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Zum journalistischen Leitbild von t-online.t-online deckt auf Hygiene-Hammer bei Podolskis Teuer-Döner
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Das Döner-Imperium des Fußballweltmeisters Lukas Podolski ist deutschlandweit auf Erfolgskurs. Wohl auch auf Kosten der Gäste. Recherchen von t-online decken die Zustände in den Filialen auf.
Wenn Lukas Podolski über das Leben spricht, dann klingt das, als würde er über Fußball sprechen. Dann geht es ums harte Arbeiten, ums "Malochen", darum, früh aufzustehen und mit Leidenschaft alles zu geben. Ums "Gas geben" für den Erfolg, der nicht von allein kommt.
"Prinz Poldi", wie sie ihn in seiner Heimat Köln nennen, ist damit schon während seiner Profikarriere das gelungen, woran viele Topfußballer scheitern: den Erfolg im Sport auch ins Berufsleben abseits des Platzes zu übertragen.
Die Marke Podolski
Klar: Deutscher Meister, Pokalsieger, Weltmeister, es sind die Titel, die ihm einen Ehrenplatz im deutschen Sport verschafft haben. Doch zur Popularität zählt immer auch Charisma. Mit Humor und Bodenständigkeit wurde Poldi zum Publikumsliebling – und daraus hat er ein Geschäft gemacht.
Podolski ist nicht nur zum Unternehmer, sondern zur Produktmarke geworden. Für Mode, für Eiscreme, für eine Fußballhalle – und vor allem für sein Döner-Imperium. Fast monatlich eröffnen mittlerweile neue Franchise-Filialen der Kette "Mangal x LP10". Tausende Fans stehen bei den Eröffnungsfeiern an. Nicht selten erscheint Podolski persönlich, um am Drehspieß zu stehen und Autogramme zu geben.
Der Preis der Expansion
Mittlerweile gibt es fast 50 Filialen, irgendwann soll die Kette international wachsen. Ein Laden in Rotterdam ist geplant. Jährlich setzt die Dönerschmiede Millionen um. Der Kurs: Expansion. Allerdings auf Kosten von Kunden, wie Recherchen von t-online nun erstmals zeigen.
In Filialen herrschten mitunter ekelerregende Zustände. Und Podolskis Kette war lange offenbar nicht willens oder in der Lage, sie zu beseitigen. Das geht aus Dutzenden Protokollen der zuständigen Lebensmittelkontrollbehörden hervor, die t-online vorliegen.
Es geht um Dreck, um Personal- und Raumhygiene, um Schädlingsbefall. Bei mehr als jedem zweiten der über 30 bis zum Sommer 2024 eröffneten Lokale stellten Kontrolleure im Laufe der Zeit Mängel bei den Hygienestandards fest. In zehn Filialen waren Mitarbeiter bei Kontrollen nicht geschult oder konnten es nicht belegen, fehlten Dokumente zum Eigenkontrollsystem oder wurden nicht aktuell gehalten. Eine Filiale wurde erst gar nicht bei der zuständigen Lebensmittelbehörde angemeldet.
Das Werbeversprechen
Dabei hat Podolski öffentlich immer Wert auf höchste Standards in seinen Läden gelegt. "Ich will den Döner nicht neu erfinden, aber die Zutaten müssen immer frisch und von hoher Qualität sein", wirbt der Kölner auf der Mangal-Webseite. Diese Qualität sollen sich Kunden etwas kosten lassen, fast acht Euro kostet mittlerweile ein Standard-Döner bei Mangal. "Ich glaube, der Döner ist sowieso noch viel zu billig. Der muss teurer sein", sagte Podolski Anfang 2024.
Das alles suggerierte: Hier wird ganz besonders auf das Produkt geachtet. Die Wirklichkeit dahinter sah lange Zeit anders aus. Das scheint auch der Geschäftsführung mittlerweile klar zu sein.
Das Eingeständnis
Als t-online im Sommer 2024 nach Monaten der Recherche immer mehr Dokumente über gravierende Verstöße gegen Hygiene- und Lebensmittelvorschriften in zahlreichen Filialen vorlagen, meldete sich ein Verantwortlicher der Lukndag GmbH per Mail. Dabei handelt es sich um das Unternehmen, über das Podolski und ein Geschäftspartner ihr Franchise betreiben. Vorschriftsmäßig hatten die Behörden die Betreiber der Dönerbuden über die Anträge auf Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes informiert – und die sahen sich offenbar zu einer Stellungnahme veranlasst.
