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Ehefrau mit 13 Jahren: „Ich habe Angst, schwanger zu werden“


Ehefrau mit 13 Jahren
"Entweder du heiratest oder wir verstoßen dich"

dpa, Jürgen Bätz

Aktualisiert am 07.04.2018Lesedauer: 5 Min.
Die 13-jährige Minata: Im Alter von zwölf Jahren verheiratet, hält sie im Hof ihres Elternhauses ihre etwa zweieinhalb Monate alte Tochter Dioulaba im Arm.Vergrößern des Bildes
Die 13-jährige Minata: Im Alter von zwölf Jahren verheiratet, hält sie im Hof ihres Elternhauses ihre etwa zweieinhalb Monate alte Tochter Dioulaba im Arm. (Quelle: Jürgen Bätz/dpa-bilder)
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Millionen Mädchen werden jährlich als Minderjährige verheiratet. Besonders akut ist das Problem in Mali – für viele kommt es einem Todesurteil gleich.

Minata hat ihren Mann erst in der Hochzeitsnacht kennengelernt. Voller Angst wartete sie im Schlafzimmer, bis er aus der Moschee zurückkam. Sie war erst 12 Jahre alt. Noch ein Kind. Doch wenig später war sie schon schwanger. "Ich hatte keine Wahl", erinnert sich die heute 13-Jährige mit traurigem Blick. Ihr Schicksal ist in Mali nicht ungewöhnlich. "Ich habe mich geweigert, aber meine Eltern haben mich unter Druck gesetzt. Sie haben gesagt: "Entweder du heiratest oder wir verstoßen dich."

Hochzeit ohne die Braut

Minata sitzt bei rund 35 Grad im Schatten eines Baumes im Dorf M'Pentièrébougou auf dem staubigen Hof des Lehmhauses ihrer Familie. Über den holprigen Boden laufen Hühner und Ziegen, in einer Ecke kocht ihre Schwägerin über offenem Feuer das Mittagessen. "Ich hatte in der Hochzeitsnacht wirklich Angst. Ich wusste nicht, was passieren würde", erzählt Minata, während sie nervös mit einem herumliegenden Zweig spielt. Bei der Hochzeitszeremonie in der Moschee war sie dem Brauch gemäß nicht dabei. Dem Imam reicht es in Mali, wenn die Eltern der Braut zustimmen.

Etwa 15 Millionen junge Mädchen in Afrika und Asien erleiden jedes Jahr das gleiche Schicksal wie Minata. In ihrer Region Koulikoro im Zentrum Malis sind dem UN-Kinderhilfswerk Unicef zufolge fast 60 Prozent aller Frauen schon vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet, etwa jedes sechste Mädchen schon nach Vollendung des 14. Lebensjahres.

Bundeswehreinsatz in Mali

Die Bundeswehr beteiligt sich in Mali mit rund 1000 Soldaten an einer UN-Friedensmission zur Stabilisierung des von radikalen Islamisten terrorisierten westafrikanischen Landes. Doch Experten sind sich einig, dass bei anhaltend hoher Geburtenrate und ohne eine nachhaltige Bekämpfung der Armut – einer der Hauptauslöser der Konflikte – kein nachhaltiger Friede geschaffen werden kann.

Die Ehen Minderjähriger begründen einen Teufelskreis, der die Armut in die nächste Generation weiterträgt. Je früher Mädchen heiraten, desto weniger Schulbildung haben sie, desto mehr sind sie ihren meist älteren Männern ausgeliefert. Mangels Bildung können die jungen Frauen weniger zum Einkommen der Familie beitragen, sie werden mehr Kinder haben – und diese sind im Schnitt weniger gesund. "Kinderbräute müssen typischerweise viele Kinder versorgen, obwohl sie selbst noch jung sind", heißt es bei Unicef.

Schwiegereltern zahlen Brautpreis

Für die Eltern spielen bei der Entscheidung, eine Tochter so jung wegzugeben, oft Traditionen eine Rolle. Hinzu kommt ein Mangel an Aufklärung über die Risiken und Armut. Nach der Heirat ist eine Tochter weniger zu ernähren. Außerdem zahlen die Schwiegereltern einen Brautpreis. Es ist daher kein Zufall, dass die Staaten mit dem höchsten Anteil an Kinderbräuten einem UN-Index zufolge auch zu den 15 ärmsten Ländern der Welt gehören. Darunter befindet sich zum Beispiel auch Malis Nachbarland Niger, wo Unicef zufolge drei Viertel aller Frauen vor dem 18. Geburtstag verheiratet werden.

Minatas Tochter Dioulaba ist erst zweieinhalb Monate alt. Die junge Mutter sitzt auf einem Plastikstuhl und lässt das Baby etwas achtlos quer über ihrem Schoß liegend schlafen. "Bei meiner Tochter werde ich das allermöglichste tun, damit sie nicht vor 18 heiraten muss", sagt Minata mit entschlossenem Blick in der örtlichen Sprache Bambara. Ihre Eltern haben Minata nie zur Schule gehen lassen. Die Heirat hat dann ihre letzte Hoffnung auf Schulbildung zunichte gemacht. Für viele Eltern in Mali ist Bildung Luxus, kein Muss, vor allem wenn es um Töchter geht. "Ich werde kämpfen. Ich will nicht, dass meine Tochter das Gleiche erleben muss wie ich."

