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Späte Corona-Impfung – warum sich Menschen erst jetzt impfen lassen


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"Selbst zahlen, wollte ich nicht"
Warum sich einige erst jetzt impfen lassen


08.09.2021Lesedauer: 5 Min.
Wenig los im Impfzentrum Dresden: Trotz aller Gefahren von Corona zögern weiter viele Deutsche, sich die Spritze geben zu lassen.Vergrößern des Bildes
Wenig los im Impfzentrum Dresden: Trotz aller Gefahren von Corona zögern weiter viele Deutsche, sich die Spritze geben zu lassen. (Quelle: Sebastian Kahnert/dpa)
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Wie schlimm der zweite Corona-Herbst wird, hängt auch davon ab, wie viele sich noch für eine Impfung entscheiden. Späte Impflinge berichten, warum sie es bisher nicht taten – aber jetzt doch.

Die Menschen, die sich in dieser Woche ihre erste Impfdosis abholen, zählen nicht zu denen, die es kaum abwarten konnten, endlich geimpft zu werden – nicht zu denen, die sich in Warteschleifen hängten oder Kontakte spielen ließen, um möglichst schnell vor einem schweren Verlauf der Covid-Erkrankung geschützt zu sein.

Obwohl sie auch schon vor einigen Wochen oder sogar Monaten hätten geimpft werden können, als die Priorisierung aufgehoben wurde, entscheiden sich viele Bürger erst jetzt für eine Corona-Impfung. 50.064 Personen waren es laut Robert Koch-Institut am Montag. Sie haben gezögert, gewartet, waren träge; wollten, mussten oder konnten nicht. Was hat sie nun dazu bewegt, sich doch impfen zu lassen? t-online hat einige von ihnen vor dem Impfzentrum Berlin-Tegel gefragt.

"Heute dachte ich: Keine Ausrede mehr!"

Antonia Just wollte sich schon längst impfen lassen, nur konnte sie bisher nicht. "Weil ich schwanger war", sagt die 29-Jährige. Nach der Geburt hat sie schnellstmöglich einen Impftermin vereinbart. Mit der dreiwöchigen Tochter auf dem Arm wartet ihr Mann vor dem Gebäude, während sie drinnen – "endlich" – die erste Spritze verabreicht bekommt.

Auch wer in den vergangenen Monaten infiziert war, konnte sich möglicherweise noch nicht impfen lassen. Ein mittelalter Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte, verweist auf diesen Grund. "Vor sechs Monaten war ich infiziert", sagt er, während er den Helmkoffer seines Rollers aufschließt. Er fiel deshalb in die Kategorie "Genesener".

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Doch auch in Berlin-Tegel gibt es jene, die sich bisher weigerten oder die zu träge waren. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) richtete sich am Sonntag explizit an Zögernde: "Jetzt im September entscheiden wir darüber, und zwar in Deutschland und Europa, wie sicher wir durch Herbst und Winter kommen."

"Das Angebot konnte ich nicht ablehnen"

Luka Schemberger ist einer von denen, die sich bisher weigerten. "Ich wollte mich eigentlich nicht impfen lassen", sagt der 28-Jährige. Die Impfstoffentwicklung sei ihm zu schnell gegangen und die Nachrichten von den neuen Varianten habe er auch nicht sehr ermutigend gefunden. "Was, wenn das gegen die neuen Varianten gar nicht hilft?", fragt er. Das Pflaster ziert nun trotzdem seinen Arm – aus einem konkreten Grund: "Letzte Woche habe ich die Zusage für einen Job in Peking bekommen", erklärt der Medientechniker. "Das Angebot konnte ich nicht ablehnen." Voraussetzung sei jedoch die Impfung. Jetzt drängt die Zeit: Schon in drei Wochen fliegt Luka nach China.

Auch Jenny wollte sich eigentlich nicht impfen lassen. "Ich habe keine Angst vor Corona", sagt die 31-Jährige, die ihren Nachnamen nicht öffentlich machen möchte. Aber jetzt sei der Druck zu hoch geworden. "Es ist wie ein Ausweis", sagt die Sozialhilfeempfängerin und meint damit den Nachweis einer Corona-Impfung. "Für alles, überall wo ich rein will, werde ich das zeigen müssen". Ein Vorfall sei für sie ausschlaggebend gewesen: Ihre Mutter sei vor kurzem mit einer schweren Allergie ins Krankenhaus eingeliefert worden. Für einen Besuch habe sie sich immer testen lassen müssen. "Das war auf Dauer viel zu anstrengend", sagt sie. Mit einer vollständigen Impfung brauche sie keinen Test mehr.

