viele Laubwälder von Bränden betroffen seien. "Laubwälder können in der Zukunft also gleichermaßen anfällig werden gegenüber Feuer wie Nadelwälder. Wir können Erfahrungen aus dem 'alten Klima' also nicht einfach in die Zukunft fortschreiben."

Wie kann die Brandgefahr reduziert werden?

Um mögliche Feuer besser bekämpfen zu können, empfehlen Experten, sogenannte Schutzkorridore in den Wäldern einzurichten. Goldammer schlägt vor, in diesen eine "kontrollierte Beweidung einzuführen in einem aufgelockerten, offenen Waldbestand". Dadurch würde einem Feuer Brennmaterial entzogen und der Ort wäre leichter befahrbar für die Feuerwehren.

Außerdem gehe es darum, mehr als bislang Konzepte dafür zu entwickeln, wie Siedlungen und Eigentum vor eventuellen Feuern geschützt werden könnten. "Die Risikoeinschätzung der Gefährdung von Orten braucht in Zukunft noch viel mehr Aufmerksamkeit", sagt Goldammer.

Goldammer spricht sich außerdem dafür aus, den Zivil- und Katastrophenschutz neu zu organisieren. "Vieles tragen im Moment die lokalen, freiwilligen Feuerwehren – die sind sehr wichtig. Nur dürfen diese nicht allein gelassen werden", sagt der Wissenschaftler. Der Bund müsse die Kommunen finanziell und materiell besser unterstützen und dabei auch Unternehmen mit speziellen Technologien einbeziehen, über die die Feuerwehren nicht verfügen.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Gespräch mit Johann Goldammer am 13.6.
  • bmel.de: "Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2022"
  • deutschlandfunk.de: "Helfen kann nur der ökologische Wald-Umbau"
  • focus.de: "Wir müssen lernen, es brennen zu lassen"
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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