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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mordfall Susanna Hätte Flucht des Verdächtigen verhindert werden können?
Die vermisste Susanna ist tot. Die Suche nach dem Vergewaltiger und Mörder der 14-Jährigen läuft auf Hochtouren. Ein dringend tatverdächtiger Iraker ist auf der Flucht. Hätte er gefasst werden können?
Seit zwei Wochen wurde Susanna aus Wiesbaden vermisst. Nun ist es traurige Gewissheit: Die 14-Jährige ist tot. Sie wurde vergewaltigt, anschließend erwürgt. Dringend tatverdächtig: Ein 20 Jahre alter Flüchtling aus dem Irak.
Ali B., so der Name des jungen Mannes, soll sich inzwischen mit seiner Familie in die Heimat abgesetzt haben. Die Tickets für den Flug nach Istanbul sollen unter falschem Namen gebucht worden sein. Unklar ist, wie die Familie damit durch die Sicherheitskontrolle kam. Ein zweiter Mann wurde am Abend freigelassen – der dringende Tatverdacht gegen ihn hatte sich nicht erhärtet.
Sein Asylantrag wurde vor eineinhalb Jahren abgelehnt
B. war nach Polizeiangaben im Oktober 2015 nach Deutschland eingereist. Zuletzt lebte er mit seinen Eltern und den fünf Geschwistern in einer Unterkunft in Wiesbaden. In seinem Asylantrag gab er an, von der PKK bedroht worden zu sein. Der Antrag wurde im Dezember 2016 abgelehnt. Weil ein Anwalt gegen die Entscheidung Klage einreichte, läuft das Verfahren noch.
Der 20-Jährige habe die Polizei seit Anfang des Jahres "intensiv beschäftigt", sagte Polizeipräsident Stefan Müller bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Wiesbaden. Im März soll er eine Stadtpolizistin angerempelt und um sich gespuckt haben. Dafür kam er in Gewahrsam. Im April soll er außerdem mit einem Komplizen einen Mann mit einem Messer bedroht und dessen Wertsachen geraubt haben.
Auch geriet er im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Vergewaltigung einer Elfjährigen in Verdacht. Das Mädchen, selbst Flüchtling, gab laut Polizei an, von einem Mann namens Ali aus der Flüchtlingsunterkunft in Wiesbaden-Erbenheim, in dem auch Ali B. wohnte, vergewaltigt worden zu sein. Die Hinweise hätten sich aber nicht erhärten lassen, so Müller. Nur der Name Ali sei gefallen, in der Unterkunft hätten aber "vier Alis" gewohnt. Es habe daher keine Gründe für eine Inhaftierung gegeben.
Ausreise unter falschem Namen
Vergangenen Donnerstag sollen B. und seine Familie überstürzt abgereist sein. Bewohnern sollen sie erzählt haben, ihnen drohe die Abschiebung, deshalb die Flucht. Am Düsseldorfer Flughafen buchte die Familie unter falschem Namen Tickets. Sie führte so genannte Laissez-passer-Dokumente – eine Art Passierschein – in arabischer Sprache mit Passbildern mit sich, sowie deutsche Papiere. Beim Abgleich fielen den Beamten die unterschiedlichen Namen offenbar nicht auf.
Von Düsseldorf reiste die Familie schließlich nach Istanbul und von dort aus weiter ins irakische Erbil. Nach dem 20-Jährigen wird nun gefahndet.
Susanna soll sich öfter in der Flüchtlingsunterkunft in Erbenheim aufgehalten haben und den Bruder von Ali B. gekannt haben, sagte Müller. Ein Zeuge will die 14-Jährige dort auch mit dem Tatverdächtigen gesehen haben.
Tagelange Suche blieb zunächst ergebnislos
Susanna war am 22. Mai von ihrer Mutter als vermisst gemeldet worden. Sie war mit Freunden in der Wiesbadener Innenstadt unterwegs gewesen und abends nicht wie abgesprochen in ihr Elternhaus in Mainz zurückgekehrt. Tagelang suchte die Polizei mit Hubschraubern, Spürhunden und Dutzenden Beamten nach der 14-Jährigen – vergebens.
Erst der Hinweis eines 13-jährigen Jungen brachte den entscheidenden Hinweis. Der Junge, ebenfalls ein Flüchtling, meldete sich am 3. Juni bei der Polizei. Er gab an, Ali B. habe ihm von der Vergewaltigung und dem Mord an Susanna erzählt. Auch den mutmaßlichen Tatort nannte er.
Am Mittwoch schließlich entdeckten die Beamten die Leiche von Susanna. Sie lag in einem Erdloch in einem schwer zugänglichen Gelände bei Wiesbaden, zwischen einer Bahnlinie und der Bundesstraße 455, bedeckt mit Blättern und Reisig.
Zweiter Verdächtiger wieder frei
Ein zunächst ebenfalls verdächtigter türkischer Asylbewerber kam am Donnerstagabend wieder frei. Angesichts von Ermittlungsergebnissen bestehe kein dringender Tatverdacht mehr gegen den 35-Jährigen, teilte die Polizei in Wiesbaden mit. Die Staatsanwaltschaft habe daher ihren Haftbefehlsantrag bei einem Termin beim Ermittlungsrichter zurückgenommen.
Die Wiesbadener Kriminalpolizei bat in der Mitteilung erneut um Zeugenhinweise zu der Tat, die am 22. oder 23. Mai begangen worden sein soll. Am Donnerstag hatte es zunächst geheißen, zwei Männer würden verdächtigt, Susanna vergewaltigt und getötet zu haben, darunter der 35-jährige Türke.
- dpa, AFP
- Bericht der "FAZ"