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Sturmtief "Friederike" – Eine verheerende Orkan-Bilanz


Verheerende Orkan-Bilanz
"Die Bäume fallen um wie Streichhölzer"

dpa, Fabian Nitschmann

Aktualisiert am 19.01.2018Lesedauer: 4 Min.
Bäume und Äste liegen an einer ICE-Trasse: Sturm "Friederike" hat in Deutschland für Chaos gesorgt.Vergrößern des Bildes
Bäume und Äste liegen an einer ICE-Trasse: Sturm "Friederike" hat in Deutschland für Chaos gesorgt. (Quelle: Swen Pförtner/dpa)
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Erneut hat ein heftiger Sturm das öffentliche Leben in Deutschland durcheinander gewirbelt. Mehrere Tote und zahlreiche Verletzte sind zu beklagen. Die Schäden sind enorm.

Es ist kurz vor 11 Uhr, als die Bahn entscheidet, den Zugverkehr in Nordrhein-Westfalen einzustellen. "Due to storm" – aufgrund von Sturm – fährt hier vorerst kein Zug mehr. Im Laufe des Tages folgen auf dem rasanten Weg des Orkantiefs "Friederike" weitere Bundesländer – am Nachmittag gar der gesamte Fernverkehr. Immer mehr Reisende stranden in den Bahnhöfen. Ausgerechnet am elften Jahrestag des zerstörerischen Orkans "Kyrill" hat erneut ein schweres Unwetter Deutschland fest im Griff.

Am Donnerstagmorgen trifft "Friederike" zunächst auf Belgien und die Niederlande und sorgt dort für reichlich Chaos. Zahlreiche Bäume werden entwurzelt, eine Autofahrerin von einem umfallenden Baum erschlagen. In den Niederlanden sterben zwei Menschen durch umstürzende Bäume und abgebrochene Äste.

In einem Video auf Twitter ist zu sehen, wie Menschen in Amsterdam auf einem großen Platz regelrecht umgerissen werden und stürzen. Unweit der Käsestadt Gouda kommt es zu einem kuriosen Zugunfall, weil ein Trampolin auf die Gleise geweht wird. Glücklicherweise wird dabei niemand verletzt.

Mindestens sechs Tote in Deutschland

Wenig später erreicht der Orkan dann Nordrhein-Westfalen mit Wucht. Auf einem Campingplatz am Rhein bei Emmerich wird ein 59-Jähriger von einem Baum erschlagen. Am Nachmittag werden weitere Todesopfer aus Deutschland durch "Friederike" gemeldet. Bis zum Abend ist von mindestens sechs Menschen bekannt, dass sie in dem Orkan starben. Mindestens 41 Menschen wurden allein in NRW verletzt.

Auf zahlreichen Autobahnen und Landstraßen blockieren nicht nur umgestürzte Bäume den Verkehr sondern auch vom Wind umgeworfene Lastwagen. In der Düsseldorfer Fußgängerzone liegen Tische und Stühle in Haufen übereinander, auch Dutzende Fahrräder und manches Dixi-Klo hat der Wind kreuz und quer auf den Straßen verteilt. Die Stadt Köln sperrt das Gelände rund um den Dom teilweise und warnt vor Steinschlag. Insgesamt sind wenige Menschen auf den Straßen und Plätzen zu sehen.

Wer sich dann doch ins Freie wagt, muss sich teilweise an Straßenlaternen festhalten, um von den heftigen Sturmböen nicht mitgerissen zu werden. So postet der WDR ein Video von einer älteren Dame, die sich mit ihrem Koffer am Flughafen Weeze bei Düsseldorf durch die Böen kämpft - und nur mit Hilfe des Reporters die Flughafenhalle erreicht.

In Essen erzählt eine Postbotin, dass sie mitsamt Handwagen von einer Böe regelrecht angehoben und in ein Gebüsch geschleudert worden sei. Sie habe danach noch einige Firmenkunden angesteuert, dann aber beschlossen, sich besser in Sicherheit zu bringen.

