Mit einem achtseitigen Brief Burkhard Garweg meldet sich aus dem Untergrund
Der ehemalige RAF-Terrorist hat ein Lebenszeichen aus dem Untergrund geschickt. In einem achtseitigen Brief erklärt er sich.
Seit Jahren ermittelt die Polizei gegen die drei ehemaligen RAF-Terroristen Burkhard Garweg, Daniela Klette und Ernst-Volker Staub. Im Februar nahmen die Ermittler Daniela Klette in Berlin fest. Ihr gelang es gerade noch, Garweg per SMS zu warnen.
Seither hat die Polizei zwar zahlreiche Spuren des 56-Jährigen verfolgt. Aber er bleibt unentdeckt. Jetzt hat er sich gemeldet: Die "taz" berichtet, Garweg habe der Redaktion einen achtseitigen Brief geschrieben. Der Zeitung zufolge ist das Schreiben wohl authentisch. Auch Garwegs Anwälte hätten dies versichert.
"Grüße aus der Illegalität"
In dem Brief verrät der Ex-Terrorist laut "taz" nichts über seinen Aufenthaltsort oder eventuelle Unterstützer. Dafür schreibt er ausführlich über Politik.
"Grüße aus der Illegalität", beginnt der Brief, den die "taz" komplett veröffentlicht hat. Garweg richtet sich an Familie, Freunde und Verbündete sowie an "alle, die sich mit meiner und unserer Sicht auseinandersetzen wollen".
Er schimpft zunächst auf einen "zunehmend autoritär agierenden Staat" und auf Journalisten, die sich diesem bereitwillig als Hilfspolizisten andienen würden. Polizei und Medien würden mit dem Ziel lügen und hetzen, Klette, Garweg und Staub als gewöhnliche Kriminelle darzustellen.
Die Polizei ermittelt gegen das Trio, weil es nach Auflösung der RAF zahlreiche Raubüberfälle verübt haben soll, um das Leben im Untergrund zu finanzieren. Garweg streitet diese Vorwürfe nicht ab, schreibt aber: "Für uns ist es ausgeschlossen, für Geld Gewalt gegen Menschen auszuüben, die sie töten oder physisch verletzen könnte. Jegliche Traumatisierung von Angestellten von Kassenbüros oder Geldtransportern ist zu bedauern."
Versuchter Mord – oder nicht?
Laut Polizei haben die drei ehemaligen RAF-Mitglieder bei insgesamt 13 Überfällen 2,7 Millionen Euro erbeutet und die Überfallenen zumeist mit Schusswaffen oder Elektroschockern bedroht. Weil bei einem Überfall in Stuhr bei Bremen Schüsse fielen, ermittelt die Polizei wegen versuchten Mordes. Klettes Anwälte teilten allerdings mit, aus den Ermittlungsergebnissen gehe hervor, dass nicht gezielt auf den Fahrer des Geldtransporters geschossen worden sei.
In seinem Schreiben betont Garweg nun, indem die ehemaligen RAF-Terroristen als gewöhnliche Kriminelle dargestellt würden, solle "die Geschichte der Fundamental-Opposition" entpolitisiert werden. Er selbst sehe sich aber immer noch als Teil der "revolutionären Linken".
Weiter schreibt Garweg, der Kapitalismus sei "in eine umfassende und vielschichtige Krise geraten". Die für den Kapitalismus existenziell notwendigen Wachstumsmöglichkeiten würden mehr und mehr an Grenzen geraten. Die Folgen seien zunehmende Armut, betriebliche Massenentlassungen und der Abbau sozialstaatlicher Programme.
Von Corona bis Gaza
Ebenso thematisiert Garweg die Zerstörung der ökologischen Lebensbedingungen, Krieg und Armut, Corona, Asyl, Israel und Gaza – es ist ein ausführlicher Rundumschlag, der gezielt alle diejenigen adressiert, die aktuell auf die eine oder andere Weise Leid erfahren. Der 56-Jährige richtet sich unter anderem an Menschen, die sich die Miete für ihre Wohnung nicht mehr leisten können, an politische Aktivisten auf verschiedenen Feldern sowie an die "Zehntausenden oder mehr, die das alles nicht mehr aushalten, die sich in die Abhängigkeit harter Drogen flüchten oder es vorziehen, ihr Leben gleich selbst zu beenden". Über die Gewalt, die diesen Menschen angetan wird, müsse geredet werden.
Garwegs Brief endet mit einem Solidaritätsaufruf und einer Kampfansage. Ziel müsse die "Rekonstruktion von Handlungsfähigkeit einer antikapitalistischen, sozialrevolutionären und internationalistischen Linken" sein, um "eine befreite Gesellschaft aufzubauen".
Burkhard Garweg und seine Rolle in der RAF
Garweg soll der dritten und letzten Generation der RAF angehört haben, der noch zehn Morde zugerechnet werden und die sich 1998 auflöste. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm die Sprengung der JVA Weiterstadt in Hessen im Jahr 1993 vor, die er unter anderem zusammen mit Daniela Klette und Ernst-Volker Staub begangen haben soll. Es war der letzte Anschlag der RAF.
Nicht vorgeworfen wird ihm hingegen die Beteiligung an den letzten RAF-Morden, darunter Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen oder Treuhand-Chef Detlef Rohwedder. Bis heute ist unklar, wer diese Morde begangen hat.
Garweg lebt seit 34 Jahren im Untergrund, nach ihm wird international gefahndet. In Berlin lebte er bis zu Klettes Verhaftung im Februar unter dem Namen "Martin" auf einem Bauwagenplatz.
Bei dessen Bewohnern entschuldigt sich Garweg in seinem Brief. Er bedauere, dass er durch seine Illegalität gezwungen gewesen sei, seine wahre Identität zu verschweigen. Die Durchsuchungen auf dem Bauwagenplatz nach seiner Flucht habe er nie gewollt.
- taz.de: "Meldung aus dem Untergrund"
- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP