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Nius.de: So sehr ist Julian Reichelt auf Geld des Investors angewiesen


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Inside "Nius"
Die Millionen des verschwiegenen Geldgebers


Aktualisiert am 07.10.2024Lesedauer: 7 Min.
Ex-"Bild"-Chef Julian Reichelt (l.) und der "Nius"-Investor: Frank Gotthardt steckte Millionen in den Sender – während sein Vermögen rasant schrumpft.Vergrößern des Bildes
Ex-"Bild"-Chef Julian Reichelt (l.) und der "Nius"-Investor: Frank Gotthardt steckte Millionen in den Sender – während sein Vermögen rasant schrumpft. (Quelle: Eduard Bopp, epd/Montage: t-online/imago-images-bilder)
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Das Internetportal "Nius" von Ex-"Bild"-Chef Julian Reichelt drängt auf den Fernsehmarkt. Recherchen zeigen, wie sehr das Unterfangen auf seinen reichen Investor angewiesen ist. Und wie es aussehen kann, wenn er die Lust verliert.

Es ist ein einfaches Themenprogramm, mit dem Ex-"Bild"-Chef Julian Reichelt nach seinem Aus beim Axel-Springer-Verlag seit rund anderthalb Jahren zurück ins Scheinwerferlicht drängt: Das Land befinde sich am Abgrund. Ausländer bedrohten die deutsche Idylle. Die Grünen seien schuld. Die CDU sei zu links. Politische Meinungsmache ist der Kern des Onlinemediums "Nius", das Reichelt seitdem verantwortet. Mittlerweile hat "Nius" eine bundesweite Fernsehlizenz und weitere Expansionspläne.

Möglich gemacht hat all das, wie t-online vielfach berichtete, der Multimillionär Frank Gotthardt. Nach längerer Geheimniskrämerei steht er inzwischen selbst dazu und räumte vor wenigen Monaten in einem raren Interview ideologische Motive für die Finanzierung des Senders ein. Im Dunkeln blieb dabei aber bislang, wie sehr "Nius" tatsächlich auf Gotthardt angewiesen ist. Einen Unternehmer, dessen Vermögen in den vergangenen Monaten um Hunderte Millionen Euro geschrumpft ist.

Muss Gotthardt bald den Gürtel enger schnallen?

t-online liegen belastbare Informationen zum Investment vor: Geschäftliche Unterlagen des Unternehmenskonstrukts zeigen, dass Gotthardt "Nius" komplett in der Hand hält – und schon jetzt viele Millionen investiert hat, auf deren Rückzahlung er nach wie vor hofft. Zeitgleich zeigt sich in Gotthardts Heimat, wie es offenbar aussieht, wenn er die Lust an einem Geschäftsvorhaben verliert: Seine regionalen Fernsehsender werden radikal zurückgebaut.

Denn der Unternehmer hat in Rheinland-Pfalz Erfahrungen gesammelt, mit Bewegtbildern Meinung und schlechte Geschäfte zu machen. Dort übernahm er 2014 ein Unternehmen mit Regionalsendern und steckte Geld hinein, um sie weiter auszubauen. Nun, zehn Jahre später, wird gespart bei der DRF Deutschland Fernsehen Produktions GmbH & Co. KG, die Gotthardts Regionalfernsehen für TV Mittelrhein und WWTV produziert. Die hochtrabenden Pläne haben sich nicht erfüllt.

Ein Schicksal, das auf lange Sicht auch der Vius SE & Co. KGaA drohen könnte, der Firma, die unter Reichelt "Nius TV" in der deutschen Hauptstadt produziert. Branchenkenner sehen dort hohe Kosten und kaum erkennbare Einnahmen. Und die Bereitschaft zu Verlustgeschäften könnte bei dem Mann schwinden, der bisher in den Medien als "Milliardär" bezeichnet wird: Gotthardt ist kein Milliardär mehr.

Ein Minus von 900 Millionen

Das Vermögen, das der Informatiker vor allem mit der CompuGroup Medical und dort mit Software gemacht hat, ist zusammengeschmolzen. Der Aktienkurs des Unternehmens ist in einem Jahr um mehr als 60 Prozent abgestürzt, Gotthards Vermögen laut Schätzungen des "Manager Magazin" von 1,4 Milliarden auf 500 Millionen Euro geschrumpft. Er findet sich noch auf Platz 432 der reichsten Deutschen.

Der Unternehmer gönnt sich dabei teure Hobbys. Sein Fernseh-Engagement in Rheinland-Pfalz hat Millionen verschlungen. 25 Millionen hat er über die Jahre seinem Eishockeyklub Kölner Haie zukommen lassen, schätzt der "Kölner Stadt-Anzeiger". Nicht zu sprechen von seinen zahlreichen Oldtimern. Fiele dabei ein Hobby-Sender in Berlin weiter ins Gewicht?

