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Iran: Tod wegen lockerem Kopftuch? Massive Proteste – auch in Deutschland


Ausgelöst durch Tod einer Frau
Fünf Demonstranten bei Protesten im Iran getötet

Von dpa, joh

Aktualisiert am 20.09.2022Lesedauer: 3 Min.
Frauen in TeheranVergrößern des BildesEinige Frauen nehmen an einer Demonstration vor der schwedischen Botschaft in Teheran teil (Symbolbild). (Quelle: Vahid Salemi/AP/dpa/dpa)

Nach dem Tod einer Frau auf einer Polizeiwache eskaliert die Lage im Iran: Nun sind offenbar mehrere Menschen bei Protesten getötet worden.

Nach dem Tod einer jungen Frau im Polizeigewahrsam sind im Iran in mehreren Städten Menschen auf die Straße gegangen. Einem Bericht der "Times of Israel" zufolge sollen am Montag fünf Demonstranten getötet worden sein. Laut der kurdischen Menschenrechtsorganisation Hengaw Human Rights Organization eröffneten Sicherheitskräfte das Feuer auf Demonstranten in der kurdischen Region des Iran. Zwei Menschen seien demnach in Saquez getötet worden, drei weitere in Divandarreh und Dehgolan. Die Gruppe berichtet außerdem, dass mindestens 75 Menschen verletzt worden seien.

Bei der Beerdigung der 22-jährigen Mahsa A. in ihrer Heimatstadt Saghes im iranischen Kurdistan demonstrierten Tausende vor dem Gouverneursamt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars kam es dabei auch zu Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften. Die Polizei setzte Tränengas, Wasserwerfer und Schlagstöcke ein, um die Menge auseinanderzutreiben. Demonstrierende sollen Mülltonnen in Brand gesetzt und Steine geworfen haben. Der Großteil der Proteste war jedoch friedlich.

Nach Angaben von Augenzeugen waren Polizei und Sicherheitskräfte in der Stadt mit einem massiven Aufgebot auf den Straßen unterwegs. Im Volkspark Mellat etwa kam es den Augenzeugen zufolge zu Menschenansammlungen, bei denen einige auch regimekritische Slogans riefen. Mehrere Frauen nahmen demnach aus Solidarität mit Amini ihre Kopftücher ab.

Es soll Zusammenstöße gegeben haben

In weiteren Städten sowie in Aminis Heimatprovinz Kurdistan gingen etliche Menschen auf die Straße. Dabei kam es Medienberichten zufolge auch zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstrierenden. In der Stadt Diwandareh sollen nicht unabhängig bestätigten Berichten zufolge auch Schüsse gefallen sein. Von offizieller Seite gab es zunächst keine Bestätigung.

An mehreren Orten riefen die Teilnehmenden der Proteste: "Wir fürchten uns nicht, wir sind alle zusammen" – eine Parole, die vor allem während der Demonstrationen nach der umstrittenen Präsidentenwahl 2009 bekannt geworden war.

Auch die örtlichen Behörden bestätigten die Proteste, gaben die Zahl der Teilnehmenden jedoch geringer an. In den sozialen Medien war die Rede von mehreren Verhaftungen, die bislang nicht bestätigt sind. Auch in Berlin gingen einige Menschen am Samstag auf die Straße, um vor der iranischen Botschaft gegen den Tod der Frau zu protestieren. Angekündigt waren zudem Proteste in Stuttgart, München und Köln.

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Warum wurde die Frau verhaftet?

Der Fall hatte im Iran Empörung und Trauer ausgelöst. Auch im Internet trauerten viele Iraner um die junge Frau, die am Dienstag während eines Familienbesuchs in der Hauptstadt Teheran von der Sitten- und Religionspolizei wegen ihres "unislamischen" Outfits festgenommen und auf eine Polizeiwache gebracht worden war. Nach Polizeiangaben war sie dort wegen Herzversagens zunächst in Ohnmacht und danach ins Koma gefallen. Am Freitag wurde ihr Tod bestätigt.

Im Internet kursiert jedoch auch eine andere Version. Die Frau sei verhaftet worden, weil ihr Kopftuch nicht richtig saß und ein paar Haarsträhnen zu sehen waren. Nach der Verhaftung sei ihr auf den Kopf geschlagen worden, was zu einer Hirnblutung, dem Koma und letztendlich schon am Dienstag zu ihrem Hirntod geführt habe. Die Polizei wies diese Darstellung vehement zurück.

"Lügen und Geschichten der Revolutionsgegner"

Die Polizei und auch die Regierung von Präsident Ebrahim Raisi sind seit dem Tod der Frau und der landesweiten Kritik in Erklärungsnot. Die Polizei versuchte, mit nicht verifizierbaren Videoaufnahmen ihre Unschuld zu beweisen. Die konservative Zeitung "Keyhan", die als Stimme der Hardliner gilt, stützte die Darstellung.

Diese sei ausreichend, um "die Lügen und Geschichten der Revolutionsgegner und ihrer Gefährten" zu entlarven. Damit dürften etwa bekannte Schauspielerinnen im Land gemeint sein, die in den vergangenen Tagen aus Protest auf Instagram ihre Haare ohne Kopfbedeckung zeigten.

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Kritik an Sittenpolizei

Raisi wies unterdessen das Innenministerium an, die Hintergründe zu durchleuchten. Ein Spezialteam von erfahrenen Polizisten und Gerichtsmedizinern soll umgehend die Ermittlungen aufnehmen. Kritik an der Sittenpolizei gab es auch im Parlament sowie seitens führender Kleriker, unter anderem von Ex-Präsident Mohammad Chatami. Ihrer Ansicht nach habe der Vorfall nicht nur das Ansehen des Landes, sondern auch das des Islams stark geschädigt.

Der Aufschrei richtete sich nach Worten der Kritiker nicht nur gegen das Vorgehen der Sittenpolizei, sondern auch gegen die islamischen Vorschriften im Land. Viele Iraner waren empört darüber, dass eine junge Frau wegen "ein paar Haarsträhnen" sterben musste. Sie kritisierten die strengen Kleidungsvorschriften als unzeitgemäß.

Seit der Islamischen Revolution von 1979 gelten im Iran strenge Kleidungsvorschriften für Frauen. Genauso lange werden diese jedoch von Frauen, insbesondere in den Metropolen, ignoriert – sehr zum Ärger erzkonservativer Politiker. Die Regierung in Teheran und die Hardliner im Parlament versuchen seit Monaten, die islamischen Gesetze strenger umzusetzen.

Verwendete Quellen
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