Nach Springer-Affäre Vizepräsident der Zeitungsverleger tritt zurück
Nach den jüngsten Enthüllungen in der Causa Reichelt regt sich offenbar doch Widerstand in der deutschen Verlagsbranche. Einer der Stellvertreter Döpfners legt nun sein Amt nieder. Gründe gibt Thomas Düffert nicht an.
Mit sofortiger Wirkung tritt der stellvertretende Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), Thomas Düffert, von seinem Amt zurück. Der Branchendienst "Medieninsider" hatte zuerst darüber berichtet. Der Geschäftsführer der Zeitungsgruppe Madsack soll in einem Schreiben, das dem "Spiegel" vorliegt, keine Gründe für seinen Rücktritt nennen.
"Klar ist, dass wir als Branche nur dann beste Chancen haben, uns Gehör zu verschaffen, wenn wir gemeinsam vertrauensvoll zum Nutzen aller kleinen und großen Zeitungsverlage in Deutschland zusammenarbeiten", zitiert der "Spiegel" aus dem Schreiben. Dafür stehe er selbstverständlich auch weiterhin als Mitglied des Präsidiums ein. "Mein Amt als stellvertretender Präsident des BDZV hingegen lege ich mit sofortiger Wirkung nieder."
Erst am Montag hatte es eine außerordentliche Delegiertenversammlung des Verbands gegeben. Darin war vereinbart worden, dass eine Projektgruppe in den nächsten Monaten Vorschläge für eine Modernisierung der Verbandsstruktur erarbeitet. Erste beschlussfähige Vorlagen erwarte man für die nächste reguläre Delegiertenversammlung im September.
Neue Vorwürfe gegen Döpfner
Die außerordentliche Versammlung war auch deshalb mit Spannung erwartet worden, weil sie in eine Zeit fiel, in der sich der Verbandspräsident und Chef des Medienkonzerns Axel Springer, Mathias Döpfner, durch einen Bericht der britischen Tageszeitung "Financial Times" neuen Vorwürfen rund um den Fall des Ex-"Bild"-Chefredakteurs Julian Reichelt ausgesetzt sah.
Laut eines Berichts soll die Springer-Führungsriege bereits viel früher von einigen der schweren Vorwürfe gegen den ehemaligen "Bild"-Chef Julian Reichelt gewusst haben, als zuvor bekannt – Döpfner soll dabei Untersuchungen gegen Reichelt verschleppt und "Gegenermittlungen" eingeleitet haben, um eine "Verschwörung" gegen Reichelt aufzudecken. Mehr dazu lesen Sie hier.
Mehrere Frauen werfen dem ehemaligen "Bild"-Chefredakteur Machtmissbrauch vor. Springer hatte Julian Reichelt Mitte Oktober als Chefredakteur von "Bild" entlassen. Im Frühjahr 2021 gab es nach Vorwürfen mehrerer Mitarbeiterinnen erste Ermittlungen gegen Reichelt, der zunächst "eine zweite Chance" erhielt. Nach einem Bericht der "New York Times" und Recherchen der Ippen-Mediengruppe im Herbst zog Springer dann Konsequenzen.
Funke hatte zuvor Kritik an Döpfner geäußert
Nach BDZV-Angaben ging es auf der Versammlung nicht um die Personalie Döpfner mit Blick auf die Vorwürfe. Die Funke Mediengruppe hatte zuvor Kritik an dem BDZV-Präsidenten im "Spiegel" geäußert. Und das Medienhaus hatte auch ein Papier mit Ideen eingebracht – darunter stellte Funke als Überlegung in den Raum, ob die aktuelle Präsidentenstruktur zeitgemäß sei.
In dem Schreiben Düfferts an die Verbandsseite, das der dpa vorlag, nahm er Bezug auf die Delegiertenversammlung und die Taskforce, die die Vorschläge zur Modernisierung erarbeiten soll: "Für den nun anstehenden Prozess der personellen und strukturellen Erneuerung gibt es aus der Mitgliedschaft bereits einige Thesen und Anregungen, sicherlich kommen weitere hinzu." Er denke, dass alle BDZV-Mitglieder die Taskforce bei ihrer Arbeit konstruktiv und lösungsorientiert unterstützen werden.
Düffert hatte Döpfner zuvor öffentlich kritisiert
Der Madsack-Chef war im Herbst unter den Vertretern von Medienhäusern gewesen, die öffentlich Kritik an Döpfner geäußert hatten. Damals war es ebenfalls um Julian Reichelt gegangen, den Springer im Oktober nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs von seinen Aufgaben entbunden hatte. Die US-Zeitung "New York Times" hatte in einem Artikel über Reichelt und Springer auch aus einer privaten Kurznachricht Döpfners an den Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre zitiert.
Der Springer-Chef bezeichnete Reichelt darin als letzten und einzigen Journalisten in Deutschland, der noch mutig gegen den "neuen DDR-Obrigkeitsstaat" aufbegehre. Fast alle anderen seien zu "Propaganda Assistenten" geworden. Düffert hatte das als "eine unangemessene und verfehlte Herabsetzung" von Journalisten kritisiert. Springer hatte die Kurznachricht als Ironie eingeordnet.
Im November hatten Zeitungsverleger auf einer BDZV-Präsidiumssitzung bei einer Aussprache eine Entschuldigung Döpfners zu der umstrittenen Nachricht akzeptiert. Damals wurde auch die außerordentliche Delegiertenversammlung angesetzt.
Vom BDZV hieß es weiter zu Düffert: "Die Entscheidung, ob eine Nachfolge benannt wird, liegt gemeinsam in den Händen aller großen Verlagsgruppen, die direkt im Präsidium vertreten sind." Gemäß BDZV-Satzung können demnach bis zu vier Mitglieder als Vizepräsident oder Vizepräsidentin benannt werden.
- Nachrichtenagentur dpa
- Medieninsider: "Madsack-Chef tritt als BDZV-Vize zurück"
- Süddeutsche Zeitung: "Beben im Verlegerverband"
- Spiegel: "Vizechef der Zeitungsverleger tritt mit sofortiger Wirkung zurück"