Das Hygienekonzept sei weiterhin eine "Baustelle", schrieb der Sprecher der Geschäftsführung. "Aufgrund der sehr starken Expansion in den letzten Monaten ist unsere Aufmerksamkeit dabei aus dem Fokus geraten; dies spiegeln die Kontrollberichte wider." Und er gelobte Besserung: "Wir lernen aus unseren Fehlern." Mittlerweile sei seit Mai 2024 ein externes Unternehmen mit einem Hygienekonzept für alle Mangal-Filialen beauftragt. Zusätzlich sei ein renommierter Experte "ins Boot geholt" worden.
Die deutliche Warnung
Eine Woche später ging Podolski aber in die Offensive – mit einem Brief der Medienrechtskanzlei Schertz Bergmann an t-online. Vorsorglich warnte die Kanzlei im Auftrag von Podolski und seines Gastro-Unternehmens, dass Berichterstattung "nach derzeitigem Kenntnisstand eindeutig rechtswidrig wäre". Es sei davon auszugehen, dass die Recherchen "der Reputation meiner Mandantschaft lediglich Schaden zufügen sollen". Für ein Interview stand der Fußballweltmeister t-online nicht zur Verfügung.
Ein Grund für die unterschwellige Drohung und das Schweigen ihres prominenten Aushängeschilds könnte sein: Die Missstände reichen sehr viel weiter zurück, als die Geschäftsführung der Franchise-Kette einräumt.
Chlodwigplatz, Köln. Der "Döner to go" direkt am Ausgang der U-Bahn ist so unscheinbar, dass man ihn fast übersehen könnte. Einen Innenbereich mit Sitzmöglichkeiten gibt es nicht. Ein Mitarbeiter füllt den Kühlschrank nach. Ein anderer wischt etwas rabiat über die Theke, Zwiebelreste fliegen zurück in den Gastrobereich. Ein junges Pärchen bestellt zwei Döner zum Mitnehmen. Bezahlt wird an einem Automaten.
Die Filiale am Chlodwigplatz ist für die Kette ein symbolischer Ort: Hier verkaufte Podolski 2018 seinen ersten Döner. Zur Eröffnung und in den Tagen danach standen die Fans Schlange. Bis heute ist der Fußballweltmeister nahezu überpräsent: Serviert werden "Poldi's Sandwich", "Poldi's Weltmeisterteller", "Poldi's Pomm-Box", "Poldi's Ayran". Selbst auf den Servietten prangt sein Konterfei.
Von Beginn an legte die Filiale aber offenbar wenig Wert auf die Einhaltung von Hygienerichtlinien, wie aus Protokollen des Lebensmittel- und Verbraucherschutzamts Köln hervorgeht. Vor allem in den ersten beiden Jahren stellten die Lebensmittelkontrolleure gravierende Verstöße fest.
Bereits ein gutes Jahr nach Verkaufsstart, am 10. April 2019, stießen sie auf Missstände, die tief blicken ließen: Weder konnten die Betreiber ein Hygienekonzept nachweisen, noch für alle Mitarbeiter vorgeschriebene Gesundheitszeugnisse und Schulungen belegen. Der Fußboden: "verunreinigt". Mehrere Reinigungsgeräte: "erheblich verunreinigt". Das Untergestell der Arbeitstische: "verunreinigt". Offenbar rächten sich diese Versäumnisse.
Mäusebefall und "Kontaminationsgefahr"
Wieder ein Jahr später, im April 2020, bot sich den Lebensmittelkontrolleuren laut Protokoll ein verheerendes Bild. Sie stellten Mäusebefall fest, die Lebensmittel seien einer "Kontaminationsgefahr" ausgesetzt. Reinigungsmaßnahmen seien "mangelhaft". Am Handwaschbecken fehlten Warmwasser und Handwaschmittel.
Eine Woche später, 16. April 2020, Nachkontrolle: Offenbar hatte niemand etwas gegen die Mäuse im "Döner to go" unternommen, ebenso wenig wie gegen den Dreck – oder gegen die fehlende Dokumentation der Hygienemaßnahmen, wie aus den Behördenprotokollen hergeht.
- "Eine Reinigung der befallenen Stellen ist als gar nicht oder sehr ungenügend zu bewerten. Eine Bekämpfung [des Mäusebefalls] hat zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht stattgefunden."
