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Verhafteter Drogenbaron: Kokain, Geheimdienste und windige Diplomaten


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Festnahme in Berlin
Kokain, Geheimdienste und windige Diplomaten


02.03.2018Lesedauer: 4 Min.
Zugriff in Moskau: Als sie die Waren vom Flughafen abholen wollen, stellen Ermittler mehrere Männer.Vergrößern des Bildes
Zugriff in Moskau: Als sie die Waren vom Flughafen abholen wollen, stellen Ermittler mehrere Männer. (Quelle: Ministerio de Seguridad)

Deutschland wird zum Schauplatz eines russischen Politkrimis. Im Zentrum steht der Berliner Geschäftsmann Andrei K. Internationale Ermittler halten ihn für einen Drogenbaron.

Von Jonas Mueller-Töwe und Jan-Henrik Wiebe

In dieser Geschichte geht es um Koffer voll Kokain, um windige russische Diplomaten und Geheimdienste. Sie beginnt bereits vor Jahren in Deutschland und findet ihren vorläufigen Höhepunkt am Freitag mitten in Berlin. Dazwischen liegt ein Politkrimi, der das Zeug hat, internationale Beziehungen auf eine harte Probe zu stellen. Russische Botschaften sind involviert, Polizeiermittler aus Argentinien, Russland und Deutschland. Und ein Berliner Geschäftsmann, den die Fahnder für den Dreh- und Angelpunkt eines groß angelegten Kokainschmugels halten.

Von Buenos Aires nach Moskau

50 Millionen Euro – so viel sind die Drogen wert, die Anfang Februar in Diplomatenkoffern von Argentinien nach Russland geflogen werden sollen. Von der russischen Botschaft in Buenos Aires geht es nach Moskau. Was die Schmuggler nicht ahnen: Ermittler der argentinischen und der russischen Polizei sind ihnen schon seit mehr als einem Jahr auf der Spur, haben die Drogen gegen Mehl ausgetauscht, die Ladung mit GPS-Sendern versehen – und überwachen die Männer, hören ihre Telefone ab, filmen sie bei Treffen.

Bei der Übergabe in Moskau schnappt die Falle schließlich zu. Drei Männer werden in Argentinien verhaftet, zwei in Moskau. Doch der mutmaßliche Drahtzieher bleibt flüchtig. Der russische Geschäftsmann Andrei K. ist in Deutschland.

Zugriff am Scharmützelsee

Am Donnerstagnachmittag erfolgt dann auch hier der Zugriff. In einer beschaulichen Wohnsiedlung am Scharmützelsee in Brandenburg spüren Zielfahnder der Berliner Polizei den 49-Jährigen auf und vollstrecken den internationalen Haftbefehl. "Unspektakulär" sei das gewesen, sagt der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Berlin gegenüber t-online.de. Von Fluchtversuchen oder Gegenwehr sei ihm nichts bekannt. Ansonsten sei der Fall allerdings noch "sehr unübersichtlich". Das trifft es wohl recht gut.

Die Festnahme bei Berlin markiert den vorläufigen Höhepunkt des Polit-Thrillers, der vor Jahren hier in Berlin auch seinen Ausgang genommen haben soll. So schildert es zumindest der Anwalt eines der Beschuldigten gegenüber russischen Medien. A. habe als technischer Angestellter lange Jahre für russische Botschaften gearbeitet. In der Botschaft in Berlin sei er 2011 dann Andrei K. begegnet - der sich für einen Agenten des russischen Geheimdienstes ausgab.

"Fast wie ein General"

A. habe ihn als extrem einflussreiche Person eingeschätzt: "fast wie ein General". Als A. nach Argentinien versetzt wurde, habe der Kontakt fortbestanden und er habe Gefälligkeiten für K. erledigt - im Gegenzug habe der sich darum gekümmert, dass A.'s Anstellungsverhältnis immer wieder verlängert worden sei. Immer wieder sei K. auch nach Argentinien gereist. In argentinischen Medien verbreitete Bilder der Überwachungsmaßnahmen zeigen ihn in Gesprächen mit den anderen Beschuldigten.

