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Untergang vor Sizilien: Eine Party wird zum Alptraum


Schiffsunglück
Untergang vor Sizilien: Eine Party wird zum Alptraum

Von dpa
Aktualisiert am 20.08.2024Lesedauer: 4 Min.
Mike LynchVergrößern des Bildes
Mike Lynch galt Boulevardmedien als "britischer Bill Gates". (Archivbild) (Quelle: Yui Mok/PA Wire/dpa/dpa-bilder)
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Eine Luxusjacht sinkt vor Sizilien in einem Sturm, Überlebende schildern dramatische Szenen. Unter den Vermissten sind auch der "britische Bill Gates" und seine 18-jährige Tochter.

Es sollte das "zweite Leben" von Mike Lynch werden. "Die Frage ist: Was stellt man damit an?", hatte der britische Tech-Unternehmer nach seinem völlig überraschenden Freispruch in einem Betrugsprozess in den USA sinniert. Nun wird Mike Lynch vermisst: Der 59-Jährige war an Bord der Luxusjacht "Bayesian", die in einem Sturm vor Sizilien sank.

Taucher suchen in rund 50 Metern Tiefe auch nach seiner 18-jährigen Tochter Hannah sowie nach vier weiteren Menschen, zwei Ehepaaren. 15 Passagiere wurden gerettet und eine Leiche gefunden, es soll sich um den Bordkoch handeln.

Überlebende berichten von dramatischen Szenen. "Im Wasser konnte ich meine Augen nicht offen halten. Ich rief um Hilfe, aber ich hörte nur die Schreie der anderen", erzählt eine Neuseeländerin namens Charlotte. Sie arbeitet für eine Kanzlei, die Lynch im Prozess vertreten hatte. Mit ihr an Bord war ihre einjährige Tochter: "Ich hielt sie mit all meiner Kraft über Wasser, streckte meine Arme nach oben, damit sie nicht ertrank."

Die britische Boulevardzeitung "Daily Mirror" titelte: "Heldenmutter rettet Baby aus Meereshölle." Auch der Partner der Frau überlebte, ebenso Lynchs Ehefrau. An Bord der "Bayesian" waren insgesamt 22 Menschen, zwölf Gäste und zehn Beschäftigte.

Der britische Botschafter in Italien, Ed Llewellyn, traf sich mit Überlebenden. Man tue alles, um sie in dieser "unglaublich traurigen und schwierigen Situation zu unterstützen und ihnen mit Kontakten zu den italienischen Behörden auf praktischer Ebene zu helfen", sagt er.

Lynch wurde in den USA freigesprochen

Lynch wird von Boulevardmedien in seiner Heimat als "britischer Bill Gates" bezeichnet. Er ist Mitgründer der Softwarefirma Autonomy, die 2011 für elf Milliarden US-Dollar (aktuell 9,94 Mrd Euro) an den US-Konzern Hewlett Packard verkauft wurde. Um diesen Deal drehte sich der Prozess in San Francisco.

Der Autonomy-Kauf gilt als eines der schlimmsten Übernahme-Debakel im Silicon Valley. Lynch und der frühere Finanz-Manager Steve Chamberlain - der ausgerechnet wenige Tage vor dem Schiffsunglück beim Joggen tödlich von einem Auto erfasst wurde - sollen Hewlett-Packard über den finanziellen Zustand des Unternehmens getäuscht haben. Doch die Geschworenen sahen es anders - und entschieden überraschend auf Freispruch.

Freunde und Unterstützer eingeladen

Lynch wollte offenbar seinen Prozesserfolg auf der Jacht feiern. Er lud Freunde und Unterstützer auf die "Bayesian" ein. Bei den Vermissten handelt es sich laut BBC um einen Finanz-Manager, der für Lynch aussagte, und einen Anwalt sowie deren Partnerinnen. Der Chef des Spezialversicherers Hiscox bestätigte, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Jonathan Bloomer und dessen Frau vermisst würden.

Der Schiffsname würdigt den britischen Mathematiker Thomas Bayes (1701-1761), den Lynch in der Vergangenheit gelobt hatte. Die sogenannte Bayessche Inferenz gilt als Basis für die moderne Künstliche Intelligenz und die Computeranalyse.

Aber was als Party auf der Luxusjacht vor der malerischen Küste Siziliens begann, endete dramatisch. Das gewaltige Schiff lag in der Nacht zum Montag eine halbe Seemeile vor dem Hafen von Porticello vor Anker. Am frühen Morgen wurde die Nordküste Siziliens von einem schweren Unwetter mit starkem Wind heimgesucht. Ein sogenannter Wassertornado erfasste das Schiff. Bei diesem Wetterphänomen entstehen starke Bodenwirbel. Als die Wasserhose das Schiff erfasste, brach der 75 Meter hohe Mast.

Es ist unklar, wieso das Schiff bei den schwierigen Wetterverhältnissen eine halbe Seemeile vor der Küste vor Anker lag. "Wir haben es nicht kommen sehen", zitiert die Zeitung "La Repubblica" den Kapitän der "Bayesian". Er wird ebenfalls im Krankenhaus behandelt.

"Es ging alles sehr schnell"

Nach ersten Erkenntnissen der Behörde kenterte das Schiff unmittelbar danach. Offenkundig so schnell, dass sich nicht alle Passagiere aus ihren Kabinen im Unterdeck befreien konnten. Der deutsche Kapitän eines Schiffs in der Nähe, das den Überlebenden zu Hilfe kam und sie an Bord nahm, schilderte italienischen Medien das Unglück: "Zuerst kippte das Boot auf die Seite, und innerhalb weniger Minuten war es gesunken. Es ging alles sehr schnell."

Die "Bayesian" wurde 2008 in der Werft Perini Navi in der Toskana gebaut, wie die Zeitung "La Repubblica" berichtet. Sie wurde renoviert und seit 2020 für Luxuskreuzfahrten genutzt. Das Schiff hat eine Länge von 56 Metern und ist 11 Meter breit. Die große Jacht bietet Platz für insgesamt zwölf Gäste in sechs Kabinen, darunter auch eine luxuriöse Master-Suite.

Schwierige Suche

Die Suche nach den Vermissten läuft indes unvermindert weiter. Sie gestaltet sich jedoch schwierig. Den vom italienischen Festland beorderten Spezialtauchern gelang es laut Feuerwehr zwar, in das Innere des Wracks vorzudringen und einige Räume unterhalb der Kommandobrücke zu untersuchen. Zahlreiche Hindernisse versperren ihnen jedoch den Weg, auch die Enge stellt sie vor Schwierigkeiten.

Die Taucherteams der Feuerwehr bestehen aus zwei spezialisierten Höhlentauchern, die zwölf Minuten in der Tiefe bleiben, bevor sie aufsteigen, und sich ständig mit einem weiteren Team abwechseln. Derzeit wird geprüft, das Wrack unter Wasser zu öffnen, um sich Zugang zu verschaffen. Der Zugang zu den Kabinen im Unterdeck, in denen die Vermissten vermutet werden, ist noch immer versperrt.

"Aufgrund der verstrichenen Zeit und der Umstände des Ereignisses ist es natürlich schwierig, sich vorzustellen, dass sich die Dinge zum Besten wenden. Aber wir geben natürlich nicht auf", sagte Vincenzo Zagarola von der Küstenwache im italienischen Radio.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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