- "Die Herstellungshygiene im Betrieb ist ebenfalls als mangelhaft zu bewerten. (Lebensmittelablagerungen älter als 48 Stunden in Boden und Eckbereichen). Eine unverzügliche Reinigung ggfs Desinfektion wird angeordnet."
- “Es konnte keinerlei Dokumentation vorgelegt werden (Belehrungen Infektionsschutzgesetz, Kühldokumentation, Reinigungsnachweis, Personalschulung, Schädlingsmonitoring)."
Zwar wurden zumindest diese Zustände offenbar abgestellt. Knapp drei Jahre lang wurden danach im "Döner to go" nur kleinere Verstöße bei Kontrollen verzeichnet. Im Januar 2024 aber ein erneuter Tiefschlag: Die Küche befinde sich "insgesamt in keinem guten hygienischen Zustand", mehr noch: "Für hygienisch einwandfreie Arbeitsabläufe" sei dort überhaupt nicht genug Arbeitsfläche vorhanden. Rohstoffe und Zutaten seien so gelagert worden, "dass eine Kontaminationsgefahr nicht ausgeschlossen werden kann".
Die einzige Kontrolle ohne Beanstandungen wurde im Mai 2024 durchgeführt. Podolskis erste Filiale steht beispielhaft für andere Läden der Kette, die in den Jahren danach an den Start gingen.
Die Kette. Dönerbude um Dönerbude eröffnete seit 2019 in Eigenregie oder ab 2023 als lizenzierter Betrieb. Einige davon wurden nie negativ auffällig, beispielsweise in Gummersbach, Pulheim, Bergheim, Bergisch Gladbach und Euskirchen. Auch an der Frankfurter Straße in Köln wurden nie Verstöße festgestellt. Lediglich kleinere Mängel gehen aus den Kontrollprotokollen zu den Filialen an der Weidengasse, an der Rösrather Straße und an der Kalker Hauptstraße hervor.
In einer Stellungnahme der Kette, die t-online kurz vor Veröffentlichung erreichte, heißt es: "Wir nehmen die Bereiche Hygiene und Lebensmittelsicherheit sehr ernst. Sie sind direkt bei der Geschäftsführung unseres Unternehmens verankert." Bereits 2022 seien für das Franchise-Konzept Systemstandards definiert worden. Sie seien für alle Mitarbeiter verbindlich. Das externe Unternehmen überwache seit Mai 2024 die Restaurants.
"Sollten dabei Abweichungen von unseren Systemstandards, die allen strengen Vorgaben der Behörden entsprechen, auftauchen, werden sie umgehend und kompromisslos beseitigt. Das gleiche gilt für die Einhaltung der verpflichtenden Schulungen und Trainings", heißt es in der Stellungnahme weiter. Noch im November seien spezialisierte Stellen geschaffen worden, um Franchise-Partner zu kontrollieren und anzuleiten.
Dass die nun offenbar rigiden Maßnahmen dringend notwendig wurden, offenbarten Stichproben der Behörden bis Mitte 2024 immer wieder. Protokolle der Kontrollen legen den Schluss nahe, dass die Umsetzung von Hygienerichtlinien in der Kette über lange Zeit vernachlässigt wurde, auch wenn sie sich im Jahr 2024 zu verbessern schien.
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Am Zülpicher Platz in Köln fanden sich neben anderen Verstößen bei drei Kontrollen im Jahr 2022 Rückstände in der Spülmaschine ("kleinste schwarze Punkte", "Reinigung nicht ausreichend"). In elf Filialen in Köln, Bonn, Koblenz, Bochum, Düsseldorf, Hürth und Essen wurden zeitweise Mängel an den Handwaschbecken festgestellt, fehlten Becken, Warmwasser oder Mittel für die hygienische Handreinigung.
Flächendeckende Verstöße
Bis Sommer 2024 fiel den Behörden mehr als die Hälfte der Filialen wegen Verstößen gegen Standards im Umgang mit Hygiene oder Lebensmitteln auf. Fast ein Drittel ließ Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Kontrollen ohne erforderliche Schulungen arbeiten, konnte sie zumindest nicht belegen oder hatte mangelhafte Eigenkontrollsysteme.
Versinnbildlicht wird die laxe Handhabe der Vorschriften durch eine Filiale am Heumarkt in Köln. Eröffnet wurde sie im Frühjahr 2023 – und danach laut Auskunft der Stadt Köln über ein Jahr lang nicht bei der Lebensmittelkontrollbehörde angemeldet, bis sich t-online bei der Stadt nach ihr erkundigte. Erst dann erfolgte Monate später eine Kontrolle, bei der kein Verstoß festgestellt wurde.