Körper für Schwangerschaft noch nicht bereit

An die Geburt von Dioulaba erinnert sich Minata nur ungern. Ihr Leben hing dabei wegen starker Blutungen am seidenen Faden. Unicef geht davon aus, dass weltweit jedes Jahr rund 70.000 Kinderbräute während der Schwangerschaft oder bei der Geburt sterben. Es ist die zweithäufigste Todesursache für Frauen im Alter von 15 bis 19 Jahren. Die Körper der Mädchen sind oft noch nicht bereit, ihre Becken noch zu eng, weswegen es zu schweren Komplikationen kommen kann. Die frühe Heirat könne ein "Todesurteil" sein, so Unicef. Zudem sind die Babys in der Regel schwächer. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Baby noch im ersten Lebenjahr stirbt, ist demnach bei minderjährigen Müttern um 60 Prozent größer.

Minata wurde wie die allermeisten Mädchen in Mali als Kind beschnitten. Weil bei der Genitalverstümmelung meist übereifrig nicht nur die Klitoris, sondern auch die Schamlippen beschnitten werden, ist jede Geburt ein Risiko, denn Narbengewebe dehnt sich nicht, wie der Unicef-Gesundheitsexperte Dougoufana Bagayoko erklärt. Daher war bei Minata ein Dammschnitt nötig. Mit dem Eingriff, der in Mali zunächst ohne örtliche Betäubung durchgeführt wird, wird die Geburt beschleunigt und das Risiko für ein Ersticken des Babys reduziert. Aber es kann eben wie bei Minata zu schweren Blutungen kommen.

Im Dorf M'Pentièrébougou gibt es keine befestigten Straßen, keinen elektrischen Strom und kein fließend Wasser. Eselskarren sieht man hier häufiger als Autos. Hier lebt auch die zierliche Bintou, die mit ihren 13 Jahren eher einem zehnjährigen Kind gleicht. "Ich habe große Angst, schwanger zu werden", sagt sie mit gesenktem Blick.

Kein Mitsprachrecht bei Kinderwunsch

Das seit einem Jahr verheiratete Mädchen, das in Wirklichkeit anders heißt, weiß über die Risiken Bescheid. Sie hat im Dorf zugehört, als die örtliche Hilfsorganisation Tagne ("Fortschritt") unterstützt von Unicef und Misereor über die Gefahren aufklärte. Bintous Mann ist der Schwiegermutter zufolge um die 40 Jahre alt.

Er arbeitet in Spanien und kommt nur zweimal im Jahr heim. Bintou kann weder lesen noch schreiben. Bei der Entscheidung, ein Kind zu bekommen, wird ihr Mann ihr kein Mitspracherecht einräumen. "Als Kind wollte ich zur Schule gehen und Richterin werden. Ich wollte den Menschen helfen", sagt sie zögerlich. Jetzt ist sie faktisch eine Hausangestellte der Schwiegermutter. Sie blickt aus ihren dunklen Augen ins Leere, ist den Tränen nah. Ganz leise spricht sie, damit die Schwiegermutter nicht mithört.

Mindestalter für Ehe nur in der Theorie

Die Organisation Tagne will trotz des bereits bezahlten Brautgeldes mit den Familien verhandeln, um eine Aussetzung der Heirat zu erreichen. Die Ehe bliebe bestehen, aber Bintou würde noch bei ihrer Familie aufwachsen dürfen. "Meine Eltern wären sicher sehr böse", sagt sie zögerlich. Das Gesetz ist eigentlich auf Bintous Seite: 16 ist das Mindestalter für eine Ehe. Doch in den Dörfern des Landes mit 18 Millionen Einwohnern ist das oft nur Theorie. Zudem werden die meisten Ehen nicht im Standesamt, sondern nur in der Moschee geschlossen – und die Imame haben mit dem Alter meist kein Problem.

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Bintous Schwiegermutter Sounkoura Diarra sieht in der Wahl einer so jungen Braut kein Problem. "So ist es hier Tradition." Sie habe auch sehr jung geheiratet. Diarra schätzt ihr Alter auf 60 Jahre. "Meine Tochter hat schon mit zehn Jahren geheiratet."

Verdopplung der malischen Bevölkerung bis 2050

Fortschritt stellt sich nur langsam ein: Für die Region West- und Zentralafrika, in der mehr als 500 Millionen Menschen leben, ist der Anteil der Kinderehen laut Unicef seit 1990 von 50 Prozent auf 39 Prozent zurückgegangen. Ohne drastische Fortschritte wird es Unicef zufolge noch 100 Jahre dauern, bis dort keine Minderjährigen mehr verheiratet werden.

Die Länder mit dem höchsten Anteil an Kinderbräuten sind auch jene, die weltweit die höchsten Geburtsraten haben: Frauen im Niger gebären der Weltbank zufolge im Schnitt 7,3 Kinder, im Tschad, in Somalia und in Mali sind es sechs. Zum Vergleich: In Deutschland sind es derzeit statistisch etwa 1,5 Kinder pro Frau im gebärfähigen Alter. Die hohe Geburtenrate ist langfristig eine Quelle möglicher Instabilität: Die Bevölkerung in Mali soll sich UN-Prognosen zufolge bis 2050 auf mehr als 40 Millionen Menschen verdoppeln – die Regierung ist jetzt schon überfordert.

Verwendete Quellen
  • dpa
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