Noch stärker als Orkan "Kyrill"

Während "Friederike" noch im Westen tobt, werden auf dem Brocken bereits Windgeschwindigkeiten von rund 100 Kilometern pro Stunde gemessen – und der Zugverkehr auf den Berg im Harz eingestellt. Am frühen Nachmittag sind es nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes dann mehr als 200 Stundenkilometer. Orkantief "Kyrill" war 2007 an gleicher Stelle knapp unter dieser Marke geblieben. Der Deutsche Wetterdienst spricht nun von einem "Orkan der Königsklasse". In Norddeutschland wird "Friederike" von teils heftigem Schneefall begleitet.

"Die Bäume fallen um wie Streichhölzer", sagt ein Sprecher des Lagezentrums in Goslar. Der gesamte Oberharz sei quasi unpassierbar. Im südlichen Niedersachsen sitzen etwa 250 Reisende seit dem frühen Nachmittag in einem ICE fest, der in einen umgestürzten Baum gefahren war. Die Passagiere sollten auf freier Strecke über Stege in einen anderen Zug umsteigen, der auf dem benachbarten Gleis halten soll.

Am Hauptbahnhof in Hannover werden gefrustete Fahrgäste von der Deutschen Bahn mit Heißgetränken, Salzgebäck und Weingummi versorgt. An den Informationsschaltern bilden sich lange Schlangen. Am Bahnhof in Essen sitzen zahlreiche Reisende geduldig auf den Treppen, stehen an Wänden und schauen auf ihre Handys. Alle paar Minuten ertönt eine Durchsage, dass nichts mehr geht und es auf den Bahnsteigen sehr gefährlich ist.

Frust und Verständnis auf Bahnhöfen

Die meisten haben Verständnis für die großflächige Einstellung des Zugverkehrs. "Da kann ja keiner was für. Es ist höhere Gewalt. Es ist besser, hier im Bahnhof zu stehen als auf freier Strecke", sagt ein 51-Jähriger. Genau das ist auch seit einiger Zeit die Taktik der Deutschen Bahn. Nicht einverstanden ist dagegen ein 48-Jähriger aus Oberhausen: "Soll man wegen ein bisschen stärkerem Wind nicht mehr arbeiten? Sicherheit geht vor, aber trotzdem - dass gar nichts mehr geht?"

Im ICE-Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe bauen am Abend Helfer eine Suppen- und Teeküche für gestrandete Reisende auf. Sogenannte Aufenthaltszüge stehen zum Aufwärmen und Übernachten bereit. Diese Wagen sind jedoch weitgehend leer. Mitarbeiter der Bahn mit Leuchtwesten stellen Fahrgemeinschaften für Taxifahrten in ferne Städte zusammen. "Ein Platz nach Duisburg ist noch frei!" Am Bahnhofsvorplatz machen Kassler Droschkenfahrer vermutlich das Geschäft des Jahres. Ein Mann fragt einen Fahrer nervös: "Fahren Sie heute noch nach Offenburg?"

Fabian (20) und Laura (20) sehen das Wetter deutlich gelassener - und können sich wie viele andere Schüler in ganz Deutschland über einen freien Tag freuen. Sie besuchen in Köln ein Berufskolleg, wohnen aber in Rheinland-Pfalz. Da kommen sie jetzt vorläufig nicht hin - was sie aber locker nehmen. "Allemal besser als Schule", meint Laura.

Vorläufig schulfrei haben vermutlich auch Grundschulkinder in Pößneck in Thüringen. "Friederike" hat das Dach ihrer Schule abgerissen. Zu dem Zeitpunkt sind noch Kinder im Gebäude. Sie kommen mit dem Schrecken davon. Das Dach des Schulgebäudes landet auf dem Schulhof.

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