Das war bei weiteren Filialen anders. Eine war offenbar besonders problematisch.
Neusser Straße 217, Köln. Am Wahlsonntag ist das Ecklokal im Stadtteil Nippes gut besucht. Im Außenbereich sitzt eine Familie vor "Poldi's Weltmeistertellern" mit Fleisch, Pommes und Salat. Daneben machen drei Jugendliche Selfies mit ihren Dönern. Drinnen hat sich eine kleine Schlange gebildet. Etwas genervt drängelt sich der Fahrer eines Lieferdienstes hindurch. Flachbildschirme hängen an den Wänden. Ein Werbefilm der Kette flimmert in Dauerschleife. Mangal ist Marke. Mangal ist Podolski.
Eröffnet 2019 als zweite Filiale, ragt der Laden an der Ecke heraus: Nirgends wurde so oft kontrolliert, nirgends wurden mehr Verstöße festgestellt. Über Jahre herrschten Ekelzustände. Das zeichnete sich schon bei der ersten Kontrolle Anfang 2020 ab, die auf eine Beschwerde hin erfolgte. Gesundheitszeugnisse und andere Unterlagen für Beschäftigte lagen auch hier nicht vor. "Es fehlen Kenntnisse im Umgang mit leicht verderblichen Lebensmitteln", heißt es im Protokoll vom 13. Januar 2020.
Die Folgen des Laisser-faire
Das hatte Konsequenzen: "Diverse selbst hergestellte Saucen wurden in stark verunreinigten Eimern gelagert", hielten die Kontrolleure fest. Saucen und aufgeschlagenes Ei überstiegen weit die vorgeschriebenen Kühltemperaturen. Reste von Dönerspießen lagen im Tiefkühlraum neben Lebensmitteln, die noch verwendet werden sollten. Im Hof fand die Behörde Lebensmittel direkt neben Pfandflaschen und offenen Ayran-Bechern. Am Handwaschbecken fehlten Flüssigseife und Einmalhandtücher.
Mancher Verstoß tauchte bei Kontrollen jahrelang immer wieder auf, zum Beispiel die fehlenden Dokumentationen, fehlende Handwaschmittel, die zu hohen Kühltemperaturen und die unsachgemäße Handhabe der Lebensmittel. Eine ehemalige Personaltoilette inklusive Toilettentopf war zum Lagerraum umfunktioniert worden, der in den Protokollen als "chaotisch" und "mangelhaft" beschrieben wird. Kontrolleure fanden dort unter anderem "Lebensmittelbedarfsgegenstände" wie Zubehör für Dönerspieße.
"Ekelerregender Zustand"
Auch der womöglich schockierendste Befund in der Spülküche beschäftigte die Behörden fast jedes Mal: Anfang 2020 war die Spülmaschine "mit rotschmierigen und dunklen Belägen verunreinigt", im März 2022 "mit schwarzschimmelartigen Belägen". Im März 2023 war die gesamte Spülküche laut Protokoll "so stark verunreinigt, dass eine Grundreinigung aller Geräte und Oberflächen erforderlich war". Spülmaschine und Geschirrkorb seien mit "sehr starken, schimmelartigen und rotschmierigen Belägen" in einem "ekelerregenden Zustand". Im August 2023 bot sich in der Maschine dasselbe Bild. Auch eine Nachkontrolle eine Woche später kam zum selben Ergebnis – eine angeordnete Grundreinigung des Betriebs habe nicht stattgefunden.
Und die Kontrolleure stießen auf weitere Überraschungen: "Zum Zeitpunkt der Kontrolle ist beim Vorrücken der außer Betrieb gelegten Kühlmöglichkeit gegenüber der Brötchenstation ein Schadnager (Maus) unter die Holzverkleidung entwischt", heißt es im Protokoll. Immerhin: Eine Schädlingsbekämpfungsfirma wurde "nach Aufforderung kontaktiert" und übermittelte noch am selben Tag einen Bericht.
Hat Podolskis Kette die Filiale mittlerweile im Griff? Die letzte Verdachtskontrolle Anfang 2024 hält zumindest zur Spülküche keine Verstöße mehr fest. Flüssigseife und Einmalhandtücher am Handwaschbecken fehlten wieder einmal. Ob das von der Döner-Schmiede versprochene Hygienekonzept flächendeckend in den Filialen der Kette greift, dürften erst künftige Kontrollen zeigen.
- Eigene Recherchen