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Katholisches Jugendmagazin in der Kritik: "Grenzt an Kindeswohlgefährdung"


Eklat um Kirchenmagazin
Die Grenzen der Nächstenliebe


01.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Bischof Bertram Meier (M.) beim Auszug aus dem Augsburger Dom (Archivbild): In dem Verlag des katholischen Würdenträgers erscheint das Jugendmagazin "You!".Vergrößern des Bildes
Bischof Bertram Meier (M.) beim Auszug aus dem Augsburger Dom (Archivbild): In dem Verlag des katholischen Würdenträgers erscheint das Jugendmagazin "You!". (Quelle: epd-bild/Annette Zoepf/imago-images-bilder)
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Neben Lebensweisheiten von Stars, Musik- und Büchertipps stehen im "You! Magazin" strittige Aussagen. Ein Artikel des Kirchenblatts über den Umgang mit Homosexuellen löst nachträglich heftige Reaktionen aus.

"Bist du auch gegen Schwule?" Groß prangt diese Frage als Überschrift auf einer Seite des katholischen Jugendmagazins "You!". Daneben gibt es Tipps für Podcasts und Musik, Interviews mit Stars, aber auch klar kirchliche geprägte Inhalte wie Empfehlungen zur Bibelstunde, Warnungen vor Pornografie und Erklärungen "warum wir Gott 'Vater' nennen".

"Bist du auch gegen Schwule?" – mit diesem Artikel hat das "You! Magazin" nach Ansicht vieler Nutzer in den sozialen Netzwerken eine Grenze überschritten.

Diskussionsleitfaden in Gottes Namen

In dem Artikel geben die Autoren des Magazins ihren jugendlichen Lesern "5 Antworten, die du in Diskussionen verwenden kannst". Es geht um kritische Fragen zum Umgang der Kirche mit Homosexualität.

Auf die Frage "Bist du auch gegen Schwule?" könnten die jungen Katholiken demnach sagen, dass man letztendlich immer für andere sei, als Christ aber der Ansicht, dass man so leben solle, wie Gott es vorgeschrieben habe.

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Dem Vorwurf, die Kirche würde Menschen aufgrund ihrer Sexualität diskriminieren, könnten sie damit entgegen, dass man "einem Freund" sagen könne, was man "für richtig" halte. Ist Homosexualität also nicht "richtig"?

Auf die Frage, ob man Homosexualität "als Krankheit" bezeichnen würde, gibt das "You! Magazin" die Antwort: "Ich würde es nicht als Krankheit bezeichnen." Statt der wissenschaftlichen Begründung, dass Homosexualität keine Krankheit ist, erklärt das Magazin: Sex sei angeblich nur zwischen Mann und Frau möglich und von Gott so vorgesehen – alles andere täte auch den Personen selbst, so die Autoren, nicht gut. Man solle stattdessen lieber im Zölibat leben, wenn man eine "homosexuelle Neigung" habe.

In den sozialen Medien sorgt der in der März/April-Ausgabe veröffentlichte Artikel für Aufregung: "Absoluter Witz. Da fragt man sich, wieso die Leute austreten", kritisiert ein Nutzer. "Und sowas wird von Steuergeldern finanziert", schreibt ein anderer. "Sowas sollte verboten werden", verlangt ein weiterer Nutzer. "Liebe deinen Nächsten. Außer, er ist schwul", führt ein anderer das zweite Gebot der Kirche fort.

"Das grenzt für mich an Kindeswohlgefährdung"

Miki Herrlein, Präventionsfachkraft (Gewalt gegen Kinder) und Mitglied der Initiative #outinchurch, hat nach eigenen Angaben bereits Dutzende der "You! Magazine" analysiert. Das Fazit: "Das ganze Magazin ist durchzogen von trans- und homofeindlichen Inhalten."

Es sei "perfide", in welcher Weise die Autoren und Autorinnen ihre "sexualitätsfeindlichen und rückwärtsgewandten Haltungen" einbringen würden, so Herrlein zu t-online. "Das ist nicht nur zutiefst diskriminierend, sondern auch gefährlich. Es ist hinlänglich bekannt, dass eine so sexualitätsfeindliche Haltung auch Missbrauch begünstigt", warnt Herrlein. Immer wieder melden sich in der Kirche Betroffene von sexualisierter Gewalt.

