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US-Reportage zu deutscher Hasskriminalität erregt Aufsehen – Vance reagiert


Vance nennt es "orwellisch"
US-Reportage über deutsche Hasskriminalität erregt Aufsehen

Von t-online
Aktualisiert am 18.02.2025 - 08:28 UhrLesedauer: 4 Min.
Der US-Sender CBS beleuchtet den Umgang mit Hassrede in Deutschland.Vergrößern des Bildes
Der US-Sender CBS beleuchtet den Umgang mit Hassrede in Deutschland. (Quelle: 60 Minutes/CBS)
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Eine US-Reportage beleuchtet das Vorgehen gegen Hasskriminalität in Deutschland. Die Ansätze der beiden Länder zur Meinungsfreiheit könnten kaum gegensätzlicher sein.

Eine Reportage des US-TV-Formats "60 Minutes" beim Sender CBS hat für Aufsehen gesorgt: Es setzt sich mit Deutschlands Handhabung von Hasskommentaren im Internet auseinander. Bei amerikanischen Zuschauern entzündete sich daraufhin eine Debatte über die unterschiedlichen Vorstellungen von Meinungsfreiheit.

Die US-Journalisten begleiteten deutsche Ermittler unter anderem bei Hausdurchsuchungen. Die Razzien, die am frühen Morgen stattfanden, richteten sich gegen Personen, denen vorgeworfen wird, strafbare Hasskommentare im Internet verbreitet zu haben, wie etwa einen rassistischen Cartoon. Auch wurden das Handy und der Laptop einer Frau beschlagnahmt, die einen beleidigenden Beitrag über einen Politiker im Netz geteilt haben soll.

"Es ist eine Art Bestrafung, wenn man sein Smartphone verliert. Das ist sogar schlimmer als die Geldstrafe selbst", erklärt der Göttinger Oberstaatsanwalt Frank-Michael Laue in der Reportage. Er steht an der Spitze der "Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet" (ZHIN) in Niedersachsen. Diese spezielle Einheit bearbeite jährlich etwa 3.500 Fälle, so der Staatsanwalt.

Konsequenzen für Täter

In Deutschland wird die freie Meinungsäußerung durch die Verfassung geschützt. Dennoch umfasst dieser Schutz nicht die Verbreitung von Hassreden oder diskriminierenden Beleidigungen. Auch im Internet werden solche Vergehen geahndet.

Die Strafen reichen von Geldbußen bis zu Haft für Wiederholungstäter. In einigen Fällen behalten die Behörden beschlagnahmte Geräte ein. "Das ist kein Strafzettel", sagt Staatsanwalt Laue etwa über eine Strafe von 3.750 Euro für einen Beitrag in den sozialen Medien, der Flüchtlingskinder aufforderte, mit elektrischen Leitungen zu spielen. "Wow", lautet die Antwort der amerikanischen TV-Reporterin auf die Höhe der Strafe.


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Matthäus Fink von der Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet der Staatsanwaltschaft Göttingen sagt zur Denkweise der Beschuldigten: "Viele glauben nicht, dass es illegal ist und berufen sich auf ihre Meinungsfreiheit." Dann fügt er hinzu: "Doch wir sagen: 'Ja, Sie haben Meinungsfreiheit, aber diese hat ihre Grenzen.'"

Staatsanwältin Svenja Meininghaus erklärt in der Sendung, dass bereits das Liken oder Teilen entsprechender Inhalte strafbar sein kann. "Im Falle des Teilens ist es ebenfalls eine Straftat. Denn der Leser kann nicht unterscheiden, ob Sie es selbst erfunden oder nur erneut gepostet haben", so Meininghaus. Das sei für die Ermittler das Gleiche.

Vance nennt das Vorgehen "orwellisch"

Zahlreiche amerikanische Zuschauer zeigen sich irritiert vom deutschen Vorgehen. Auf der Internetplattform X entwickelte sich das Thema zu einem Trend und wurde kontrovers diskutiert. Einige Nutzer verwiesen auf Äußerungen des US-Vizepräsidenten J. D. Vance während der Münchner Sicherheitskonferenz.

Vance hatte in seiner Rede geäußert, dass die Meinungsfreiheit in Europa seiner Meinung nach "auf dem Rückzug" sei. Auch zu der Reportage äußerte sich Vance bei X. "Jemanden zu beleidigen ist kein Verbrechen, und die Kriminalisierung der Rede wird die Beziehungen zwischen Europa und den USA stark belasten", schrieb er. "Das ist orwellisch, und jeder in Europa und den USA muss diesen Irrsinn ablehnen."

"Orwellisch" nimmt Bezug auf George Orwells dystopischen Roman "1984" aus dem Jahr 1949, in dem eine totalitäre Regierung die englische Gesellschaft brutal unterdrückt und jede Form der Meinungsfreiheit auslöscht. Der Roman wird häufig von Anhängern verschiedener politischer Denkrichtungen zitiert, um staatliche Überwachungsmaßnahmen oder Einflussnahme auf die Meinungsbildung zu kritisieren.

Im Jahr 2019 rückte das Thema Hasskriminalität in Deutschland verstärkt ins öffentliche Bewusstsein, als der CDU-Politiker und Kasseler Regierungschef Walter Lübcke nach lang anhaltenden Hasskampagnen im Internet ermordet wurde. Dieser Vorfall führte zur Einrichtung spezieller Einheiten gegen Online-Hass. Vergangenes Jahr verabschiedete die EU ein Gesetz, das soziale Medien verpflichtet, schädliche Inhalte zügig zu entfernen. Andernfalls müssen sie mit hohen Geldstrafen rechnen.

Künast: "Das schadet meinem Ruf"

Ein prominentes Beispiel für den Umgang mit Online-Hass ist die Politikerin Renate Künast. Auch sie wurde für die Reportage interviewt. Sie führt einen juristischen Kampf gegen die Facebook-Mutter Meta wegen eines Falschzitates. Am Dienstag verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) in dem Fall. Es geht um einen Satz, der zusammen mit Künasts Bild immer weiter verbreitet wurde – den sie aber nicht gesagt hatte.

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Auf Facebook wurde 2015 von Nutzern ein Foto von Künast mit dem Falschzitat "Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal Türkisch lernen" veröffentlicht. Seitdem wurde es auf der Plattform in unterschiedlichen Varianten und unter verschiedenen Internetadressen (URL) immer wieder hochgeladen, geteilt und weiterverbreitet, teilweise mit wüsten Beschimpfungen. Sie verklagte Meta auf Unterlassung sowie auf Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro.

Die Politikerin gab in der CBS-Sendung an, dass sie im Internet zunehmend Drohungen und hasserfüllte Kommentare von anonymen Nutzern erhielt. "Das schadet meinem Ruf. Denn die Leute sagen: Ich glaube, sie ist ein wenig verrückt. Meine Güte, wie kann sie das sagen?", so Künast.

Das Landgericht Frankfurt hatte Künast weitgehend recht gegeben. Sie könne verlangen, dass das Meme auf dem sozialen Netzwerk gesperrt wird. Auch Varianten mit kerngleichem Inhalt müsse Facebook löschen, ohne dass Künast noch einmal auf die jeweiligen Internetadressen hinweist. Den Anspruch auf Schmerzensgeld, den das Landgericht der Grünen-Politikerin zudem zugebilligt hatte, wies das Oberlandesgericht Frankfurt zwar später wieder ab. Doch im Übrigen bestätigte das Berufungsgericht das Urteil der Vorinstanz. Da sowohl Künast als auch Meta Revision einlegten, muss nun der BGH entscheiden.

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Verwendete Quellen

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