Angst vor zweiter Corona-Welle Nach neuem Ausbruch: Peking spricht von "Kriegszustand"
Pekings Behörden sind dazu aufgefordert worden, in den "Kriegszustand" zu gehen. So soll eine zweite Ausbruchswelle des Coronavirus verhindert werden. Nun ist eine großangelegte Test-Aktion geplant.
Nach dem größten Ausbruch des Coronavirus seit vielen Wochen in Peking geht die Angst vor einer neuen Welle von Infektionen um. Bei einem Krisentreffen wurden die Behörden der chinesischen Hauptstadt aufgefordert, in den "Kriegszustand" zu gehen, um einen zweiten Ausbruch der Lungenkrankheit Covid-19 zu verhindern. Dutzende neue Ansteckungen wurden seit Freitag auf einem riesigen Großmarkt festgestellt, über den der größte Teil der frischen Nahrungsmittel für die mehr als 20 Millionen Einwohner Pekings geliefert wird.
Epidemiologe: Virus ist anders als zuvor
Das neu entdeckte Virus ist nach einer vorläufigen Sequenzierung des Genstamms anders als der Typ, der das Land vorher heimgesucht hat, wie Zeng Guang, Epidemiologe des Gesundheitsamtes nach Angaben der "Global Times" vom Sonntag berichtete. Die Ergebnisse sollen mit Analysen aus anderen Länder verglichen werden, um die Herkunft zu ermitteln. Das Virus wurde bis zu einem Hackbrett auf dem Xinfadi-Großmarkt zurückverfolgt, auf dem importierter Lachs verarbeitet worden war. China importiert Lachs aus mehreren Ländern wie Norwegen, Chile, Australien, Kanada und von den Färöer-Inseln.
China hatte die Lungenkrankheit schon weitgehend im Griff. Die nationale Gesundheitskommission meldete aber allein am Samstag landesweit 57 bestätigte Infektionen. Es ist die höchste Zahl seit April. 36 wurden in Peking festgestellt, davon 27 in Verbindung mit dem Markt. Es ist geplant, rund 10.000 Händler und Mitarbeiter auf das Virus zu testen. Bei ersten 500 Tests wurden am Samstag schon 45 Infektionen entdeckt, die zunächst aber als asymptomatisch eingestuft wurden und damit nicht in der landesweiten Statistik aufgeführt werden.
Markt liefert Großteil Obst und Gemüse
Der Xinfadi-Markt im südwestlichen Stadtviertel Fengtai liefert rund 90 Prozent des Gemüses und Obsts der Hauptstadt. Er ist der größte in Peking und hat eine Fläche von 112 Hektar – umgerechnet rund 150 Fußballfelder. Nach der Schließung soll der Markt "gründlich" desinfiziert werden. Im Umfeld wurden elf Wohnviertel abgeriegelt sowie neun Kindergärten und Grundschulen zugemacht. Auch wurden sechs weitere Märkte geschlossen. Experten warnten, dass die Versorgung der Hauptstadt mit Lebensmitteln beeinträchtigt werden dürfte.
Seit Wochen meldet China täglich nur noch eine Handvoll Infektionen – meist unter heimkehrenden Chinesen aus dem Ausland. Insgesamt sind in China mehr als 83.000 Corona-Infektionen offiziell bestätigt. 4.634 Menschen starben. Nach dem neuen Ausbruch auf dem Markt wurden in Peking sofort wieder alle Vorsichtsmaßnahmen verschärft. Die Hauptstadt war schon seit Beginn der Pandemie in Wuhan in Zentralchina vor einem halben Jahr besonders geschützt und stärker als andere Städte vom Rest des Landes abgeschottet worden. Die Sicherheitsvorkehrungen waren gerade erst gelockert worden.
Erneuter Ausbruch ist "wichtiger Test"
Peking habe jetzt einen "wichtigen Test" im Kampf gegen die Lungenkrankheit zu bestehen – den größten seit einer Phase der Ruhe im Land, sagte der Epidemiologe Zeng Guang vom nationalen Gesundheitsamt der "Global Times". Tianjin und andere angrenzende Städte und Gemeinden in der Provinz Hebei sowie Stadtviertel der Hauptstadt forderten Bewohner auf, sich umgehend zum Corona-Test zu melden, wenn sie jüngst auf dem Xinfadi-Markt oder den sechs anderen geschlossenen Märkten in Peking waren.
Wie weit die Infektionen gehen, lässt sich noch schwer abschätzen. Unter den Infizierten ist auch der Fahrer eines Shuttle-Busses des Pekinger Flughafens. Er habe den Xinfadi-Großmarkt am 3. Juni besucht, sich danach unwohl gefühlt und am Freitag Fieber bekommen, so das Blatt. Er habe drei Krankenhäuser aufgesucht, bis bei ihm schließlich Covid-19 diagnostiziert worden sei.
Der Covid-19-Krisenstab der Hauptstadt kündigte an, die Kontrolle von Fracht und Reisenden bei der Einreise verschärfen zu wollen, um eine weitere Einschleppung des Virus zu verhindern. China vergibt seit März ohnehin keine normalen Visa mehr an Ausländer und beschränkt die Einreise heimkehrender Chinesen. Internationale Flüge sind sehr begrenzt. Auch werden Corona-Tests sowie 14 Tage Quarantäne verlangt.
Mehr Corona-Tests geplant
Jetzt sollen auch die Tests ausgeweitet werden. Peking hat 98 Labors, die eine Kapazität von mehr als 90.000 Tests pro Tag haben, berichtete ein Sprecher der städtischen Gesundheitskommission der "China Daily" zufolge. "Es wird genug sein, um den Bedarf zu decken." In der Elf-Millionen-Metropole Wuhan, wo das Virus Anfang Dezember erstmals entdeckt worden war, hatten die Behörden in der zweiten Maihälfte fast zehn Millionen Menschen getestet. Dabei waren nur noch 300 asymptomatische Fälle entdeckt worden.
Schon in Wuhan wurde ein Markt mit Meeresfrüchten, wo auch wilde Tiere verkauft worden waren, als möglicher Ursprung des Ausbruchs der Lungenkrankheit Covid-19 verdächtigt, die sich seither in der ganzen Welt ausbreitet. Mehr als sieben Millionen Infektionen sind weltweit gezählt worden, mehr als 400.000 Menschen sind gestorben.
- Nachrichtenagentur dpa