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Coronavirus-Pandemie: Wird "Festi Ramazan" in Dortmund stattfinden?


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"Festi Ramazan" in Dortmund
Faktencheck: Europas größtes Ramadan-Fest und das Virus


Aktualisiert am 08.04.2020Lesedauer: 5 Min.
100.000 Besucher waren nach Veranstalterangaben im vergangenen Jahr beim "Festi Ramazan". In diesem Jahr ist es abgesagt, aber die Aufregung darum war dennoch groß.Vergrößern des Bildes
100.000 Besucher waren nach Veranstalterangaben im vergangenen Jahr beim "Festi Ramazan". In diesem Jahr ist es abgesagt, aber die Aufregung darum war dennoch groß. (Quelle: Festi Ramazan)
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Ein großes Ramadan-Fest mitten in der Corona-Krise? Damit wird im Netz zu Unrecht Stimmung gegen Muslime gemacht. Der t-online.de-Faktencheck zum "Festi Ramazan", Muslimen in Deutschland und dem Coronavirus.

Ein Stand neben Stand mit Leckereien und Waren, Wiedersehen mit lange nicht gesehenen Bekannten, Tausende Menschen dicht beeinander – und das alles in Zeiten des Coronavirus. In sozialen Netzwerken und auf rechten Portalen dient das "Festi Ramazan" in Dortmund mit ursprünglich erwarteten 50.000 Besuchern als vermeintlicher Beleg für die falsche These, Muslime würden besser behandelt: Keine Osterfeiern, aber das Ramadan-Volksfest darf stattfinden?

Nein, darf es nicht.

Wenn am 24. April der Fastenmonat Ramadan beginnt, freuen sich Muslime in aller Welt auf den täglichen Sonnenuntergang: Mit Einbruch der Dunkelheit ist Fastenbrechen, bevorzugt in der Gemeinschaft gibt es vielfach regelrechte Festessen. Beim "Festi Ramazan" in der Dortmunder Westfalenhalle sollte es dafür bis zu 10.000 Sitzplätze und umfangreiches Programm geben. So stand es auch am Montag noch auf der Internetseite der Veranstaltung.

Diese Vorstellung ist in Zeiten von Kontaktsperre, Ausgangsbeschränkungen und geplanten Geisterspielen in den Bundesliga-Stadien absurd. Selbst in einer Facebook-Gruppe "Ärztliche Berufspolitik" wurde am Montag zum Teil empört diskutiert, wie es dazu kommen kann.

Absage kam schon am 19. März

Bereits seit drei Wochen weiß die Stadt Dortmund aber: Das Festival ist abgesagt. "Am 19. März hat uns der Veranstalter informiert", so ein Sprecher der Stadt auf Anfrage von t-online.de.

Die Erklärung der Veranstalter für die veraltete Internetseite ist kurios: Das Coronavirus sei schuld und habe auch den Dienstleister außer Gefecht gesetzt, der die Seite betreut. "Wir hätten aber vielleicht einen Zweizeiler an die Presse machen sollen", so Jasmin Sahin, Sprecherin des Festivals, zu t-online.de.

Auch Sahin hat mitbekommen, wie die volksfestartige Veranstaltung zum Symbol wurde, dass Muslime in der Corona-Krise vermeintlich mehr Rechte bekämen. "Es tut weh zu sehen, wie so etwas instrumentalisiert wird. Für uns hat Gesundheit natürlich höchste Priorität. Wenn wir mit der Absage einen Beitrag in Deutschland dazu leisten können, dann tun wir das natürlich." Die Veranstaltung solle ja auch zusammenbringen und nicht trennen, sie habe in der Vergangenheit Besucher aus allen Religionen angesprochen. Die Veranstalter haben nach eigenen Angaben selbst abgesagt, "um der Stadt Dortmund die Last der Entscheidung abzunehmen".

Veranstalter von Musikfestivals warten dagegen offenbar zum Teil darauf, dass Behörden Anweisungen zur Absage erteilen. "Tickets werden nach wie vor, allerdings in verminderter Frequenz, verkauft", sagte "Rock am Ring" und "Rock im Park"-Veranstalter Marek Lieberberg noch am 1. April einer Agentur. In Gruppen, in denen Empörung über das "Festi Ramazan" hochkochte, spielte das kaum eine Rolle.

"Zwei gefährliche Narrative"

Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat das gezielte Verbreiten der Falschmeldung vom Ramadan-Spektakel beobachtet. "Rechtsalternative Medien versuchen, auch zu Zeiten von Covid-19 weiter ihre rassistischen Verschwörungserzählungen zu setzen, so auch im Fall des Festi Ramazan".