Mindestens zehn Millionen für "Nius", eher mehr

Die ersten Millionen waren jedenfalls schon weg, lange bevor "Nius" seinen ersten Beitrag veröffentlichte: Das sehr kurze erste Geschäftsjahr 2022 schloss die Ende September 2022 gegründete Vius mit einem Fehlbetrag von 2,6 Millionen Euro ab, die Verbindlichkeiten lagen nach drei Monaten bei 5,2 Millionen Euro. "Nius" mit seiner heutigen Besetzung ging erst im Juli 2023 an den Start.

t-online vorliegende Handelsregisterunterlagen zeigen: Wenige Monate danach schoss Gotthardt 9,4 Millionen in die Kapitalrücklage der Vius SE & Co. KGaA zu. Insgesamt dürfte er inzwischen sogar noch deutlich mehr Geld investiert haben. Die "Zeit" will aus seinem Umfeld erfahren haben, dass er mittlerweile 50 Millionen Euro in das Portal gesteckt hat. Der nächste Jahresabschluss könnte Aufschluss geben. Seine Firma könnte weitere Zahlungen in die Rücklage geleistet oder Darlehen gegeben haben.

Einstieg in Österreich

Und für sein Geld bekommt Gotthardt auch etwas: Während seinen Koblenzer Sendern gerade das Festnetztelefon abgestellt wurde, ist für den Sendebetrieb von "Nius" ein Studio in Berlin-Kreuzberg mit modernster Fernsehtechnik ausgestattet worden. Für Interviews reist regelmäßig mindestens ein professioneller Dienstleister mit, der etwa auch Live-Formate für Robert Habecks Wirtschaftsministerium organisiert. Das Portal konnte Mitarbeiter anwerben, die zuvor bei der "Bild" und in einem Fall bei der "NZZ" auf der Gehaltsliste gestanden hatten. "Nius wächst und wächst", twittert Reichelt.

Mittlerweile zeigt sich das auch in Beteiligungen und Übernahmen: Im April wurde Julian Reichelts Rome Medien GmbH übernommen, die ursprünglich als Dienstleister das YouTube-Format "Achtung Reichelt" produzierte. Außerdem stieg Vius beim österreichischen "Exxpress" ein.

Das für Betrieb und Expansion notwendige Geld schob Gotthardt als Zuzahlung im Rahmen einer Kapitalerhöhung nach – die sicherte ihm zeitgleich auch einen noch höheren Anteil an dem Unternehmen. Als die Vius SE & Co. KGaA im September 2022 gegründet wurde, bestand sie aus einem Grundkapital von 400.000 Aktien. Gotthardt gab kleinere Pakete an Reichelt und andere Partner weiter. Ein Jahr später folgte die Kapitalerhöhung. Es wurden fast 200.000 neue Aktien ausgegeben, die komplett an eine Gotthardt-Firma gingen und damit verbunden waren, dass er die Rücklage auffüllt.

Koblenzer Medienmanager für Gotthardt Allzweckwaffe

Nun gehört die Vius zu rund 87 Prozent Gotthardts Firma GT4 Software und Beteiligung GmbH, zu 8,7 Prozent Reichelt, zu 1,7 Prozent einem früheren ProSieben-Manager. Beteiligt ist mit 2,8 Prozent zudem auch Gotthardts langjähriger Vertrauter Christian Opitz, der 2005 schon Senderchef bei TV Mittelrhein war. Heute ist er in Koblenz Geschäftsführer von Gotthardts GT Medien und in Berlin geschäftsführender Direktor von Gotthards Vius Management. Frisch im Amt ist er außerdem als Geschäftsführer in Wien – bei der neuen Vius-Beteiligung "Exxpress" gemeinsam mit Vera Regensburger. Die ist wiederum eine enge Vertraute von Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz.

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Geld sehen wird bei den Vius-Aktionären allerdings einer Vereinbarung zufolge absehbar nur einer. Sollte Vius einmal Gewinn erzielen, dann fließt er an Gotthardt – bis die zuletzt nachgeschossenen 9,4 Millionen Euro zuzüglich sechs Prozent Zinsen ausgeglichen sind. Das ist eine durchaus übliche Regelung für Investoren und eine gängige Verzinsung bei Start-ups. Es legt aber auch nahe, wie sehr das Unternehmen von dem Großinvestor abhängig ist.

Die Kontrolle hat Gotthardt nicht nur wegen seiner Mehrheit von 87 Prozent Anteilen an der Vius SE & Co. KGaA. Das Geschäft dieser Firma, die Nius TV produziert, wird von der Vius Management SE als Komplementärgesellschaft gesteuert. Und diese Firma ist zu 100 Prozent in Gotthardts Hand. Das gesellschaftsrechtliche Konstrukt ist für Familienunternehmen tauglich, die sich dauerhaft den Einfluss sichern wollen, unabhängig von möglichen Fremdinvestoren.

