Arzt bestätigt Tierbiss Labor untersucht DNA-Spuren nach möglichem Wolfsangriff
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mit einem Hammer hat sich in Niedersachsen ein Mann gegen den Angriff eines Tiers gewehrt. War es tatsächlich ein Wolf? Die Behörden bereiten bereits die Jagd auf ihn vor.
Nach dem möglichen Wolfsangriff im niedersächsischen Landkreis Rotenburg versuchen Experten zu klären, ob es sich tatsächlich um einen Wolf gehandelt hat. Am Dienstagnachmittag hatte sich ein Tier an einen Gemeindemitarbeiter angeschlichen, der mit der Pflege einer Friedhofsgrünanlage in der Gemeinde Bülstedt beschäftigt war. Das Tier biss ihn in die Hand, wie ein Arzt den Behörden bestätigte. Drei weitere mögliche Wölfe hätten das Geschehen aus einiger Entfernung beobachtet, berichtete der 55-Jährige später der Polizei. Daraufhin habe er die Tiere mit einem Hammer vertrieben.
Tierhaare vor Ort gesichert
Das Wolfsbüro Niedersachsen nennt die Schilderung glaubhaft. Es sei allerdings zu klären, ob es sich bei den Tieren tatsächlich um Wölfe gehandelt habe, sagt Sprecherin Bettina Dörr auf Anfrage von t-online.de. Zwei Mitarbeiter des Wolfsbüros sicherten deswegen DNA-Proben vor Ort: Dort entdeckten sie Tierhaare – außerdem fanden sie Spuren am Pullover des Mannes und am Hammer.
Nun untersucht das Labor des Forschungsinstituts Senckenberg die Funde. Es ist das Nationale Referenzzentrum für genetische Untersuchungen bei Luchs und Wolf und somit auf genetisches Wildtier-Monitoring spezialisiert. Erste Befunde könnten kommende Woche vorliegen. Bis dahin ist vorerst unklar: Handelt es sich wirklich um den ersten Angriff von Wölfen auf einen Menschen, seit die Tiere im Jahr 2000 nach Deutschland zurückkehrten?
Bislang seien die Wölfe in der Umgebung total unauffällig gewesen, sagt Revierförster Harald Westermann im Gespräch mit t-online.de. Zwar habe er gelegentlich Spuren und gerissene Wildtiere gefunden, "aber nichts Ungewöhnliches". Ihm sei auch aus Erzählungen nicht bekannt, dass sich Wölfe bislang in die Nähe der Siedlungen gewagt hätten. "Der Friedhof liegt allerdings direkt am Waldrand, in nächster Nähe", sagt Westermann. Probleme mit streunenden Hunden seien ihm derzeit allerdings ebenfalls keine bekannt.
"Es nützt nichts, in Panik zu verfallen"
Derweil bereiten sich die Behörden bereits auf die Jagd vor: Sollte sich erweisen, dass der Biss von einem Wolf stamme, müsse "das Tier im Rahmen einer Maßnahme zur Gefahrenabwehr so schnell wie möglich getötet werden", schreibt Umweltminister Olaf Lies in einer Stellungnahme. Für diesen Fall habe sein Ministerium bereits jetzt auf Leitungsebene Kontakt zum Innenministerium aufgenommen. "Ich nehme die Situation sehr ernst und bin mit allen zuständigen Personen im Gespräch. Dennoch nützt es nichts, jetzt in Panik zu verfallen." Zunächst gelte es, den Sachverhalt zu klären, um im Fall der Fälle handlungsfähig zu sein.
Alarmiert sind die Behörden, da es sich bei dem mutmaßlichen Angriff um einen ungewöhnlichen Zwischenfall handelt. Laut Naturschutzbund Deutschland kam es zwischen 1950 und 2000 in ganz Europa zu nur 59 Angriffen, bei denen neun Menschen starben. In Deutschland wäre es der erste gemeldete Angriff von Wölfen auf Menschen seit der Rückkehr der Tiere vor 18 Jahren – davor waren zuletzt Mitte des 19. Jahrhunderts Bestände hier dokumentiert worden.
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Derzeit leben in Deutschland möglicherweise bis zu 600 Wölfe, bis zu 180 davon in Niedersachsen. Zwar stiegen im vergangenen Jahr die von Wölfen verursachten Schäden an Nutztieren bundesweit dramatisch an, wie Recherchen von t-online.de im August ergaben. Die Scheu vor Menschen behielten die Tiere aber grundsätzlich bis auf Ausnahmen bei. Das könnte sich nun zumindest in einem Fall drastisch geändert haben.
- Eigene Recherchen