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Indien | Kalkutta: Eine Million Ärzte im Streik


Massenproteste erschüttern Indien
Eine Million Ärzte auf der Straße – Wut nach Tod von junger Ärztin

Von dpa, reuters, lma

17.08.2024Lesedauer: 3 Min.
Mamata Banerjee, Ministerpräsidentin der West Bengal Region bei Protesten nach dem gewaltsamen Tod einer jungen Medizinstudentin in Indien.Vergrößern des BildesMamata Banerjee, Ministerpräsidentin der West Bengal Region (Mitte, mit Mikrofon), bei Protesten nach dem gewaltsamen Tod einer jungen Medizinstudentin in Indien. (Quelle: Dipa Chakraborty/imago-images-bilder)

Nach einer schockierenden Tat in Kalkutta beginnen Ärzte in Indien einen Streik. Die Proteste könnten die medizinische Versorgung im Land stark beeinträchtigen.

Die Vergewaltigung und Ermordung einer 31-jährigen Ärztin in Ausbildung hat in Indien eine Welle der Empörung ausgelöst. Mehr als eine Million Ärzte traten am Samstag landesweit in einen 24-stündigen Streik, um gegen die zunehmende Gewalt gegenüber medizinischem Personal zu protestieren. Die Notfallversorgung bleibt während des Streiks aufrechterhalten.

Der Streik begann um 6 Uhr Ortszeit und führte zu erheblichen Einschränkungen in der medizinischen Versorgung Indiens, dem bevölkerungsreichsten Land der Welt. Lehrpersonal der medizinischen Hochschulen wurde für Notfälle herangezogen, um die Grundversorgung sicherzustellen. Vielen Patienten war nicht bewusst, dass sie aufgrund des Streiks keine reguläre medizinische Behandlung erhalten würden.

Hintergrund der Proteste

Anlass für den Streik ist der gewaltsame Tod einer jungen Ärztin in Kalkutta. Die 31-jährige Medizinerin wurde vergewaltigt und getötet, was landesweite Proteste auslöste. Ihre Leiche wurde am 9. August in einem Seminarraum eines privaten Uniklinikums in Kalkutta gefunden, wo sie nach einer langen Schicht geschlafen hatte.

Eine Autopsie bestätigte Spuren sexueller Gewalt und zahlreiche Verletzungen. Der Fall erregte großes Aufsehen und lenkte den Blick auf die bestehenden Sicherheitsprobleme für Frauen sowie medizinisches Personal in Indien. Bislang wurde ein Verdächtiger festgenommen, doch die Ermittlungen dauern an.

Mamata Banerjee, Ministerpräsidentin des Bundesstaates Westbengalen, unterstützt die Forderungen nach schnellen Ermittlungen und Bestrafung der Täter. Sie sprach sich dafür aus, dass solche Verbrechen mit größerer Dringlichkeit untersucht werden sollten. Das Oberste Gericht Kalkuttas hat inzwischen weitere Ermittlungen angeordnet, auf Bundesebene angeordnet.

Gewalt gegen Ärzte und Frauen

Gewalt gegen Mediziner ist in Indien weitverbreitet. Laut einer Studie der Indian Medical Association von 2019 sind bis zu 75 Prozent der Ärzte Drohungen oder körperlichen Übergriffen ausgesetzt. Oft greifen Angehörige von Patienten das medizinische Personal an, insbesondere wenn Patienten sterben.

Erschwerend kommt hinzu, dass Gewalt gegen Frauen ein tief verwurzeltes Problem im patriarchal geprägten Indien ist. Jede Viertelstunde wird ein neuer Vergewaltigungsfall gemeldet, die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen, da viele Opfer aus Angst vor Stigmatisierung schweigen, wie Experten vermuten.

Ein besonders brutaler Fall ereignete sich vor zwölf Jahren in Neu-Delhi: Eine 23-jährige Studentin wurde in einem fahrenden Bus von einer Gruppe vergewaltigt und starb später an ihren Verletzungen. Auch damals gab es Massenproteste, was zur Verschärfung der Gesetze führte – dennoch bleiben viele Fälle ungelöst oder enden ohne harte Strafen für die Täter.

Reaktionen auf den aktuellen Fall

Premierminister Narendra Modi griff den aktuellen Fall indirekt in seiner Rede am Unabhängigkeitstag auf und betonte die Wut der breiten Masse über solche Verbrechen. Er forderte ernsthafte Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und appellierte an Gesellschaft und Regionalregierungen, diese Fälle dringlicher zu behandeln. Trotz verschärfter Gesetze bleibt das Vertrauen vieler Inderinnen ins Justizsystem gering.

Die Demonstrationen zogen viele weibliche Teilnehmer an – von jung bis alt – die ein Leben ohne Angst forderten. Am Krankenhaus, wo die Leiche der Ärztin gefunden wurde, kam es laut der Deutschen Presse-Agentur zu Ausschreitungen. Die Polizei nahm mehrere Personen fest, äußerte sich jedoch nicht genauer über deren Identität oder Motive.

Der Präsident der Indian Medical Association (IMA), R.V. Asokan, wies darauf hin, dass Frauen den Großteil des medizinischen Personals im Land stellen und ihre Sicherheit wiederholt gefordert worden sei: "Frauen machen die Mehrheit unseres Berufsstandes in diesem Land aus."

Während des Streiks standen viele Patienten unwissend vor verschlossenen Türen und warteten vergeblich auf ihre Behandlungstermine. Ein Patient berichtete einem lokalen Fernsehsender enttäuscht über seine lange Anreise zum SCB Medical College Hospital in Cuttack: "Ich habe 500 Rupien für die Reise ausgegeben. Wir waren uns des Streiks nicht bewusst." Solche Situationen verdeutlichen das Dilemma zwischen berechtigtem Protest und dem Bedürfnis nach kontinuierlicher Gesundheitsversorgung.

Transparenzhinweis
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen Reuters und dpa
  • Eigene Recherche
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