Tag der vermissten Kinder Wie in Deutschland nach vermissten Minderjährigen gesucht wird
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.7.000 Kinder gelten in Deutschland als vermisst. Während viele unversehrt nach Hause kommen, sind Entführungsopfer auf schnelles Handeln der Polizei angewiesen – und auf aufmerksame Bürger.
Der 25. Mai ist der internationale Tag der vermissten Kinder. In Deutschland wurden am Stichtag 1. April 2018 über 7.000 Kinder und Jugendliche vermisst. Die meisten kommen innerhalb eines Monats unversehrt zurück nach Hause. Etwa drei Prozent bleiben länger als ein Jahr verschwunden.
1. Wer ist in Deutschland für Vermisstenfälle zuständig?
Vermisstenanzeigen werden von der Polizei vor Ort bearbeitet. Die Beamten leiten eine Vermisstenfahndung ein, wenn eine Person ihr gewohntes Umfeld verlassen hat, der Aufenthaltsort unbekannt ist und eine Gefahr für Leib und Leben angenommen wird, sagt das Bundeskriminalamt auf Anfrage von t-online.de.
Bei Minderjährigen wird automatisch von einer Gefahrensituation ausgegangen, wenn ihr Aufenthaltsort nicht bekannt ist. Je nach Bewertung der Lage werden zum Teil groß angelegte Suchaktionen durchgeführt. Dafür werden zu den Beamten vor Ort Kräfte aus den Hundertschaften der Bereitschaftspolizei oder des Bundesgrenzschutzes hinzugezogen. Außerdem kommen die lokalen Rettungsdienste wie das Rote Kreuz, die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk zum Einsatz.
2. Wie organisieren andere Länder die Suche nach vermissten Minderjährigen?
Die USA gelten als Vorbild bei der Vermisstenfahndung. Schon in den 1990er-Jahren wurde dort das umfassende Informationssystem "Amber Alert" eingeführt, an das auf freiwilliger Basis sämtliche Radiostationen und andere Informationsdienstleister angeschlossen sind. Wird eine Amber-Meldung von einer Behörde abgesetzt, wird diese umgehend regional oder überregional ausgespielt. Ziel ist es, so schnell wie möglich Hinweise aus der Bevölkerung zu bekommen.
In Europa arbeiten unter anderem Frankreich, die Niederlande und Großbritannien mit ähnlichen Systemen. "In Deutschland läuft die Suche dezentral ab. Oft ist die Öffentlichkeitsfahndung der letzte Schritt", sagt Lars Bruhns, Vorstand der Initiative Vermisste Kinder.
3. Was macht die Initiative Vermisste Kinder?
Die Initiative unterstützt Angehörige und Polizei bei der Suche, indem sie die Fälle in Absprache mit den Beamten öffentlich macht: etwa in den sozialen Medien oder auf digitalen Anzeigetafeln, zum Beispiel in Bahnhöfen. Außerdem gibt es einen Messenger-Dienst, der angemeldete Personen über Vermisstenfahndungen informiert.
Ähnlich wie beim Amber Alert geht es darum, schnell an Hinweise aus der Bevölkerung zu kommen. Denn oft ist Zeugen gar nicht klar, dass sie etwas Bedeutendes beobachtet haben, das zum Auffinden der Vermissten beitragen kann. "Man muss sie aktiv ansprechen, ihnen bewusst machen, dass in ihrem Umfeld etwas passiert ist und sie helfen können."
4. Wie können die deutschen Behörden effektiver bei der Suche nach vermissten Kindern werden?
"Es krankt an der föderalen Struktur", sagt Bruhns, der sich seit vielen Jahren in der Initiative Vermisste Kinder engagiert. Er sieht den Bedarf einer zentralen Einheit, die Kenntnisse auf dem Gebiet bündelt. Denn den Polizisten in den Dienststellen fehle schlicht die Erfahrung. "Die Beamten sind heutzutage Generalisten. Heute haben sie es mit einem Autounfall zu tun, morgen mit einer Körperverletzung und dann vielleicht ein Mal in ihrer Laufbahn mit einem vermissten Kind."
Außerdem sei es wichtig, dass die Beamten über die Effektivität der Öffentlichkeitsfahndung informiert werden. Weiterhin plädiert Bruhns für ein schnelles Informationssystem, auf das alle Dienststellen einfach Zugriff haben.
5. Was können Eltern und Lehrer tun, um Kinder vor Entführungen zu schützen?
Die meisten Vermisstenfälle klären sich binnen weniger Tage auf, etwa drei Prozent der Kinder bleiben jedoch länger als ein Jahr verschwunden. Entführungen finden immer wieder statt. Deshalb gilt es, Kindern und Jugendlichen früh Selbstvertrauen zu geben. Zum Beispiel über die Teilnahme an Mannschaftssportarten oder Selbstverteidigungskursen, um die Wehrhaftigkeit zu trainieren.
Rollenspiele eignen sich, um den Umgang mit unangenehmen Situationen zu trainieren. So kann geübt werden, laut "Hauen Sie ab! Gehen Sie weg! Ich will das nicht" zu sagen. Damit macht das Kind im Ernstfall deutlich, dass es von einer ihm unbekannten Person belästigt wird.
Außerdem ist es wichtig, mit Kindern das Wählen des Notrufs zu üben. Die 112 ist dafür die geeignete Nummer, denn sie hat Priorität vor der 110. Wird ein Kind vermisst, kann ein schnell abgesetzter Notruf über Leben und Tod entscheiden. Denn Studien zeigen, dass in Entführungsfällen die ersten Stunden entscheidend sind. Danach schwinden die Chancen, die Kinder wohlbehalten befreien zu können.
- Eigene Recherche