Unter der Initiative #outinchurch haben sich im Januar 2022 zunächst 125 Mitglieder der Kirche zu ihrer Sexualität, wie etwa Homo-, Bi- oder Transsexualität, bekannt. Seit dem verzeichnet die Initiative immer mehr Mitglieder, die sich "für eine Kirche ohne Angst" und für Gleichberechtigung einsetzen. .Mehr dazu lesen Sie hier

Der Chefredakteur des "You! Magazins", Michi Cech, wehrt sich gegenüber t-online gegen die Kritik. Man wolle zeigen, dass die Kirche nichts gegen Homosexuelle habe, "im Gegenteil". Man sei "überzeugt, dass die Lehre und Botschaft der Kirche Sinn macht und uns näher zu Gott bringt, wenn man sich ehrlich darauf einlässt", so Cech.

Als katholisches Jugendmagazin gehe es darum, was die Kirche sage und nicht um die eigene Meinung. Darum werde auch kein Autor genannt. "Dass unser Artikel in unserem kleinen Jugendmagazin solche Wellen schlägt, hätte ich übrigens nicht vermutet", so Chech.

Ob er die Kritik nachvollziehen kann? Es würde ihn zumindest interessieren, was an dem Text diskriminierend sein solle, so Chech. Auch sei er der Meinung, man solle mehr auf die "ehrliche Suche" gehen, "nach dem, wie Gott sich das Ganze gedacht hat".

In der Diözese Augsburg wurde zuletzt im Sommer 2020 dazu aufgerufen, das Magazin für den Religionsunterricht zu verwenden. Herrlein warnt jedoch davor: "Jugendliche, die queer sind oder gerade vielleicht im Zweifel mit ihrer sexuellen Identität sind, lesen diese sexualitätsfeindlichen Inhalte und nehmen das ungefiltert auf. Das grenzt für mich an Kindeswohlgefährdung."

Diözese Augsburg will Zusammenarbeit neu bewerten

Die Diözese Augsburg arbeitet mit dem Sankt Ulrich Verlag, von dem das Magazin verlegt wird und dessen alleiniger Gesellschafter der amtierende Bischof Bertram Meier ist, nach eigenen Angaben nur als Vertriebspartner zusammen. "Die Diözese ist weder über ihr Medienunternehmen Sankt Ulrich Verlag noch in anderer Form am 'You! Magazin' beteiligt", heißt es in einer Stellungnahme gegenüber t-online. Lediglich zwei "Augsburger Seiten" würden in dem Magazin, geschrieben durch das Bischöfliche Jugendamt der Diözese Augsburg (BJA), erscheinen.

Eine pauschale Einschätzung des Magazins wolle man hier nicht vornehmen. "Häufiger vorkommende Artikel etwa, die die Glaubenspraxis von jungen Prominenten vorstellen, welche in der Zielgruppe als Vorbilder wahrgenommen werden, sind durchaus hilfreich", sagt Diözesanjugendpfarrer und BJA-Leiter Tobias Wolf der "Augsburger Allgemeinen".

Den Artikel selbst kritisiert er jedoch: "Ich meine, es reicht nicht aus, Jugendlichen einfach 'hinzuknallen', was im Katechismus steht." Wichtig sei, so Wolf, dass jede und jeder Jugendliche zu sich selbst finde. Auf diesem Weg solle die Kirche sie begleiten. "Ich finde diesen Artikel nicht hilfreich, und ich kann mir vorstellen, dass er für Betroffene auch verletzend sein kann", so Wolf. In der BJA solle nun evaluiert werden, inwiefern die Zusammenarbeit mit dem Magazin weitergeführt werden solle.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Miki Herrlein, Präventionsfachkraft (Gewalt gegen Kinder) und Mitglied der Initiative #outinchurch
  • Anfrage an Chefredakteur des "You! Magazins" Michi Cech

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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