Es gebe "zwei gefährliche Narrative": Damit solle suggeriert werden, dass entweder Muslime sich nicht an Gesetze halten müssen oder die Covid-19-Pandemie für weite Teile der Bevölkerung ungefährlich ist und nur dazu diene, Bürgerrechte einzuschränken. Natürlich müssten sich aber Muslime wie Christen an die Gesetze halten, um die Pandemie zu verlangsamen und einzudämmen, so die Stiftung.

"Festi Ramazan"-Sprecherin Sahin sagt, für viele potenzielle Besucher sei die Absage auch nicht überraschend, aber dennoch enttäuschend. Lamya Kaddor, t-online.de-Kolumnistin, Islamwissenschaftlerin und Religionspädagogin, ordnet das so ein: "Ramadan und das Fest des Fastenbrechens zum Abschluss sind eine Zeit, die für Muslime sehr mit Gemeinschaftsgefühl verbunden ist wie für Christen Ostern. Wenn das nicht möglich ist, wird das für viele sehr ungewohnt und hart."

Dazu kommt: Während im Christentum Gottesdienste ersatzweise mit einem Geistlichen aus dem leeren Gebetsraum gestreamt werden können, sehen hohe islamische Geistliche darin theologisch keine Alternative. "Muslime in Deutschland sind aber bisher nicht dadurch aufgefallen, dass sie sich den Regeln zum Infektionsschutz widersetzt haben", so Kaddor. Ihre Einschätzung: "Die allermeisten werden sich daran halten."

Muezzin-Ruf als Signal der Verbundenheit

Ein wichtiges Signal sei, dass Moscheen in Deutschland angesichts der Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen der Ruf des Muezzins erlaubt wurde. Das schaffe eine Verbindung, wenn der Besuch des eigentlich vorgeschriebenen Gebets schon nicht möglich ist. "Für viele Muslime ist es sehr schön und berührend, dass das nun in Deutschland möglich ist."

Was ein Zeichen des Zusammenhalts und des Trosts senden soll, führte aber auch dazu, dass sich etwa im Berliner Bezirk Neukölln eine rund 300-köpfige Gruppe Mitglieder einer Gemeinde vor der Moschee versammelte. Imam Mohamed Taha Sabri betonte danach gegenüber dem "Tagesspiegel", er habe nicht zum Gebet aufgerufen. Er bekräftigte, dass die Polizei Verstöße wie vor der Moschee bestrafen müsse. Bis auf weiteres soll der Ruf dort nicht mehr ertönen.

Eine katholische Kirchengemeinde in Berlin ist dagegen damit aufgefallen, dass im März der Priester Gottesdienst gefeiert und den Gläubigen die Hostie in den Mund gelegt hat. Die Gemeinde klagt mit dem Ziel, dass sie mit höchstens 50 namentlich registrierten Personen Gottesdienst feiern darf. Die deutsche Bischofskonferenz hat das kritisiert und spricht von einem "Alleingang".

Kaddor schließt nicht aus, dass in Deutschland manche Vertreter fundamentalistischer Strömungen im Islam Regeln zum Infektionsschutz gezielt verletzen könnten: "Es ist zu befürchten, dass solche Leute die Kontaktsperren nutzen könnten, um zu provozieren und dann mögliche islamfeindliche Reaktionen wieder auszuschlachten."

Hadsch steht vor der Absage

Dabei treffe auch der Koran Aussagen zum Schutz von Gebieten und Quarantäne-Maßnahmen, wie Ayman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Dies seien nicht nur weltlich richtige Maßnahmen: "Auch der islamische Glauben verlangt, sich nicht blind ins Verderben zu werfen."

Der Hadsch Ende Juli/Anfang August steht vor der Absage, die Pilgerfahrt nach Mekka mit jährlich mehr als zwei Millionen Teilnehmern aus aller Welt. Bei der Spanischen Grippe 1917/1918 mit mehreren Millionen Toten weltweit war daran festgehalten worden. Seit dem Jahr 629 musste sie dem Portal "Middle East Eye" zufolge fast 40 Mal abgesagt werden, im 19. Jahrhundert mehrfach wegen Pest und Cholera.

Kaddor stellt in der Corona-Krise eine "ungeahnte Flexibilität" bei konservativen Gelehrten in Deutschland fest, aber vor allem in Ländern der islamischen Welt. Es würde in eherne, Jahrhunderte alte Traditionen und religiöse Vorschriften eingegriffen. In Kuwait etwa haben die islamischen Behörden den Gebetsruf umgetextet – statt "Kommt zum Gebet [in die Moschee]" heißt es nun "Betet in euren Häusern".

Und auch nicht in der Westfalenhalle, wie jetzt auch klargestellt ist.

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