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"Bevor alle meine Freunde ohne mich feiern gehen"

Nochmals anders sieht es bei Olivia aus. Auch sie will ihren vollen Namen nicht nennen. Sie sei nie gegen die Corona-Impfung gewesen. "Ich hatte die letzten Wochen viel um die Ohren, deshalb hat es zuvor nicht geklappt", sagt die 53-Jährige. Heute sei ein Termin bei der Arbeit ausgefallen, deshalb sei sie spontan zum Impfen gefahren, ohne Termin. "Heute dachte ich: Keine Ausrede mehr!". Jetzt ist sie das erste Mal Corona-geimpft – und sichtlich froh darüber.

Dass man sie "erst jetzt" an einer Impfstelle antreffe, sei ihr sehr unangenehm, sagt eine 26-Jährige, die genau deshalb ihren Namen nicht nennen will. "Reine Faulheit", konstatiert sie sich selbst. Sie habe sich bisher einfach nicht aufraffen können. Dass jetzt die Berliner Clubs wieder öffneten und viele die 2G-Regel anwendeten – Türsteher also nur Geimpfte und Genesene durchlassen – habe ihr den "Motivationsschub" gegeben. "Ich dachte: Ich muss das jetzt machen – bevor alle meine Freunde ohne mich feiern gehen."

"Selbst zahlen, das wollte ich dann nicht"

Sanfter Druck dieser Art scheint Leute also zur Impfung zu bewegen. Dieser Eindruck bestätigt sich auch im Gespräch mit zahlreichen Menschen, die diese Woche im Impfzentrum Tegel nicht die erste, sondern bereits die zweite Corona-Impfung erhalten. So etwa Ludovic, der gerade zur Pflegefachkraft ausgebildet wird, und momentan in der Altenpflege arbeitet. Eigentlich habe er sich nicht impfen lassen wollen – sie testeten sich mehrmals die Woche auf der Arbeit. Doch Mitte August habe sein Arbeitgeber angekündigt, dass die Mitarbeiter die Tests ab Herbst selbst bezahlen müssten. Deshalb habe er sich direkt am 16. August das erste Mal impfen lassen. "Selbst zahlen, das wollte ich dann nicht", sagt der 27-Jährige.

Auch ein 14-Jähriger hat soeben seine zweite Impfung bekommen. Gemeinsam mit seiner Mutter wartet er auf den Bus am Impfzentrum. "Ich wollte bei ihm mit der Impfung noch warten", sagt die Mutter, "einfach aufgrund seines Alters". Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Impfung ab zwölf Jahren erst seit Mitte August. Ihr Sohn sei zur Zeit Schülerpraktikant in einem Marketingunternehmen. "Da hat der Arbeitgeber nahegelegt, dass es besser wäre, zu impfen. Deshalb haben wir das jetzt doch gemacht", sagt die Mutter. Sie selbst sei schon seit längerem vollständig geimpft. Und auch ihr Sohn taucht nun in der Impfstatistik auf.

Die beiden sind damit unter den rund 51,3 Millionen Menschen in Deutschland, die inzwischen laut Robert Koch-Institut vollständig geimpft sind – das sind 61,7 Prozent der Bevölkerung. 66 Prozent haben mindestens die erste Dosis erhalten. Experten gehen inzwischen davon aus, dass deutlich mehr als 85 Prozent Geimpfte für eine Herdenimmunität nötig wären.

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Spahn: Nur wenige lehnen Impfung ab

In Berlin-Tegel zeigt sich: Die Gründe, sich für oder gegen eine Corona-Impfung zu entscheiden, sind persönlich und ganz unterschiedlich. Auch nach der Impfung wollen einige nicht darüber sprechen. "Jetzt nicht" oder "Ach nein", heißt das dann, während Schritte beschleunigt werden. Das Thema ist gesellschaftlich und politisch aufgeladen – und deshalb für viele heikel.

Zuletzt hat sich die Impfkampagne in Deutschland verlangsamt, immer weniger Menschen ließen sich impfen. Das sehen viele Politiker und Experten als Problem. Denn wenn sich zu viele Menschen anstecken, droht den Krankenhäusern wieder eine starke Belastung und das Infektionsgeschehen könnte außer Kontrolle geraten. Umso mehr Menschen geimpft sind, desto schwerer wird dem Virus seine Verbreitung gemacht.

Gesundheitsminister Spahn beteuert, aus seiner Sicht gebe es nur eine "sehr geringe Zahl" von Menschen, die Impfungen grundsätzlich und hart ablehnten. "Die anderen können und wollen wir erreichen", so der CDU-Politiker. Mit Blick auf die steigenden Infektionszahlen sollte dieses Ziel wohl eher schnell erreicht werden.

Verwendete Quellen
  • Recherche vor dem Impfzentrum Berlin-Tegel
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