Kronzeuge im Fall Maddie "Er sagte: 'Sie hat ja nicht geschrien'"
Der wichtigste Kronzeuge im Fall der seit 2007 vermissten Maddie lebt seit Jahren versteckt. Nun äußert er sich erstmals öffentlich zu seinem Verhältnis zum Tatverdächtigen.
Jahrelang tappten die Ermittler im Fall der verschwundenen Britin Madeleine McCann im Dunkeln, dann bekamen sie 2017 einen entscheidenden Hinweis: Der deutsche Helge B. hatte sich mit einem Tipp gemeldet, der zum Tatverdächtigen Christian B. führen sollte. Inzwischen gilt der 52-jährige Hinweisgeber als Kronzeuge der Ermittler, lebt versteckt und wird vom Bundeskriminalamt von der Öffentlichkeit abgeschirmt – bis jetzt.
In einem Interview mit der "Bild"-Zeitung erklärte Helge B., dass er Christian B. in deutschen kriminellen Kreisen in Portugal kennengelernt habe. Als dieser dort mutmaßlich wegen eines Einbruchs inhaftiert war, sei Helge B. in dessen Wohnung eingebrochen und habe dort Videos entdeckt, die sexualisierte Gewalt zeigten. Darunter seien auch Aufnahmen einer Vergewaltigung einer älteren Britin gewesen, wegen derer Christian B. inzwischen angeklagt worden ist.
In einem Gespräch mit einem befreundeten Polizisten über die Funde habe dieser ihm jedoch abgeraten, die portugiesische Polizei zu informieren. Aus Angst davor, sich selbst zu belasten, behielt der Deutsche die Informationen demnach für sich.
Versehentliches Geständnis auf einem Festival
Bei einer zufälligen erneuten Begegnung mit Christian B. auf einem Festival im Jahr 2008 habe man sich dann über mögliche zukünftige Diebstähle in Portugal unterhalten. In diesem Kontext sei die Unterhaltung auch auf die im vorigen Jahr verschwundene Maddie gekommen. Helge B. habe sich verwundert gezeigt, dass das kleine Mädchen anscheinend spurlos habe verschwinden können. Der angetrunkene Christian B. habe daraufhin erklärt, "Sie hat ja nicht geschrien". Sein Gesprächspartner wertete dies laut eigener Aussage als versehentliches Geständnis – auch da Christian S. noch in der Nacht überstürzt das Festival verlassen habe.
Kurz darauf will Helge B. sich erstmals bei der speziell eingerichteten "Maddie-Hotline" der britischen Ermittler von Scotland Yard gemeldet haben. Von dort habe ihn jedoch niemand zurückgerufen. Anlässlich des zehnjährigen Verschwindens des Mädchens habe er sich im Jahr 2017 dann entschlossen, nochmals bei Scotland Yard anzurufen, die sich dann zurückgemeldet hätten.
Seine Aussage, die die Ermittler auf die Spur von Christian B. brachte, bereue er nicht, sagte Helge B. der "Bild". Es wäre ihm jedoch lieber gewesen, er hätte von der ganzen Sache nie erfahren, da er inzwischen ein sehr einsames Leben führe, so B. An seinen ehemaligen Bekannten gewandt sagte er: "Christian, ich hoffe, dass du nicht mit dieser Geschichte davonkommst. Mit dem, was du getan hast."
Verdächtiger sitzt derzeit Haft ab
Dass Christian B. Maddie tatsächlich entführte und umbrachte, ist jedoch bis heute nicht bewiesen. Es gibt viele Hinweise, aber die Beweiskette ist nicht geschlossen, und es gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Derzeit sitzt der Verdächtige in einem Gefängnis in Deutschland eine mehrjährige Haftstrafe für die Vergewaltigung einer 72-jährigen US-Amerikanerin im Jahr 2005 in Praia da Luz ab – dem Ort, wo auch die McCanns ihren Urlaub verbrachten.
Im Oktober vergangenen Jahres hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig Christian B. wegen fünf weiteren Taten angeklagt, die er zwischen Dezember 2000 und Juni 2017 in Portugal begangen haben soll. Es geht um mutmaßliche Vergewaltigung und um sexuellen Missbrauch. Hier lesen Sie mehr dazu.
Die damals dreijährige Madeleine aus Großbritannien verschwand am 3. Mai 2007 aus einem Ferienappartement im portugiesischen Praia da Luz. Die Eltern hatten Maddie und ihre beiden jüngeren Geschwister im Appartement gelassen, als sie in einem nahe gelegenen Restaurant mit Freunden zu Abend aßen. Es gibt immer wieder neue Ermittlungsansätze zu ihrem Verschwinden. Zuletzt hatte die portugiesische Polizei einen Stausee abgesucht.
- bild.de: "Der wichtigste Zeuge"