Zweite Welle Corona-Infektionen in Europa – WHO schlägt Alarm
Die befürchtete zweite Corona-Welle ist in einigen Ländern Europas schon Realität. Die Weltgesundheitsorganisation sieht in dem rapiden Anstieg der Infektionszahlen ein "Alarmsignal für uns alle".
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Anstieg der Corona-Infektionen in Europa als "alarmierend" bezeichnet. Die Entwicklung müsse ein "Alarmsignal für uns alle" sein, sagte WHO-Europadirektor Hans Kluge am Donnerstag in Kopenhagen. Mehrere europäische Länder verschärften im Kampf gegen eine zweite Welle ihre Maßnahmen. Im Nordosten Englands gelten ab Freitag strikte Ausgehregeln, in Österreich werden private Treffen wieder stark eingeschränkt. Frankreich verschärft die Corona-Maßnahmen in Lyon und Nizza.
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In Europa – wozu die WHO 53 Länder inklusive Russland zählt - wurden bisher fast fünf Millionen Corona-Fälle registriert. Mehr als 227.000 Menschen starben an den Folgen der Viruserkrankung. Täglich werden der WHO zufolge derzeit zwischen 40.000 und 50.000 neue Ansteckungen festgestellt.
"Treffen diese Entscheidungen nicht leichtfertig"
Am Freitag vergangener Woche wurde die bisher höchste Zahl von 54.000 Neu-Infektionen verzeichnet, was aber auch an einer Zunahme der Tests liegt.
Wegen der steigenden Corona-Zahlen dürfen sich die Menschen im Nordosten Englands ab Freitag nur noch zu Hause oder innerhalb ihrer "sozialen Blase" treffen, wie der britische Gesundheitsminister Matt Hancock ankündigte. Restaurants oder Cafés dürfen nur noch direkt am Tisch servieren, Bars und Kneipen müssen um 22 Uhr schließen – auch die beliebten Pubs in Städten wie Newcastle und Sunderland.
"Wir treffen diese Entscheidungen nicht leichtfertig", warb Hancock um Verständnis. "Aber alle Zahlen sagen, dass wir jetzt handeln müssen." Zuvor hatte bereits Regierungschef Boris Johnson erklärt, neue Einschränkungen seien "der einzige Weg, damit das Land Weihnachten genießen kann".
Beschränkungen in Österreich und Frankreich
Großbritannien ist mit fast 42.000 Toten das in Europa am stärksten vom Coronavirus betroffene Land. Zuletzt gingen die Infektionszahlen wieder nach oben. Am Montag waren bereits striktere Maßnahmen in ganz England in Kraft getreten, diese wurden für den Nordosten nun nochmals verschärft.
In Österreich sind bei privaten Feiern und Veranstaltungen in geschlossenen Räumen ab Montag nur noch zehn Teilnehmer erlaubt, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz ankündigte. In Restaurants müssen auch Gäste künftig eine Maske tragen. Erst an ihrem Tisch dürfen sie diese abnehmen. Auch auf Märkten und Messen im Freien soll ab Montag eine Maskenpflicht gelten.
Es handele sich "um Einschränkungen, die wehtun, aber notwendig sind, um einen zweiten Lockdown hoffentlich zu verhindern", sagte Kurz. Ein zweiter Lockdown hätte "katastrophale Folgen" und müsse unbedingt verhindert werden.
In Frankreich, wo die Infektionszahlen seit einigen Wochen stark ansteigen, sollen die Behörden in Lyon und Nizza bis Samstag über eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen entscheiden, wie Gesundheitsminister Olivier Véran in Paris sagte. Auch in Marseille und im Überseegebiet Guadeloupe müssten die Maßnahmen wahrscheinlich noch weiter verschärft werden.
"Große Gefahr" in Tschechien
Im Ballungsraum um Marseille an der Mittelmeerküste, der derzeit der größte französische Corona-Hotspot ist, waren die Auflagen erst am Montag verschärft worden. Unter anderem wurden Versammlungen und Besuche in Altenheimen eingeschränkt. Véran sagte, möglicherweise müssten in Marseille und Guadeloupe nun auch Bars geschlossen und öffentliche Versammlungen untersagt werden.
In Tschechien, das ebenfalls mit stark steigenden Infektionszahlen zu kämpfen hat, müssen Bars und Clubs künftig um Mitternacht schließen, wie Gesundheitsminister Adam Vojtech ankündigte. Studenten und Schüler ab elf Jahren müssen im Klassenraum zudem eine Maske tragen.
Tschechien meldete am Donnerstag 2.139 Neuinfektionen – fast so viele wie im Nachbarland Deutschland, das acht Mal so viele Einwohner hat. Die Behörden warnten, es bestehe eine "große Gefahr" für ein exponentielles Wachstum.
- Nachrichtenagentur afp