Die letzte Gefälligkeit seien zwölf Koffer gewesen, die er für ihn in der Botschaft habe unterstellen sollen. Dass darin Kokain gewesen sei, davon wisse A. nichts. Er habe seit 2012 allerdings mehrfach Koffer für K. mit militärischen Transportflugzeugen über die Botschaft in Uruguay nach Moskau geschickt, gab A. laut der russischen Zeitung "Kommersant" bei der Polizei zu Protokoll. Dafür habe er 1000 Dollar pro Koffer erhalten. "Ich dachte, ich schmuggelte Wein, Kaffee und Halbedelsteine", sagte er zu Ermittlern.

Ein "Baron" und ein "Oberst"

War K. also tatsächlich ein Agent des russischen Geheimdienstes? Der Kontakte zu Botschaften pflegte und Anstellungsverhältnisse nach Belieben verlängern konnte? Zumindest nahmen das offenbar auch andere Kontakte in Berlin an. Und zumindest umgab er sich mit Menschen, die diese Behauptung wahrscheinlich werden ließen.

Konstantin Loskutnikov ist in der Berliner Schickeria auch als Baron Konstantin von Bossner bekannt. Gerne gibt der extravagante Unternehmer Interviews. Der "Zeit", der "Berliner Morgenpost" und vielen weiteren stand der gebürtige Russe schon dafür zur Verfügung. Die Autoren schreiben gern über die "riesigen goldgerahmten Ikonen" in seinen Büroräumen, die Lenin-Standarte oder über den Wert seiner Schuhe. Sein Vermögen soll er mit Zigarren und Krokodillederschuhen gemacht haben. Auch er traf K. in Berlin.

Ein leitender Angestellter der deutschen Vertretung des russischen Gazprom-Konzerns habe den Kontakt zu K. hergestellt, berichtet Loskutnikov dem Sender "RTVD Ostwest" im Interview. Auch ihm sei er als Geheimdienstler vorgestellt worden: "als Oberst, Abteilungsleiter der Special Services, der für die Botschaften und Konsulate in Europa, Asien und Lateinamerika verantwortlich ist".

Gerüchte, dass K. für seine Firma gearbeitet habe, wie es Exilrussen in Argentinien behaupteten, weist Loskutnikow zurück. Er habe dem Mann lediglich oft Zigarren und Cognac als Produktproben mitgegeben. K. habe auf seinen Reisen neue Kunden für ihn werben wollen. Allerdings ohne Erfolg.

Botschaft: K. hat nicht für uns gearbeitet

Auch die russische Botschaft in Berlin weist die Vermutung brüsk zurück, K. könne für sie gearbeitet haben. "Wir können mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass, soweit wir wissen, K. niemals eine Position innerhalb des Botschaftsperonals hatte", schrieb der Pressesekräter auf Facebook, nachdem die Nachrichtenagentur "Rosbalt" diese Behauptung aufgestellt hatte. "Die Information, die von Rosbalt verbreitet wird, steht in Abweichung zur Realtität."

Und auch K.s Anwälte bestreiten die gegen ihren Mandanten erhobenen Anschuldigungen. Er habe die Absicht, seine Unschuld zu beweisen und die drohende Auslieferung nach Russland abzuwenden. "Herr K. muss vorerst weiter in Haft bleiben, aufgrund der schweren Vorwürfe. Er selbst plädiert aber auf unschuldig", sagt einer seiner deutschen Anwälte, Alexander Shmagin, gegenüber t-online.de. Bereits vor der Verhaftung hatte sich K.'s Rechtsvertreter in Russland geäußert.

"K. ist überzeugt, dass die Drogen von der argentinischen Polizei unter Beteiligung des us-amerikanischen Geheimdienstes platziert wurden, um die diplomatische Mission Russlands zu diskreditieren", zitiert die Nachrichtenagentur Interfax K.s Anwalt, Vladimir Zherebenkov. Unter anderem vertrat der prominente Jurist schon die ehemalige ukrainische Ministerpräsidentin Juliya Timoshenko und Oligarchen in Großbritannien.

Nun werden russische Behörden innerhalb der nächsten 40 Tage Belege für die Anschuldigungen und formell korrekte Papiere nach Deutschland senden müssen. Dann wird die Bundesregierung über die Auslieferung entscheiden.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherchen
  • AFP
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