Und Gotthardt geht es bei Nius TV allenfalls zusätzlich ums Geschäft. In seinem bisher einzigen Interview dazu sagte er einer regionalen Podcasterin: Es gebe eine unternehmerische Komponente, vor allem aber gehe es ihm um Politik. Aus "staatsbürgerlicher Verantwortung" habe er etwas tun müssen angesichts der "Übermacht der Medien, die eher links zu verorten sind". Er glaube, das "Vakuum" ermögliche es, in der sonst so umkämpften Medienwelt als Newcomer einzusteigen. "Ob das jetzt erfolgreich ist, wird die Zukunft zeigen."

Schwieriges Umfeld für Anzeigen

Seit dem 16. April strahlt Nius TV täglich eine einstündige "Morning Show" über die Homepage und YouTube aus. Bald sollen es laut Sendelizenz zwei Stunden insgesamt werden – wie früher bei Gotthardts Regionalsendern. Für die Programmzulassung musste der Sender einen Fünf-Jahre-Wirtschaftsplan vorlegen, wonach das Unterfangen nicht dauerhaft ein Fass ohne Boden ist. Doch Branchenbeobachter rätseln bislang, wie das Geschäftsmodell erfolgreich werden soll.

Unstrittig ist: Werbung ist zentral für die Finanzierung der meisten Onlinemedien. Sehr polarisierende Inhalte gelten als schwer vermarktbar. Die Inhalte der "Nius"-Medien sind deswegen ein Problem für potenzielle Kunden und damit für das Geschäftsmodell. Einzelne Unternehmen haben bereits erklärt, die Seite für Werbung sperren zu lassen, nachdem ihre Anzeige dort automatisiert erschienen war.

Schließlich gibt es regelmäßig öffentliche Empörung über die einseitige Stimmungsmache bei "Nius", die immer wieder Fakten auslässt. Die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg hat bereits einen Verstoß gegen journalistische Sorgfaltspflichten festgestellt. Und der Sound des Portals hat auch prominente Zugpferde abgeschreckt.

Ein geplantes Sendeformat mit Kolumnist Jan Fleischhauer platzte. Er erklärte, der Journalismus auf dem Portal, das "sehr düster, sehr aggressiv" sei, vertrage sich nicht mit seiner Vorstellung von Journalismus. Laut "Zeit" winkten schließlich auch Comedian Oliver Pocher, Verona Pooth und Sportmoderator Kai Ebel ab.

Eine andere Einnahmemöglichkeit ist mit "Nius+" ein Abo-Modell, das bisher noch wenig Mehrwert bietet. Ohnehin haben es Abo-Modelle von Onlinemedien traditionell schwer. Nutzer können "Nius" auch ohne Gegenleistung mit einmaligen oder monatlichen Beiträgen unterstützen, um "den Journalismus in Deutschland zu verändern", wie es in der Eigenwerbung heißt.

In Koblenz verändert sich Gotthardts Journalismus derweil in Richtung Unsichtbarkeit. 20 Minuten Programm am Tag werden von Gotthardts Sendern noch produziert.

Kündigungswellle bei Regiosendern

Ende Juli gab es dort nach t-online-Informationen eine neue Kündigungswelle, nicht einmal mehr zehn Mitarbeiter sind für Redaktion, Technik und Anzeigen angestellt. Ehemalige rätselten im Gespräch mit t-online, wie mit der Minimalbesetzung noch Programm gemacht wird. Bereits im April 2023 war eine Reihe von prägenden Gesichtern vom Schirm gegangen.

Im Juni 2014 war Gotthardt ins regionale Fernsehgeschäft eingestiegen, 2016 hatte er die übernommene und umfirmierte Gesellschaft mit einer seiner anderen Firmen verschmolzen. Fernsehen lief nun unter dem Dach einer neuen Firma.

Zwei Stunden Programm hatten sie 2018 erstellt – so viel, wie Nius TV bald ausstrahlen soll. Das Unternehmen verzeichnete in dem Jahr aber auch bei 8,7 Millionen Euro
Bilanzsumme einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Jahresfehlbetrag von 8,2 Millionen Euro, die voll zulasten des Gesellschafters gingen, damals zu 95 Prozent in Gotthardt-Hand. Inzwischen sind es 100 Prozent.

Gotthardts Fernsehen aus Rheinland-Pfalz fiel überregional vor allem damit auf, dass die "Süddeutsche Zeitung" dort Propagandaprogramm aus China entdeckte und der inzwischen verstorbene CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs als Moderator andere Politiker wie Jens Spahn oder Ursula von der Leyen interviewen konnte. Fuchs saß bis zu seinem Tod Ende 2022 auch im Aufsichtsrat der CompuGroup.

Fragen haben weder Gotthardts Berliner Vius und "Nius" noch seine Koblenzer Sender beantwortet. Etwas tat sich aber doch: Nach der Anfrage verschwand die tote Festnetznummer aus dem Impressum, und es wurde eine Handynummer eingefügt. Auch der Wikipedia-Eintrag wurde überarbeitet. Es gab dort Sendungen zu löschen, die gar nicht mehr im Programm sind.

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