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Oldenburg: Jüdische Gemeinschaft nach Brandanschlag auf Synagoge in Angst


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Brandanschlag auf Synagoge
"Anschläge erschüttern das Vertrauen in den Staat"

MeinungEin Gastbeitrag von Ruben Gerczikow

11.04.2024Lesedauer: 3 Min.
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Der Staatsschutz ermittelt, nachdem ein Brandsatz auf die Tür der Synagoge in Oldenburg geworfen wurde. (Quelle: David Hecker/getty-images-bilder)
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Jüdisches Leben ist in Deutschland schon lange nur unter Sicherheitsvorkehrungen möglich. Nach Anschlägen wie jüngst in Oldenburg wird die Situation noch beunruhigender für die jüdische Community.

Die Deutsche Bahn ist mir in den vergangenen Jahren zu einem zweiten Zuhause geworden. In Arbeit und Freizeit bereise ich das knapp 40.000 Kilometer lange Schienennetz in Deutschland. Bahngäste haben mich in allen emotionalen Zuständen erlebt: von euphorischer Freude bis zu Tränen in den Augen.

Auch vergangenes Wochenende war ich wieder unterwegs. Nur wenige Stunden vor Beginn des Schabbats ploppt folgende Schlagzeile auf meinem iPhone auf: "Polizei ermittelt nach Brandsatz auf Oldenburger Synagoge".

Der Brandanschlag auf eine Synagoge in Oldenburg

Eine Schlagzeile, die nicht mehr überraschend kommt. Aus Sicherheitskreisen wurde mit Verweis auf den mutmaßlich israelischen Angriff auf die iranische Botschaft in Syrien verlautbart, dass jüdische und israelische Einrichtungen in Europa möglicherweise im Fadenkreuz von Vergeltungsaktionen stehen. Sollte mich das beunruhigen? Denn in diesem Augenblick war ich auf dem Weg nach Köln, um einen Workshop in der Synagogen-Gemeinde zu halten.

Autor Ruben Gerczikow
Autor Ruben Gerczikow (Quelle: Rina Gechtina)

Zur Person

Ruben Gerczikow ist Autor und hat Publizistik und Kommunikationswissenschaften studiert. Anfang 2023 ist sein gemeinsam mit Monty Ott verfasster Reportage-Band "Wir lassen uns nicht unterkriegen" – Junge jüdische Politik in Deutschland" im Verlag Hentrich & Hentrich erschienen.

Angekommen zum Freitagabendgebet in der Roonstraßen-Synagoge stehen zwei Polizeiautos vor einem "Bring Them Home – Now!"-Banner in Übergröße. Es soll auf das Schicksal der über 130 in der Hand der Hamas-Terroristen im Gazastreifen verbliebenen Geiseln aufmerksam machen. Hierzulande ist es der jüdische Normalzustand, durch eine Sicherheitsanlage mitsamt hauseigenem Sicherheitspersonal zu gehen, um essen und beten zu können. Ein Vorgang, den ich seit meiner Kindheit kenne.

Nur hinter Sicherheitsanlagen ist angstfreies Judentum möglich

Die Sicherheitsanlagen zerschneiden die Welt in ein Innen und Außen. Drinnen laufen Kinder umher, der Kantor gibt die Melodie vor und die anwesenden Betenden stimmen mit ein. Für einen kurzen Moment scheint es einen Alltag zu geben, der die antisemitische Gewalt und Israels Krieg gegen die islamistische Terrororganisation Hamas vergessen lässt.

So ging es auch den rund 2.500 Gästen bei der Jewrovision, dem größten Gesangs- und Tanzwettbewerb für jüdische Kinder und Jugendliche in Europa, am 31. März in Hannover. Viele der Teilnehmenden und Gäste sprachen davon, dass sie das erste Mal seit einem halben Jahr wieder frei und offen ihr Judentum ausleben konnten. Denn nach dem 7. Oktober 2023 hat sich die Sicherheitslage für Jüdinnen und Juden noch mal drastisch verschärft. Und so gilt für jüdische Communitys hierzulande das Prinzip "Sicherheit vor Leichtigkeit".

Die fehlende Leichtigkeit verändert

Doch Sicherheit und die entsprechenden Maßnahmen kosten Geld. Als Konsequenz aus dem rechtsterroristischen Anschlag auf die Synagoge in Halle an der Saale am 9. Oktober 2019 sicherte die Bundesrepublik dem Zentralrat der Juden in Deutschland am 16. September 2020 einen Bundeszuschuss von 22 Millionen Euro für den Ausbau von Sicherheitsanlagen in allen Gemeinden zu.

Im vergangenen Jahr wurden außerdem die jährlichen Gelder für den Zentralrat auf 22 Millionen Euro erhöht. Diese Finanzmittel sollen neben dem Bau und Unterhalt der Jüdischen Akademie in Frankfurt dazu dienen, Synagogen und jüdische Einrichtungen effektiver gegen antisemitische Bedrohungen zu schützen. Der Schutz jüdischer Einrichtungen stellt die Gemeinden und die Polizei vor Herausforderungen, denn bei Angriffen auf Synagogen handelt es sich schließlich um eine Art deutschen Volkssports.

Die Vorfälle in Deutschland häufen sich

Zu Sukkot 2020 griff ein uniformierter Mann einen jüdischen Studenten vor der Hamburger Synagoge mit einem Spaten an. Der Angreifer trug ein aufgemaltes Hakenkreuz mit sich.

An Jom Kippur vor drei Jahren verhinderten die Sicherheitsbehörden einen islamistischen Anschlag auf die Synagoge in Hagen.

Im November 2022 kam es zu drei Angriffen auf jüdische Einrichtungen im Ruhrgebiet, die in Verbindungen zu den "Islamischen Revolutionsgarden" des Iran stehen sollen.

In der Silvesternacht 2023 verübte ein Rechtsextremist einen Brandanschlag auf die Synagoge im bayerischen Ermreuth.

Und eineinhalb Wochen nach dem 7. Oktober 2023 wurden zwei Molotowcocktails auf das Gemeindezentrum des Verein "Kol Adass Jisrael" in Berlin-Mitte geworfen. Laut der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus gab es im Jahr 2022 45 und im Jahr 2023 63 antisemitische Vorfälle, die sich gegen Synagogen richteten.

Das Vertrauen in den deutschen Staat wird erschüttert

Diese Angriffe auf die wenigen Orte, an denen Jüdinnen und Juden offen jüdisch sein können, verändern Menschen. Sie sollen einschüchtern, Ängste schüren und das Vertrauen in jenen Staat erschüttern, der den "Schutz jüdischen Lebens" zu seiner Staatsraison erklärt hat.

Überwachungskameras, Panzerglas, Polizei- und Sicherheitspersonal mit Schusswaffen mögen der Mehrheitsgesellschaft das Gefühl vermitteln, dass genug für die Sicherheit getan werde, aber oftmals sind antisemitische Bedrohungen nicht für alle sichtbar, wie beispielsweise die zahlreichen Drohschreiben. Ein Sprichwort sagt: "Freiheit stirbt mit Sicherheit". Würde ich dem folgen, sehe ich, wie es aktuell um die Freiheit von Jüdinnen und Juden in Deutschland bestellt ist.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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